Regierung einigt sich auf Sparpaket
51 Milliarden in sechs Jahren: Das Kabinett Merkel will an die Sozialhilfe, die Familienförderung und die Beamtenbezüge ran. Die SPD sieht die Schwachen benachteiligt.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich in wesentlichen Punkten auf die Details ihres Milliarden-Sparpaketes verständigt. "Weite Teile des Pakets stehen", sagte ein Regierungssprecher nach gut elfstündigen Gesprächen im Bundeskanzleramt. Bereits im kommenden Jahr soll der Bundesetat um elf Milliarden Euro entlastet werden. In den Folgejahren wird ein Volumen von je acht Milliarden angepeilt.
Damit soll das größte Sparpaket in der bundesdeutschen Geschichte nach bisherigen Informationen bis 2016 rund 51 Milliarden Euro umfassen. Geplant sind demnach Kürzungen bei Sozialhilfen und in der Familienförderung. Das Elterngeld soll gedeckelt werden.
Die Zahl der Beschäftigten in Bundesbehörden und Ministerien soll bis 2014 um mindestens 10.000 Stellen dauerhaft sinken. Die Bundesbeamten müssen mit einer Kürzung ihrer Bezüge um 2,5 Prozent rechnen. Dies soll durch den Verzicht auf die geplante Erhöhung des Weihnachtsgeldes im Jahr 2011 erreicht werden.
Auch verständigte sich die Bundesregierung darauf, den mehr als 500 Millionen Euro teuren Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses aus Geldnot zu verschieben.
Weitgehend einig war sich die Runde bisher dem Vernehmen nach über die Streichung der Rentenbeiträge des Bundes für Hartz-IV-Empfänger. Einvernehmen soll es auch gegeben haben bei der Streichung der Ausgleichszahlungen für Erwerbslose beim Übergang vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II.
Nach bisherigen Plänen soll für Hartz-IV-Empfänger das Elterngeld gestrichen werden. Die Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Elterngeldes soll von 2700 auf 1800 Euro fallen.
Wegfallen soll der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger, weil sich Energiekosten normalisiert hätten, hieß es. Die Wohnungsbauprämie von 45 Euro bei Alleinstehenden und 90 Euro pro Jahr bei Ehegatten soll auslaufen.
Die Koalition debattiert auch über Einsparungen im Verteidigungsetat. Hier hatte das Finanzministerium laut Regierungskreisen Einschnitte von 600 Millionen Euro im kommenden Jahr und 1,1 Milliarden Euro für 2012 vorgeschlagen. Da dafür insgesamt 40.000 Stellen für Berufs- und Zeitsoldaten gestrichen werden sollten, habe Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vorgeschlagen, die Wehrpflicht auszusetzen. Seine Vorstellungen stießen aber vor allem in der CDU und bei CSU-Chef Horst Seehofer auf Widerstand.
Bis zuletzt strittig waren Steuererhöhungen. Die Bundesregierung wird auch Ausnahmeregelungen für die Ökosteuer überprüfen. Allgemein soll es keine neuen Subventionen mehr geben oder bestehende Subventionen sollen nicht erhöht werden. Auch die Bundeswehr soll ihre Ausgaben im Milliardenbereich reduzieren.
Zusätzliche Einnahmen soll eine neue Abgabe auf Finanzgeschäfte ab 2012 bringen. Mit einer Brennelemente-Steuer sollen bei längeren Atomlaufzeiten Zusatzgewinne der Energiekonzerne in die Staatskassen umgeleitet werden: Es geht um jährlich 2,3 Milliarden Euro.
Mit dem Sparkatalog sollen Vorgaben der neuen, im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse bis zum Jahr 2016 erfüllt und die Lücke zwischen laufenden Einnahmen und dauerhaften Ausgaben schrittweise geschlossen werden. "Jetzt wird die Handschrift der Koalition sichtbar", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Beginn der Klausur gesagt.
"Jetzt ist eine Zeit des Sparens angesagt", sagte Merkels Stellvertreter, Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Die Ausgaben müssten den Einnahmen folgen und nicht umgekehrt. Die Zeit, in der Deutschland über die Verhältnisse gelebt habe, müsse überwunden werden. "Ein neues Jahrzehnt beginnt."
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, kündigte Widerstand gegen die Sparpläne an. "Man merkt die Absicht: Man will bei den ganz Armen rein, um die Großen zu schonen", sagte Sommer in der ARD. "Das ist eine Geschichte, die nicht geht und die wir auch nicht mitmachen werden." Sein Kollege von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, warnte, die Bundesregierung belaste "einseitig die Schwachen in der Gesellschaft, statt starke Schultern angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen".
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, beklagte, "die sozial Schwachen sind die Leidtragenden einer verfehlten Haushaltspolitik". Kürzungen bei den Ärmsten der Gesellschaft seien "ökonomischer Unsinn, da sie die Binnenkonjunktur schwächen", sagte er der Berliner Zeitung. Er bezog sich unter anderem auf die Pläne in der Koalition, das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger zu streichen.
Kritik kam aber auch aus dem Koalitionsparteien. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, sagte im Deutschlandfunk, "der Wurf, strukturell etwas zu verändern, fehlt". Er forderte eine gerechte Lastenverteilung zwischen Arm und Reich. Dazu sollte unter anderem der Spitzensteuersatz angehoben werden. Hier blockiere allerdings die FDP sich selbst, kritisierte Lauk. "Das Potenzial des Einsparens wird nur gesellschaftliche Akzeptanz finden, wenn Oben und Unten gleichermaßen einbezogen werden." Lauk sprach sich auch dafür, ermäßigte Mehrwertsteuersätze zu streichen, mit Ausnahme der Grundnahrungsmittel.
FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte dazu, mit der FDP wird es weder höhere Einkommenssteuern, höhere Mehrwertsteuern oder einen erhöhten Soli geben". Es hatte Mutmaßungen gegeben, der Bund wolle den Solidaritätszuschlag erhöhen.
Am 7. Juli unmittelbar vor der parlamentarischen Sommerpause will die Regierung den Entwurf für den Sparhaushalt 2011 und den Finanzplan bis 2014 verabschieden.