Jeff Jensen von Entertainment Weekly sprach kurz mit den "LOST"-Machern
über die Premiere der sechsten Staffel.
Achtung, Spoiler!
EW: Die Idee, "Flash-Sideways" einzuführen und uns in der sechsten Staffel
eine Welt zu zeigen, in der Oceanic 815 niemals abstürzte, wie lang habt
ihr daran gearbeitet? Warum wolltet ihr es machen?
Damon Lindelof: Das war schon seit einigen Jahren im Gespräch. Wir
wussten, dass das Ende der Zeitreisen-Staffel ein versuchter Neustart
werden würde. Und deshalb ahnten wir auch, dass die Zuschauer sich schon
denken würden, dass wir neu beginnen oder sagen, es habe nicht
funktioniert und wir machen so weiter. Dann dachten wir uns, dass es doch
toll wäre, wenn wir beides machen. Das war der Ursprung dieser Geschichte.
Carlton Cuse: Wir dachten, nur eine dieser Optionen zu zeigen, wäre mit
Sicherheit nicht befriedigend. Seit dem Start der Serie kreuzen sich die
Wege der Charaktere. Teil unseres Wunsches für Staffel sechs ist es, zu
zeigen, dass es diese Verknüpfungen immer noch gibt und dass einige
Charaktere immer noch das Leben anderer Charaktere beeinflussen, auch ohne
auf der Insel abgestürzt zu sein. Die große Frage dieser Staffel lautet
natürlich: Wie werden diese beiden Zeitlinien zusammengeführt? Für Fans,
die die Serie nicht so intensiv verfolgen, bedeutet es eine intakte
Erzählweise. Sie können sich die Flash-Sideways anschauen, sie stehen für
sich alleine. Erfahrene Fans können diese Flash-Sideways mit den
Rückblenden aus den vergangen Staffeln vergleichen und die möglicherweise
interessanten Unterschiede herausfinden.
Damon Lindelof: Gleich zu Beginn, in den ersten fünf Minuten der Premiere
treffen zwei Dinge einen wie ein Schlag, die man so nicht erwartet hätte.
Erstens befindet sich Desmond an Bord des Flugzeuges und zweitens springen
wir aus dem Flugzeug ins Meer unter Wasser und sehen, dass die Insel
gesunken ist. Grundsätzlich wollten wir damit ausdrücken: "Gott segne die
Überlebenden von Oceanic 815, weil sie sich dermaßen Ich-bezogen
verhalten, dass die dachten, der einzige Effekt der Detonation der Bombe
sei, dass das Flugzeug nicht mehr abstürzt." Aber sie hören nicht auf,
darüber nachzudenken "Wenn wir das in 1977 machen, was wird noch davon
betroffen?" Ihr ganzes Leben kann radikal geändert werden. Genau genommen
hat es den Anschein, dass sie die Insel versenkt haben. Das ist unsere Art
zu sagen: Haltet die Augen für Unterschiede offen, die ihr nicht erwartet.
Einige der Charaktere befinden sich noch in Australien, andere wiederum
nicht. Shannon ist nicht da. Boone erzählt, dass er vergeblich versucht
hat, sie zum Mitkommen zu bewegen. Und es gibt noch andere Leute, die wir
noch nicht gesehen haben. Wo ist Libby? Wo befindet sich Ana-Lucia? Wo ist
Mr. Eko? Das sind Dinge, über die ihr euch Gedanken machen solltet. Wenn
unsere Charaktere das "Was wäre wenn"-Szenario postulierten, haben sie die
anderen Effekte, die eine Veränderung der Zeitlinie mit sich bringt,
vernachlässigt und greifen uns nun diese Dinge.
EW: Sagt ihr nun, dass die Explosion von Jughead das Ereignis war, das die
neue Zeitlinie erschuf? Oder ist das ein Geheimnis, das in der sechsten
Staffel aufgedeckt wird?
Lindelof: Das ist ein Geheimnis, ein großes sogar.
