Gestern mehr oder minder zufällig reingestolpert, hatte eigentlich nicht vor, dafür ins Kino zu gehen. Aber nun gut.
War mal wieder schön, so ruhig und klassisch aufgebautes Storytelling zu sehen. Das ist altmodisch im besten Sinne, fällt dadurch in der heutigen Zeit aber tatsächlich auch etwas aus dem Rahmen, das muss man schon mögen. Obwohl nahezu alle Außenaufnahmen in der einen oder anderen Art mit CGI "verbessert" wurden, gibt es hier kaum Schauwerte, wie der eine oder andere es vielleicht erwarten könnte - und das ist gut so. Die realen Sets sind sehr detailliert und liebevoll umgesetzt und verleihen dem Film einen ganz besonderen Charme.
Aber zum Film an sich: Die Story hält jetzt nicht so wahnsinnig viele Überraschungen bereit, und wer den Roman und/oder einen der älteren Filme kennt, wird hier inhaltlich nichts Neues entdecken. ich bin da auch bei Joel, was die Unsinnigkeit des Marketings betrifft, das ich hier im übrigen gänzlich misslungen einstufe.
Obwohl der Film recht leichtfüßig beginnt, wird er stetig ernster und baut auch eine gewisse Spannung auf, doch man sitzt nun nicht Nägel kauend im Sitz, darauf legt es Brannagh auch ganz bewusst nicht an. Man sollte sich das eher wie ein opulentes Theaterstück vorstellen. Besetzung ist herausragend, gleichzeitig aber auch Fluch und Segen. Denn Regie und Drehbuch wissen nichts mit den Figuren anzufangen, sie verkommen neben Poirot im Grunde zu reinen Stichwortgebern und Mittel zum Zweck. Und dafür brauche ich keine Dench, Cruz oder Depp. Dafoe gelingt es zumindest ein wenig herauszustechen, aber das war es dann auch. Zumindest mir ging es so, dass ich mir mehr Szenen zwischen Poirot und den anderen Charakteren gewünscht hätte, auch wenn das vom eigentlichen Fall abgelenkt hätte. Denn der film hat immer seine besten Momente, wenn die Figuren miteinander agieren, doch das passiert zu wenig. Und schlussendlich ist das Ganze dann auch zu gemächlich und zu sehr auf das Finale gebürstet, als dass es wirklich spannend wird.
Unter dem Strich fühlte ich mich gut unterhalten und genoss den Cast und die bewusste altbackene Struktur - aber trotzdem ist da deutlich Luft nach oben. Ich würde mir tatsächlich einen weiteren Film in diesem Stil wünschen - aber der muss dann auch die Schwächen von dem Ding hier erkennen und ausmerzen.
6/10