Die Entführung der
U-Bahn 123
Kritik
von Christian Mester
The Taking of Pelham 123 (2009)
Regie: Tony Scott
Cast: John Travolta, Denzel
Washington
Story:
Als eines Morgens eine gut
besuchte New Yorker U-Bahn
überfallen und die Insassen als
Geiseln genommen werden, ist der
schüchterne Bahnkoordinator Walter
Garber (Denzel Washington) plötzlich
gezwungen, als geschickter
Zwischenhändler um Menschenleben zu
feilschen. Im Gespräch mit dem
skrupellosen Anführer der Bande
(John Travolta) rennt ihm dabei die
Zeit davon, denn dieser gibt ihm nur
eine Stunde...
Der Film
ist ein Remake des
Thrillers "Stoppt die
Todesfahrt der U-Bahn
1-2-3"
aus dem Jahr 1975 |
|
Kritik:
Dass Ridley Scotts Bruder Tony Scott
sich im Genre des Thrillers
auskennt, braucht er wohl keinem
mehr zu beweisen. Von ihm stammen
Klassiker wie Crimson Tide, The Fan,
Spy Game, Staatsfeind Nr. 1 und Mann
unter Feuer, die man heute fraglos
mit zu den Besten ihres Fachs zählen
kann. Sein Neuester vermag damit
zwar nicht ganz mitzuhalten, ist
aber dennoch diee Fahrt wert. Dass
der Film unterhaltsam ist, liegt in
erster Linie am vortrefflichen Mit-
und Gegeneinander der beiden
Hauptakteure, die sich - zwar in
gewohnten, dafür jedoch sehr
passenden Rollenmustern -
gegenseitig das Wasser reichen und
nahezu im Alleingang die gesamte
Laufzeit des Films stemmen. Trotz
teurer Umsetzung könnte man sich ihr
kleines Wortduell sogar als perfides
Theaterstück vorstellen, in dem sie
wohl vergleichbar gut fesseln
könnten.
Dabei kommt ihnen auch das
aufpolierte Script der Neuauflage zu
Gute. Verglichen mit dem Original
entwickelt sich die Geschichte ein
klein wenig anders, und sowohl
Garber als auch Bösewicht Ryder
entwickeln sich im Progress der
Geschichte auf recht interessante
Weise. Nach und nach zeigen sich
immer tiefere Facetten ihrer
Persönlichkeiten, die Travolta und
Washington souverän und abgebrüht
umzusetzen wissen. Die Story an sich
ist relativ straight und baut
hauptsächlich auf der Spannung über
das Überleben der Geiseln, sowie
über die Spurenfindung der Guten
aus. Während sich die Zeit der
gesetzten Vorgabe nähert, wird es
also haarig, während die immer neuen
Indizien fesselnd mitraten lassen.
Wer sich durch die Grundlage des
Raubes allerdings Hoffnung auf große
Wendungen und geniale Coups ala
Ocean's 11, The Heist, The Score
oder Inside Man macht, lässt diese
mal besser zuhaus. Dieser Überfall
will zwar unterhalten, das aber,
ohne irgendwelche Tricks aus dem
Ärmel schütteln zu müssen.
Weil Scott aber fast völlig ohne
Twists arbeitet, liegt das
Hauptaugenmerk hier mehr auf dem
Verlauf als auf die Auflösung, was
es für ihn schwieriger macht.
Während Travolta und Washington
beide überdurchschnittlich gut sind,
ist es leider nicht der Fall das ihr
Spiel ausreicht, um alles andere zu
übertünchen.
John
Travoltas Charakter ist
nicht was er scheint |
|
Beispielsweise versucht Scott gegen
Ende des Films auf einmal Action in
die dynamische, aber ruhige
Geschichte einzubringen, was
hinsichtlich des Hintergrunds
unsinnig erscheint - die Bösen
sitzen nun einmal unter der Erde
abgeschottet in einem Tunnel, was
tätliche Übergriffe konsequent
einschränkt. Stattdessen wird also
aus einer simplen Autofahrt des
Geldboten ein cineastisches Tata
gemacht, was aber keineswegs greifen
will. Wenn es für die Akteure dann
später tatsächlich an die Oberfläche
geht, verfehlt Scott seine einzige
Chance und vermag es nicht, seinen
Film auf der selben starken Note
enden zu lassen, auf der er zwei
Stunden vorher noch begann. Die
Randfiguren machen ihren Job
ordentlich, mehr allerdings auch
nicht. So wie Jodie Foster und
Willem Dafoe schon sinnlos in Inside
Man verheizt wurden, tauchen hier
James Gandolfini und John Turturro
in kleinen Nebenspots auf, in denen
sie nichts wirklich machen können.
Kurios: sowohl Agent Simmons als
auch Shia LaBeoufs nervend nerviger
Zimmernachbar aus Transformers 2
tauchen auf, wobei John Turturro
sogar zufällig erneut einen
Spezialbeamten mimt (dieses Mal
jedoch zum Glück, ohne sich
auszuziehen oder unter gigantischen
Metallhoden her zu klettern).
Dafür, dass es eigentlich viele
Figuren gibt - Ryders Compadres, die
Geiseln, die Cops und das restliche
Zugpersonal, ist es schade, dass
niemand davon dazu beiträgt, den
Film zu etwas wirklich Besonderem zu
machen. Sowohl die Gangster als auch
fast jeder andere wirkt leer und
gesichtlos, austauschbar. Statisten,
die überdurchschnittlich lange im
Bild sind. Kläglich scheitert auch
der Versuch, das Remake auf die Höhe
der Zeit zu bringen. Das Einbauen
von Sprüchen wie "Hey, er hat dich
gegoogelt", Google-Suche zur
Info-Findung und eine verhunzte (und
unglaubwürdige)
Webcam-Liebesgeschichte lassen
Pelham stets für Sekunden
straucheln, auch wenn es niemals
wirklich den Unsinn anderer
aktueller Sommerfilme erlangt.
Seltsam ist eine der prägnantesten
Szenen des Films, die schon im
Trailer mit einer besonders
wichtigen Note versehen wurde:
Walters Frau bittet ihn, vier
Packungen Milch mitzubringen. Obwohl
sie gerade zuvor erfahren hat, dass
er todesmutig zu den Terroristen
vorstoßen und somit den Tag
eventuell nicht überleben wird.
Garber fragt nach, wieso er denn
ausgerechnet vier Packungen holen
soll - ein Codewort? Eine Warnung,
eine versteckte Nachricht? Was es
auch sein sollte, es scheint so, als
habe jemand entweder beim Script
oder aber im Schnitt gehörig
gepennt. Hoffentlich kommentiert
Scott dies im obligatorischen
Audiokommentar.
Technisch ist Scotts Thriller
natürlich gewohnte Oberklasse:
farbenstarke Bilder, dynamische
Kameraarbeit und erstklassige
Beleuchtung machen Pelham zu einem
fraglos schicken Film - zum Glück
gehört das Epilepsie provozierende
wilde Zeitlupen-Kameraschwenken und
der leidig anstrengende
Stakkatoschnitt seiner Vorherigen
Filme jetzt so langsam wieder der
Vergangenheit an.
Fazit:
Durchaus solider Thriller mit gut
aufgelegten Travolta und Washington,
allerdings ohne echte Überraschungen
und knapp etwas schwächer als das
Original mit Walter Matthau.
6 /
10
10
- Meisterwerk
8-9 - sehr gut
6-7 - gut
5 - mittelmäßig
3-4 - ausreichend
1-2 - miserabel
0 - Inakzeptabel
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