Cuse: Wir hatten ein wenig die Sorge, dass es sehr verwirrend sein könnte,
wie wir in diese Staffel starten. Die Urbilder der Charaktere bleiben
erhalten und das ist die bedeutendste Sache. Kate ist immer noch ein
Flüchtling. Und da kommt z.B. das Video von der ComicCon 2009 ins Spiel.
Wie ihr sehen könnt, ist das Szenario unterschiedlich. Kate tötete den
Azubi anstatt ihres leiblichen Vaters. Diese Unterschiede existieren, aber
die Charaktere bleiben im Grunde gleich. Wenn es zu verwirrend für euch
wird, dann verfolgt die Flash-Sideways so, wie sie sind. Es ist nicht ganz
so wichtig, dass man genau weiß, inwiefern sie sich von den Flashbacks aus
den vergangenen Staffeln unterscheiden. Das ist nicht entscheidend, um der
Handlung dieser Staffel zu folgen.
EW: Gibt es eine Verbindung zwischen der Insel-Realität und der
Sideways-Realität? Laufen sie für den Rest der Staffel parallel ab?
Fusionieren sie sogar? Oder verblasst eine Realität?
Lindelof: Die Frage ist das große Risiko, das wir in der finalen Staffel
auf uns nehmen. [Und Damon erklärt dann, dass das Erkennungs-"Woosh!", das
den Wechsel zwischen Insel-Realität und Flash-Forward bzw. Flashback
verdeutlicht, ausgetauscht wurde, um Aufmerksamkeit auf die Verbindung
zwischen Insel-Welt und Sideways Welt zu lenken]. Das ist das kritische
Geheimnis dieser Staffel: "Was ist die Verbindung dieser beiden Welten?"
Und wir gebrauchen absichtlich nicht den Begriff "alternative Realität",
denn wenn man eine der Realitäten als "alternativ" bezeichnen würde,
impliziert man sehr schnell, dass sie nicht real sei.
Cuse: Aber die Fragen, die ihr stellt, sind genau richtig. Warum zeigen
wir zwei verschiedene Zeitlinien? Werden sie sich aufklären? Werden sie
sich verbinden? Werden sie nebeneinander parallel existieren? Werden sie
sich kreuzen oder überschneiden? Entpuppt sich eine als richtige Zeitlinie
und die andere nicht? Das sind die richtigen Spekulationen, die man an
dieser Stelle der Staffel machen sollte.
Lindelof: Aber es erfordert Geduld. Wir haben den Zuschauern mittlerweile
beigebracht, sich zu gedulden und obwohl es sehr früh einige mythologische
Antworten geben wird, wird die Frage nach der Verbindung dieser zwei
Welten ganz langsam gelöst.
EW: Versenkte Jughead wirklich die Insel? Und ist es möglich, dass die
Sideways-Charaktere nun in einer Zeitschleife gefangen sind, in der sie
womöglich zurück in der Zeit reisen müssen, um die Kontinuität mit der
Explosion der Bombe zu wahren?
Lindelof: Auch diese Fragen werden in der Serie behandelt. Hat die
Explosion von Jughead wirklich die Insel versenkt? Wer weiß? Aber man
konnte den Fuß sehen und es sieht so aus, als seien die Baracken gebaut
worden. Diese kleinen Hinweise helfen vielleicht dabei herauszufinden,
wann die Insel versank. Denkt mal drüber nach. Es sind nur noch ein paar
Episoden vor uns und einige Charaktere haben auch schon darüber
diskutiert. Wir sagen nur soviel: Staffel sechs handelt nicht von
Zeitreisen. Es geht um die Verwicklungen, Nachwirkungen und die Logik rund
um den Versuch, die Vergangenheit zu ändern. Aber die Idee, paradoxe
Geschichten weiter zu erzählen, haben wir dieses Jahr definitiv nicht.
(Quelle: Lost-Mania -
www.lost-mania.de)