frost
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Bus
Samstag Abend, ich sitze im Bus. Mal wieder. Seid meinem Gespräch vor ein paar Tagen bin ich wie durch den Wind. Ich beobachte also, aber interessiert es mich auch? Eigentlich nicht.
Zumindest nicht mehr. Am Anfang fand ichs wirklich spannend, dieses ganze Treiben um mich herum. Ja spannend, aber auch ekelhaft.
Ich sitze also im Bus und schau mir die Menschen an. Einige sind vollkommen gestresst, andere weniger, manche albern rum, junge Pärchen treiben es manchmal quasi direkt vor meinen Augen, zwischendrin heult mal jemand oder schaut furchtbar depressiv in die Welt hinein. Als ob alle gegen ihn wären.
So wie bei dem da grade. Was wohl in dem Jungen vorgeht? Er sitzt zwei Reihen hinter mir. Seine mittellangen dunklen Haare fallen ihm ins Gesicht. Er wirkt sehr nachdenklich und in sich gekehrt. Hat seine Freundin Schluss gemacht? Ist vielleicht sein Vater gestorben? Von der Schule geflogen? Oder ist sein Gameboy kaputt gegangen? Im Endeffekt auch egal. Ein paar Reihen weiter sitzt ein gut gekleideter Mann. Er liest Zeitung...wahrscheinlich ein genervter Geschäftsmann, der gestern noch seine Ehefrau mit der Sekretärin betrogen hat. Die Welt dreht sich nur um ihn.
Der Bus ist heute nicht ganz so voll wie sonst. Ganz hinten liegt ein Penner, der grade seinen Vollrausch auspennt. Zum Glück bin ich weit genug von ihm entfernt. Dann noch zwei Frauen, mittleren Alters, die Rezepte austauschen. Ganz vorne ist eine Mutter mit Kind. Es schläft. Sein Glück nichts ist schlimmer als das Geschrei nerviger Kleinmenschen.
Ich drehe mich um.
Der Bus bleibt an einer Haltestelle stehen. Ich liebe diese Momente. So muss es sich anfühlen wenn man einen Blutwechsel bekommt. Gut vielleicht nicht ganz so unangenehm, aber das Prinzip ist wahrscheinlich das gleiche.
Eine alte Frau will einsteigen. Sie hält sich am Einstiegsgeländer fest und versucht sich reinzuziehen. Trauriger Anblick. Heute scheint nicht ihr Tag zu sein - Kein Gentleman der alten Schule an Board. Dabei sieht sie doch so verdammt liebenswert aus. Grüne zugeknöpfte Strickjacke, langer grauer Rock, schwarze Schuhe mit hochgezogenen roten Strümpfen. Dazu dann noch ein faltendurchzogenes, trotzdem irgendwie sympathisch anzusehendes, Gesicht und eine weisse, verknitterte Handtasche. Ein echtes Mütterchen eben.
Der Geschäftsmann versteckt sein Angesicht hinter seiner Zeitung. Die beiden Frauen, mittleren Alters, unterhalten sich plötzlich noch angestrengter. Wahrscheinlich erlebt der sabbernde Penner grade einen Blowjob von Angelina Jolie. Der "Die Welt ist gegen mich" Junge schaut besonders intensiv aus dem Fenster und das tittensaugende Kind der Mutter fängt jetzt doch noch an zu schreien. Allgemeine Unruhe bricht aus. Hinter der Oma warten ein paar Teenager. Anstatt der Dame zu helfen, blödeln die Wichser lieber rum. Schrecklich, jetzt wär sie beinahe hingefallen. Einer der Jungs draussen, nennen wir ihn Peter, schaut mich an.
"Gib den Menschen eine Chance", hat er vor ein paar Tagen zu mir gesagt. Dieser Heuchler. Ich weiss nicht wie man so Arrogant und Weltfremd sein kann.
Gut gut, zurück zu Peter. Ich schaue ihm nun tief in seine grünen Augen. Es vergeht eine kurzer Augenblick. Seine Freunde diskutieren indes äusserst phylosopisch über das aktuelle Release des momentanen Bravo Superstars.
Ich denke er hat verstanden.
Peter packt der alten Frau an den Arm. "Ach vielen Dank junger Mann", sagt sie mit diesem nachschwingen, wie es nur bei alten Leuten klingt. Als sie Peter im selben Moment dann ins Gesicht sieht, versteinert ihre faltige Miene. Ein kurzer Ruck reicht aus, sie verliert das Gleichgewicht. Nichtmal Zeit zum Schreien bleibt. Wie in Zeitlupe geht die Frau zu Boden. Sie knallt mit ihrem Schädel auf der Einstiegstreppe vom Bus auf.
