'Tallica haben sich ja nach 8 Jahren endlich zu einer neuen Scheibe bequemt, ab heute ist sie käuflich erhältlich. Bis inkl. gestern wurden Musikvideos zu allen(!) 12 Songs auf ihren offiziellen YouTube-Channel gestellt. Man kann die Scheibe also legal und gratis im Internet hören - Napster what?
Hab das ganze jetzt schon ein paarmal durchrotieren lassen, und nachdem ich grad einige Stunden Zugfahrt zu McFlamel totzuschlagen hab, hier mein Senf.
1. Hardwired
Schneller, thrashiger Albumopener, mit 3min der mit Abstand kürzeste Song der Scheibe (und vielleicht kürzester der Bandgeschichte?). Nicht wahnsinnig originell, aber knallt ordentlich rein. Erinnert an die simplen Sachen von Kill 'Em All, eine Energie, die man doch länger vermisst hatte.
2. Atlas, Rise!
Könnte man fast als Tribute an Iron Maiden interpretieren. Intro etwas over-riffed (generell ein kleines Problem des gesamten Albums - Viele Lieder trödeln ein bisschen sehr, bis es zur Sache geht), aber die den Gesang unterstützenden Harmonien sind sehr gefällig, auch textlich recht cool. Ohrwurm-Material.
3. Now That We’re Dead
Eher gemütlich vom Tempo her, und man fühlt sich fast an Re/Load-Zeiten erinnert, aber auch hier hat der Refrain definitiv Hängenbleib-Charakter.
4. Moth Into Flame
War von den 3 Singles der eindeutige Favorit des Internets, und mit gutem Grund - Das Teil ist verdammt gut. Gut aufgebaut mit Tempowechsel und Harmonien, gute Steigerung, Doublebass, was will man mehr? Stilistisch eine Mischung aus Death Magnetic und Justice For All.
Hätte den fast als besten Song des Albums eingeschätzt, aber da kommt noch was…
5. Dream No More
Die einzige tiefergestimmte Nummer des Albums. Erinnert teilweise sehr an Load, aber hat stellenweise auch einen ähnlichen Vibe wie The Thing That Should Not be - Nicht verwunderlich, geht auch hier wieder um Chtulhu. Schleppend-langsame, solide Nummer, aber nicht wirklich herausragend.
6. Halo On Fire
Auch wieder eher gemächlich im Tempo. Man wird aber gleich wieder von zweistimmigen Gitarren begrüßt, und die bleiben freudigerweise auch bis zum Ende erhalten. Gutes Lied, zieht in der zweiten Hälfte nochmal bissl an.
7. Confusion
Für mich das schwächste Lied. Zwar auch noch solide, aber eiert ein wenig zu unentschlossen herum. Textlich anscheinend themenverwandt mit One, PTSD und so.
8. ManUnkind
Die einzige Nummer, bei der auch Bassist Trujillo Songwriting Credits hat. Dementsprechend im Verhältnis zu den restlichen Songs ziemlich groovy. Kann mir denken dass den viele mögen, die auch (ja, den Vergleich zieht man im Mittelteil des Albums überraschend oft) Re/Load nicht scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Ich find’s solide, aber kein Highlight.
9. Here Comes Revenge
Wieder etwas riffiger, im Refrain dann auch recht düster. Das Video dazu ist auch recht nett. Gut.
10. Am I Savage?
Für mich nur knapp vor Confusion eingereiht. Wieder recht langsam und schleppend, nicht wirklich markant, irgendwie zäh. Der Titel ist eine deutliche Anlehnung an Am I Evil?, inhaltlich wird offensichtlich wieder eine Art Werwolf-Thematik angegangen. Nicht wirklich schlecht, aber wäre besser aufgehoben als Bonus-Material.
11. Murder One
Ein (zumindest inhalticher) Tribut an den Ende letzten Jahres verstorbenen Lemmy Kilminster. Die ganzen Andeutungen im Text sind nett, musikalisch wieder eher langsam und groovy. Generell keine ungefällige Nummer, aber man fragt sich doch ein bisschen, warum man Motörhead hier nicht auch gleich musikalisch Tribut gezollt hat.
12. Spit Out The Bone
Oh.
Mit dem Album-Closer knallen die Herren einem plötzlich eine Nummer vor den Latz, die aus ihren besten Master of Puppets / …And Justice For All - Zeiten stammen könnte. Hier passt alles - Schnell, thrashig, melodisch, gutes Solo, großartige Steigerung vor Ende. Auch inhaltlich coole Endzeit - Man vs. Machine - Thematik. Man ist versucht sich zu fragen, warum zur Hölle nicht das ganze Album so klingt, wenn die vier Mittfünziger das anscheinend eh noch so abliefern können. Die Antwort ist natürlich einfach - Wollen sie nicht, wäre ihnen auf Konzerten wohl auch zu anstrengend. Aber man nimmt ja was man kriegen kann, und jeder Oldschool-Metallica-Fan dürfte für das Lied dankbar sein und eine kleine Freudenträne im Auge haben.
Bonus Track: Lords Of Summer
Der ist im Grunde ein Überbleibsel aus der Zeit nach Death Magnetic. Wurde öfter live gespielt, nun aber richtig aufgenommen. Ist gut, kann mit dem neueren Material aber nicht ganz mithalten.
Edit: Wobei ich zu schätzen weiß, dass die Nummer fast mehr Double Bass beinhaltet als das restliche Album
Fazit:
Metallica haben seit Load das Problem, sich quantitativ nicht genug einzuschränken auf ihren Alben. Auch Hardwired…To Self Destruct macht da leider keine Ausnahme. Die erste Hälfte des Doppelalbums ist wirklich gut, dann beginnt aber eine eher zähe Durststrecke, für die man nur mit der großartigen Abschlussnummer belohnt wird. Man hätte locker 3 der 12 Lieder auf eine Bonus-Disc für die Deluxe Edition packen können, dann wäre eine kompaktere, stimmigere Scheibe rausgekommen.
Die Guten Sachen sind allerdings wirklich gut, hervorzuheben wäre hier die Vielfältigkeit und das vermehrte Verwenden von Gitarrenharmonien. Ulrichs Drumming ist ein bisschen einfallslos (ja, das ist seit längerem nix neues, aber hier hat man teils das Gefühl, der Mann habe gar keine anderen Toms mehr als die Snare) und es gab auch schon bessere Solos von Hammet (liegt vielleicht auch daran, dass er sein Handy mit über 300 recordeten Gitarren-Ideen für das Album verloren hatte), aber insgesamt kann man sagen, solide Scheibe für Metallica 2016.
7,5/10 (Ein knackigeres 9-Track-Album hätte 8 bekommen, aber diese Verweigerung der qualitativ-quantitativen Selbstkontrolle muss bestraft werden)