The Tree of Life ~ Pitt, Malick [Kritik]

Joel.Barish

dank AF
@Tyler
Die Ödipus-Parallelen waren ja relativ deutlich. Hatte ich in meiner Kritik auch kurz angedeutet. Allein die Szene mit dem Nachthemd, oder was es war, der Mutter. Ganz deutlich und ich fands sehr gelungen. Wie ich fast alles, was die Handlung in den 50ern betrifft, sehr gelungen fand.

@Jay dem seine Kritik:

"ist der Film ein stark konservatives, philosophisches Drama"
- Konservativ? Inwiefern? Meinst du die handelnden Figuren, den Vater und seine Erziehungsmethoden? Das macht ja den Film noch nicht konservativ. Es sind die 50er in einer Kleinstadt im Süden der USA. Wenn du da nicht konservativ warst, baumelst du nächste Woche am Laternenmast. Jetzt mal übertrieben formuliert. Denn als Film ist TOL alles andere als konservativ, sondern das komplette gegenteil. Er widerspricht allem, was man in Film Schools lernt, was man aus der Filmtradition gewohnt ist und was man sich unter filmischem Erzählen bisher vorgestellt hat. Was das betrifft, ist TOL so konservativ wie "Enter the Void".

"The New World und Der schmale Grat; Filme, die nichts von Explosionen und flotten Sprüchen halten"
- :biggrin: Merkste selbst, oder? Fand ich lustig.

"besticht Malicks Film mit ungeheuer einfühlsamer Bildästhetik nach alter Schule."
- Auch das passt nicht. Ist dieselbe Sache wie "konservativ". Nur weils ruhige Bilder ohne Computer und Krach Bumm Peng sind, ist die Kameraarbeit sicherlich nicht alter Schule. Diese Form der Beweglichkeit sieht man nicht oft, in Kombination mit dem Schnitt wird daraus dann gänzlich ein Schub hin zum Neuen, was Filmsprache betrifft.

"Es wirkt sogar kontraproduktiv, da die ständigen Sprünge zu Vulkanausbrüchen, Dinosauriern und Wolkenbänken immer wieder von der eigentlichen Handlung trennen, mit dieser nicht bündig verschmolzen sind."
- Aber das passiert doch nur in der ersten Halben- und der letzten Viertelstunde. Der Hauptteil springt doch nur innerhalb seiner eigenen Welt, aber ohne Dinosaurier, ohne den Weltraum, ohne Sean Penn. Zwar mit Landschaftsaufnahmen und Blätter im Wind, Vorhänge im Wind etc., aber das Springen geschieht wenn überhaupt innerhalb dieser feststehenden Handlung. Die setzt sich eben in Fragmenten zusammen, was rückbickend das einzig positive an der Sean Penn Rahmenhandlung ist, dass nämlich das Fragmentarische, bisweilen Unchronologische dadurch erklärt wird. Den visuellen Stream of Consciousness habe ich noch in keinem Film so schön, so frei, so federleicht und doch präzise gesehen. Sehr authentisch.

Und dass die ach so schrecklichen Szenen der Gegenwartshandlung (haben mir ja auch nicht so gefallen) kaum 15 Minuten eines 140 Minuten Films ausmachen, darf aber erwähnt werden. :wink:
Und die "Handlung dünn"? Die Narration ist dünn, aber die Handlung doch nicht oder in der emotionalen und charakterlichen Tragweite. Das ist enorm. "taucht The Three of Life auf der anderen Seite viel zu tief ins Subtile ein" - ? Das klingt, als wäre subtil gleich schlecht. Hä? Wo leben wir denn? Wer bist du und was hast du mit Jay gemacht? :ugly: Hast du dich im Wort vertan und meintest vertrackten Symbolismus? Dann würde ich dir zustimmen, aber ein subtiler Umgang mit Figuren, Emotionen und Themen sollte das Ziel, jedes ernsthaften Filmemachers sein. All dies offensichtlich und ohne Hintergrund, ohne Hintergedanken zentral und zweifelsfrei in den Film zu stellen, ist doch billig und einfallslos. Subtilität kommt aus der Authentizität und da beweist die Haupthandlung wahre Meisterschaft.

