So, jetzt auch gesehen. Anders als bei Jay oder den beiden Mädels vor mir, stellten sich bei mir keine Tränensturzbäche der Rührung ein. Mich ließ das auch weiß Gott nicht kalt, aber mich hat das nicht ansatzweise so mitgenommen, wie ich das erhofft und nach Jays Kritik auch wieder etwas mehr erwartet hatte. Aber der Film ist auch nicht so maßlos kitschig, wie ich zunächst dachte.
Das Hauptproblem waren das Script und (ich hätte nicht gedacht, das mal zu sagen) John Williams. Der fängt doch schon in der allerersten Szenen mit seiner schmalzigen Streicherattacke an, wo überhaupt noch nichts passiert ist. Das Wunder der Geburt, oder was sollte da bis zum Gehtnichtmehr schon emotionalisiert werden? Einige Szenen gingen schon nah, ohne die jetzt spoilen zu wollen. Eine Sterbeszene im Tunnel beispielsweise. Oder "Stacheldraht". Aber vieles wurde dann entweder durch unpassend albernen Humor untergraben oder durch wüste und unnötige Konstruktion. Eigentlich ist die Odyssee von Pferd Joey durchaus nachvollziehbar, aber einige Sachen sind einfach so unfassbar durchschaubar, dann wieder total unglaubwürdig, oder mit aller Macht erzwungen. Zum Beispiel als es gegen Ende um Geld und Besitzanspruch geht. Völlig unnötig und das scheint man dann auch im Film zu merken, weil es überhaupt keine Rolle spielt. Man wollte nur NOCH einen Schock einbauen, NOCH ein Problem aufbringen, NOCH einen Stein in den Weg stellen.
Und vielleicht bin ich ein unsentimentaler Klotz, aber bei anderen Filmen kann ich auch anders und eine gewisse Tier-Empathie habe ich auch. Nur ging mir diese Sakralisierung des Pferdes irgendwann total auf den Keks. Wie es sich selbst opfert und den zwei- oder vierbeinigen Freunden hilft. Dieses Pferd ist kein "Wunderpferd", wie im Film mehrfach gesagt wird, es ist der Messias. Es nimmt hinweg die Sünden der Welt. Alter Falter - und diesen Eindruck hatte man schon etwa nachder Hälfte, aber das Script legt noch mindestens doppelt und dreifach nach. Für mein Empfinden eindeutig zu viel des Guten. Vor allem, wie das Tier auf fast ausnahmslos alle Wegbereiter und -begleiter diese Wirkung hat. Unfassbar. Wie gesagt, tendenziell sind die Stationen der Odyssee ganz passend und nachvollziehbar, aber wie es dazu kommt wird oft nur mit dieser magischen Wirkung erklärt. Und das von Beginn/Geburt an. Hä? Habe ich zu wenig Wendy gelesen oder warum erschließt sich mir nicht, was beide Narracott Männer anfänglich in dem Gaul sehen?
Das alles stört aber nur phasenweise in einem Film, der oft nicht verschweigen kann, wie stark er inszeniert ist und wie mitreißend die Geschichte ist bzw. sein könnte. Denn das script ist wie gesagt etwas zu sehr Kriegs-Märchen, und Spielberg hat auch schon mal wuchtiger, flüssiger, origineller, spannender und emotionaler inszeniert. Abgesehen von der grausigen Schlussszene ist aber immerhin die Optik zweifelsfrei ein Genuss. (Mich störte allerdings, dass im 1. Weltkrieg scheinbar alle Welt synchronisiertes Deutsch, also wohl Englisch sprach. Selbst wenn Deutsche und Franzosen unter sich sind. Muss doch nicht sein. Steigert allerdings diesen Märchen-Charakter.)
Und noch abschließend was zum Titel. Der deutsche Titel passt besser, weil es ja nicht nur um Joey, sondern auch um Albert und die Familie geht. Aber wenn ein Film "War Horse" im Original heißt, hätte ich eine reine Pferde-Perspektive besser gefunden. Hätte man sicherlich auch rein auf Joey fixiert erzählen können. Ist ein ähnliches Problem wie bei "Hugo", wenn die Titelfigur irgendwann nur noch von sekundärem Interesse ist oder schweigsam bejubelt wird.
6/10 (Was nach viel Gemecker vielleicht überrascht, aber ich habe mich halt auch hier grad größtenteils auf Gemecker fokussiert. Als Gesamtfilm ist mir diese Erfahrung durchaus knappe 6/10 Punkte wert.)