Das bersten ihrer Wirbelsäule ist gut zu hören.
Oma ist tot.
Peter und seine Kollegen rennen weg. Im Bus bricht sowas wie Panik aus. Der Geschäftsmann legt seine Zeitung beiseite, die Frauen unterbrechen ihr Gespräch, die Mutter ignoriert zum ersten Mal den Schreihals, selbst der Penner wird wach und der Junge fokussiert, wie die anderen, den hinteren Bus Eingang. Der Fahrer kommt nach hinten gerannt. Jetzt hält es keiner mehr auf den Sitzen. Alle stehen sie nun vor der Leiche. "Kann hier jemand erste Hilfe?", "Ich rufe einen Krankenwagen", "Nicht lieber die Polizei?", "Das waren diese Jugendlichen! Wie kann man nur so grausam sein?", "
Ich hab noch nie einen toten Menschen gesehen". Eine Menschentraube bildet sich vorm Bus. Soviel Aufmerksamkeit hatte die alte Frau wahrscheinlich schon lange nicht mehr. Eine halbe Stunde später etwa, trifft die Polizei samt Krankenwagen ein. Die Leiche der Alten wird in einen schwarzen Sack gepackt und weggefahren.
Ein Wachmann nimmt die Aussagen der Zeugen auf. Ein Auszug.
"Das waren irgendwelche Halbstarke. Die haben doch keinen Respekt mehr vor dem Alter sag ich ihnen....Hilfsbereitschaft, sowas kennen diese asozialen Kinder von heute doch gar nicht mehr. Die haben doch nur noch ihren Scheiss im Kopf.", der Geschäftsmann steigt auf Hochtouren auf. "Die Frau war ungefähr im Alter meiner Mutter. Ich kann so eine Tat nicht begreifen.", meint eine Dame mittleren Alters. "Ich wollte ihr noch beim Einsteigen helfen. Dachte dann halt, das das diese Typen machen...schlimme Welt in der wir leben" , meint der vorhin noch lethargisch wirkende junge Mann.
Nach einer Weile sind alle Aussagen zu Protokoll genommen. Der Tatbestand protokolliert und eine Fahndung nach einer Gruppe Teenager rausgegeben.
Hoffentlich erwischen sie die Schweine.
Samstag Abend, ich sitze im Bus. Mal wieder. Seid meinem Gespräch vor ein paar Tagen bin ich wie durch den Wind. Ich beobachte also, aber interessiert es mich auch? Eigentlich nicht.
Zumindest nicht mehr. Am Anfang fand ichs wirklich spannend, dieses ganze Treiben um mich herum. Ja spannend, aber auch ekelhaft.
Ich sitze also im Bus und schau mir die Menschen an. Einige sind vollkommen gestresst, andere weniger, manche albern rum, junge Pärchen treiben es manchmal quasi direkt vor meinen Augen, zwischendrin heult mal jemand oder schaut furchtbar depressiv in die Welt hinein. Als ob alle gegen ihn wären.
So wie bei dem da grade. Was wohl in dem Jungen vorgeht? Er sitzt zwei Reihen hinter mir. Seine mittellangen dunklen Haare fallen ihm ins Gesicht. Er wirkt sehr nachdenklich und in sich gekehrt. Hat seine Freundin Schluss gemacht? Ist vielleicht sein Vater gestorben? Von der Schule geflogen? Oder ist sein Gameboy kaputt gegangen? Im Endeffekt auch egal. Ein paar Reihen weiter sitzt ein gut gekleideter Mann. Er liest Zeitung...wahrscheinlich ein genervter Geschäftsmann, der gestern noch seine Ehefrau mit der Sekretärin betrogen hat. Die Welt dreht sich nur um ihn.
Der Bus ist heute nicht ganz so voll wie sonst. Ganz hinten liegt ein Penner, der grade seinen Vollrausch auspennt. Zum Glück bin ich weit genug von ihm entfernt. Dann noch zwei Frauen, mittleren Alters, die Rezepte austauschen. Ganz vorne ist eine Mutter mit Kind. Es schläft. Sein Glück nichts ist schlimmer als das Geschrei nerviger Kleinmenschen.
Ich drehe mich um.
Der Bus bleibt an einer Haltestelle stehen. Ich liebe diese Momente. So muss es sich anfühlen wenn man einen Blutwechsel bekommt. Gut vielleicht nicht ganz so unangenehm, aber das Prinzip ist wahrscheinlich das gleiche.