Das mit der nicht festgelegten Perspektive stimmt allerdings. Es ist zwar meistens der älteste Sohn, aber nicht durchgängig. Ist manchmal ein wenig brüchig. Widersprüche kommen da aber kaum auf und die Figuren bleiben nachvollziehbar und greifbar. Zumindest die zentralen und das sind Papa und der älteste Sohn. Das Mysterium Mutter wird auch als solches behandelt. Die Szene mit der schwebenden Jessica Chastain (oder der Schneewittchensarg) - göttlich. Wie gesagt, so konsequent und wirkungsvoll wurde die Innensicht eines Kindes schon lange nicht mehr visualisiert und umgesetzt. Von den Perspektivbrüchen mal abgesehen.

"In allen Sichten bleibt die erzählte Geschichte zu klein und eher ein reines Nachstellen von Empfindungen."
- Und ist das nicht eine großartige Leistung? Es ist Stimmungskino. Und dass es voller Nostalgie an die eigene Kindheit erinnern vermag (und ich z.B. sah mich wieder als 7-Jähriger mit dem Holzschwert über den Bauernhof oder durch den Wald bei meinen Großeltern stapfen), ist doch ein reichhaltiges Erlebnis! Über ein paar Kritikpunkte bin ich sehr verwundert. Die Bewertung... joa, meinetwegen, aber die Begründung irritiert mich manchmal. Und dann zum Schluss ausgerechnet die Moldau loben. Ausgerechnet... :ugly:

Na ja, die Vergleiche mit TF3 fand ich dann doch sehr gewollt. Im Vorfeld dachte ich, dass dieser Eye-Candy fürs "Arthouse-Publikum" Vergleich einigermaßen passt, aber in der Kritik passt das nicht mehr. Und Mr. Bean erwähnen... naaaa ja. :wink:

Edit: Und dieser neue TOL <-> TF3 Vergleich machts auch nicht besser. Ja, manches kann man so sehen, anderes ist Geschmackssache, aber vieles ist auch passend zurechtgestutzt und - ob absichtlich oder nicht - so oberflächlich betrachtet, wie man dem Film unterstellt zu sein. :/

Allein das mit den Frauenfiguren. Ähnlich wie bei "Lohn der Angst"... es ist eine Frage der Perspektivierung und auch wenn die nicht immer einheitlich ist, ist doch klar, dass es nie eine objektive Perspektive gibt, dass die Mutter selbst nie ins Zentrum rückt. Ihr Sohn und ihr Mann blicken auf sie. Das zusammen mit der Zeit, dem Ort und der Gesellschaft - tadaa!
 

Batou9

Well-Known Member
Die Kritik von Jay ist berechtigt, auch wenn sie vollkommen an der Sinnlichkeit des Films vorbei geht. Es brauch mehr als die großen Einordnungen und Vergleiche, mehr als die Beständigkeit von Sprüngen zu Vulkanausbrüchen und lebendige Prähistorie (5 von 140 Minuten) zu suggerieren. Hingegen brauch es reichlich Suggestion um eine nüchterne Betrachtungen und den Vergleich zum dümmsten Film des Jahres für eine Stellenwertfindung dieses Experiments zu nutzen. Nüchtern betrachtet hat der Film keine Detailverliebtheit, sondern hinterlässt eindrucksvoll ein träumerisches Gefühl.

Ich habe das auf der zweiten Seite versucht auszudrücken und fühlte mich während des Films ziemlich traumatisiert und gleichzeitig inspiriert. Niemand der Kritiker hier wird es wohl schaffen einen Abend nach dem sommerlichen Gewitter in seiner Sinnlichkeit zu beschreiben, weshalb es erst unmöglich ist die Tiefenwirkung eines solch filmerischen Ausfluges zur bewussten Sinnbildlichkeit und Sehnsucht nach uns vertrauten, inne wohnenden Momenten zu beschreiben.

Es werden viel zu viele Parallelen zu ähnlich verstörenden Filmen gesucht, als dass Jay Antworten auf die eigentlichen Fragen, die der Film unausweichlich aufwirft, mitgenommen hat. Womöglich wurden im Vorfeld auch einfach zu viele Stimmen und gedankliche Überlagerungen zu ähnlich wirkenden Kinoerlebnissen in den Raum geworfen, welche einzig das nüchterne Ableiten, Studieren der Hintergründe und Errechnen einer Quersumme fordern. Ähnlich wie Joel sehe ich hier keine Notwendigkeit dem Film Altertümlichkeit und ein Ausschweifen in Überlagerungen vorzuwerfen. Ob Sean Penn oder Brad Pitt nun funkeln oder in den Aufnahmen versinken; es ähnelt dem wahren leben mehr als ein künstlicher Platz für größere Momente.


