Ich bin eigentlich auch kein Fan von künstlicher Verwurstung bekannter Lizenzen, weil man zu faul/nicht mutig genug ist, etwas Eigenständiges zu schaffen. Aber egal ob dunkelhäutige Superhelden oder kulturell signifikante Frauenfiguren der Popkultur - es gibt nicht besonders viele und mal eben so schafft man es nur in absoluten Ausnahmefällen (Furiosa, Katniss) von jetzt auf gleich Figuren neu zu erfinden, die eine gewisse Breitenwirkung haben, um diese "Abweichungen" von der Norm des weißen Mannes als Heldenfigur nicht länger als Abweichungen wirken zu lassen. Wenn wir immer noch jedes Mal darüber diskutieren, dass diese eine Ausnahme im Kinojahr über das Schicksal von Frauen-Helden/nicht-weißen Helden in Kinofilmen entscheidet, werden einige mentale Schlafmützen auch weiterhin von vermeintlich künstlicher "PC-/Diversity-Propaganda" (
) quasseln.
Davon ab bietet sich "Herr der Fliegen" eigentlich sehr gut an, diesen Wechsel mal unter die Lupe zu nehmen. Nicht zuletzt auch weil beide Verfilmungen gar nicht mal so gut sind.
Außerdem wäre es sicherlich nicht "Herrin der Fliegen" - Ja, schon klar, war humorvolle Übertreibung. Aber der Herr der Fliegen ist doch, wenn man so will, die dunkle Aura der Insel, eine entpersonalisierte Macht, die die Kinder beeinflusst. Entpersonalisiert und damit geschlechtslos; dass im Deutschen das Maskulinum auch Neutrum ist, ist ein ganz eigenes Problem.
TheRealNeo schrieb:
Die Geschichte und die Figuren sind ja auch universell angelegt.
Jein. Nicht nur ist der Roman ganz zweifellos von der Entstehungszeit und William Goldings eigenen Erfahrungen im 2. Weltkrieg geprägt, einige Elemente, wie z.B. Jacks Chor, sind explizit britisch in ihrer kulturellen Prägung. Außerdem war die Abwesenheit von Schülerinnen für Golding eine bewusste Entscheidung, nicht zuletzt weil er Mädchen/Frauen eine latent unterschiedliche emotionale Natur unterstellte. Man kann also kaum von "universell" sprechen, wenn mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung überhaupt keine figürliche Entsprechung im Roman besitzen. Piggys nur wörtlich erwähnte Tante (?) ist die markanteste Frauenrolle. Das sagt doch alles.
Edit:
Gonzos Einwurf, dass diese "Gender-Swap" Projekte bisher nahezu ausschließlich von Männern produziert, geschrieben und gedreht werden, ist absolut richtig und vielleicht das noch größere Problem. Auch hinter der Kamera muss sich an den seit Jahrzehnten festgefahrenen Strukturen etwas tun.