Eine alte Frau will einsteigen. Sie hält sich am Einstiegsgeländer fest und versucht sich reinzuziehen. Trauriger Anblick. Heute scheint nicht ihr Tag zu sein - Kein Gentleman der alten Schule an Board. Dabei sieht sie doch so verdammt liebenswert aus. Grüne zugeknöpfte Strickjacke, langer grauer Rock, schwarze Schuhe mit hochgezogenen roten Strümpfen. Dazu dann noch ein faltendurchzogenes, trotzdem irgendwie sympathisch anzusehendes, Gesicht und eine weisse, verknitterte Handtasche. Ein echtes Mütterchen eben.
Der Geschäftsmann versteckt sein Angesicht hinter seiner Zeitung. Die beiden Frauen, mittleren Alters, unterhalten sich plötzlich noch angestrengter. Wahrscheinlich erlebt der sabbernde Penner grade einen Blowjob von Angelina Jolie. Der "Die Welt ist gegen mich" Junge schaut besonders intensiv aus dem Fenster und das tittensaugende Kind der Mutter fängt jetzt doch noch an zu schreien. Allgemeine Unruhe bricht aus. Hinter der Oma warten ein paar Teenager. Anstatt der Dame zu helfen, blödeln die Wichser lieber rum. Schrecklich, jetzt wär sie beinahe hingefallen. Einer der Jungs draussen, nennen wir ihn Peter, schaut mich an.
"Gib den Menschen eine Chance", hat er vor ein paar Tagen zu mir gesagt. Dieser Heuchler. Ich weiss nicht wie man so Arrogant und Weltfremd sein kann.
Gut gut, zurück zu Peter. Ich schaue ihm nun tief in seine grünen Augen. Es vergeht eine kurzer Augenblick. Seine Freunde diskutieren indes äusserst phylosopisch über das aktuelle Release des momentanen Bravo Superstars.
Ich denke er hat verstanden.
Peter packt der alten Frau an den Arm. "Ach vielen Dank junger Mann", sagt sie mit diesem nachschwingen, wie es nur bei alten Leuten klingt. Als sie Peter im selben Moment dann ins Gesicht sieht, versteinert ihre faltige Miene. Ein kurzer Ruck reicht aus, sie verliert das Gleichgewicht. Nichtmal Zeit zum Schreien bleibt. Wie in Zeitlupe geht die Frau zu Boden. Sie knallt mit ihrem Schädel auf der Einstiegstreppe vom Bus auf.
Das bersten ihrer Wirbelsäule ist gut zu hören.
Oma ist tot.
Peter und seine Kollegen rennen weg. Im Bus bricht sowas wie Panik aus. Der Geschäftsmann legt seine Zeitung beiseite, die Frauen unterbrechen ihr Gespräch, die Mutter ignoriert zum ersten Mal den Schreihals, selbst der Penner wird wach und der Junge fokussiert, wie die anderen, den hinteren Bus Eingang. Der Fahrer kommt nach hinten gerannt. Jetzt hält es keiner mehr auf den Sitzen. Alle stehen sie nun vor der Leiche. "Kann hier jemand erste Hilfe?", "Ich rufe einen Krankenwagen", "Nicht lieber die Polizei?", "Das waren diese Jugendlichen! Wie kann man nur so grausam sein?", "
Ich hab noch nie einen toten Menschen gesehen". Eine Menschentraube bildet sich vorm Bus. Soviel Aufmerksamkeit hatte die alte Frau wahrscheinlich schon lange nicht mehr. Eine halbe Stunde später etwa, trifft die Polizei samt Krankenwagen ein. Die Leiche der Alten wird in einen schwarzen Sack gepackt und weggefahren.
Ein Wachmann nimmt die Aussagen der Zeugen auf. Ein Auszug.
"Das waren irgendwelche Halbstarke. Die haben doch keinen Respekt mehr vor dem Alter sag ich ihnen....Hilfsbereitschaft, sowas kennen diese asozialen Kinder von heute doch gar nicht mehr. Die haben doch nur noch ihren Scheiss im Kopf.", der Geschäftsmann steigt auf Hochtouren auf. "Die Frau war ungefähr im Alter meiner Mutter. Ich kann so eine Tat nicht begreifen.", meint eine Dame mittleren Alters. "Ich wollte ihr noch beim Einsteigen helfen. Dachte dann halt, das das diese Typen machen...schlimme Welt in der wir leben" , meint der vorhin noch lethargisch wirkende junge Mann.
Nach einer Weile sind alle Aussagen zu Protokoll genommen. Der Tatbestand protokolliert und eine Fahndung nach einer Gruppe Teenager rausgegeben.
Hoffentlich erwischen sie die Schweine.