Ich musste bei dem Film unweigerlich an Herrn Dr. Magris denken; die Zucht zur kapitalistischen und egomanen Repräsentation, die Verblödung und Einsamkeit in gesellschaftlichen Ordnungen der Gegenwart, dass sind die wahren Tiefen des zweistündigen Rückblicks auf die würgende Umarmung und späte Erkenntnis des Vaters.

Ähnlich wie mir, wird es millionen Menschen ergehen bzw. ergangen sein, wenn/als sie ein Familienmitglied verloren haben und die Gegenwart durch starke Sehnsüchte nach Fundamenten des Friedens, der Rückbesinnung an die eigenen Treppenstufen behaftet ist. Womöglich sehen wir zwei ganz unterschiedliche Filme, denen keine der Kritiken würdig wird, ein Vergleich zu Transformers 3 hingegen als Ablehnung einer Annäherung an das eigentliche Thema des Films nahe kommt.

Claudio Magris und Peter Sloterdijk 1992 über die Dummheit der Verkörperung von Stärke und das geforderte, offensive Verhalten unserer Kinder:

http://www.youtube.com/watch?v=qGhMtmDWoTwfeature=player_detailpage#t=273s

batou
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Vorab, auch an batou - auf deinen Post werde ich hiernach noch was schreiben - der aufgesetzte Vergleich mit TF3 ist rückblickend doch nicht allzu gelungen, wenn er auch inhaltlich meiner Meinung nach doch durchaus passt. Allerdings kann es schwierig sein, zu differenzieren und TOL nicht heruntersimplifiziert zu sehen, oder dass es den Eindruck erweckt, die TOL Kritik sei aus Sicht eines reinen 0815-Mainstreamers geschrieben. Ich hatte es gewählt, in der Hoffnung, damit viele ansprechen zu können, die solche Filme eher nicht schauen und ihn darüber eventuell besser einordnen können. Naja, nicht so dramatisch.

@Joel
Das stark konservativ ist nicht negativ besetzt, nur eine Einordnung der Geschichtenart, hier mal übertrieben formuliert, um es in Kontrast zum Epileptikerwerk TF stellen zu können. Technisch ist er natürlich keineswegs konservativ, da war auch dieses "nach alter Schule" keineswegs negativ gemeint. Ich wollte bloß hervor heben, dass er sich wie viele ältere Filme wie Lawrence, 2001 oder Für eine handvoll Dollar oftmals sehr viel Ruhe und Zeit für seine Szenen nimmt. Lange Aufnahmen hat, in denen Figuren auch einfach mal nur da stehen und nichts tun. Ein Stil, der ja auch bei heutigen Dramen eher selten vorkommt. Das würde ich sogar positiv bewerten, da es die Sorgfalt und Detailverliebtheit im Schauspiel und der Regie erst wirklich hervorheben kann.

Was die Symbolik betrifft, hast du Recht, dass die extremeren Bilder, die Naturgewalten, Dinosaurier etc. nur wenig vorkommen, doch der gesamte Film ist, wie du ja schon selbst sagst, durchpflügt mit diesen Bildern, die überall eingebaut sind, sei es nur Malicks Einfangen von Blättern. Was du aber als gelungen siehst, dass Penns Rückblick in dieser Fragmentart erzählt wird, finde ich sehr misslungen. Ich glaube sogar, dass der Film wesentlich besser gewesen wäre, hätte man die Symbolik kleiner gehalten und die Handlung chronologisch erzählt. Oftmals dachte ich okay, I get it, bis ich teilweise echt mit den Augen rollen musste weil einiges an der Symbolik durchaus plump erscheint.

Storytechnisch... ganz zu Anfang wird direkt ein wichtiges Schicksalserlebnis vorweg genommen, das einen dann beim ganzen weiteren Film belastet. Man weiß also, worauf das hinaus läuft... und es ist ja nicht einmal das Finale. Es ist so ziemlich der interessanteste Spannungsmoment gegen ende der Hälfte, der durch die Vorwegnahme völlig entkräftet wird. Das Ende daraufhin schadet dem ganzen sogar sehr fand ich. Es erinnert ja sehr an das Finale einer gewissen Fernsehserie, das dadurch fast ähnlich arg runtergezogen wurde. Vollkommen unnötig.

Ich fand Penns Dasein sogar gänzlich überflüssig. Es hätte vollkommen gereicht, hätte der Film mit seiner Geburt beginnt und im Jugendalter endet. Alles, was er in der Zeit von ~13 bis 50 erlebt hat, ist hier wiederum egal, und dem Film ist auch egal, was zwischen seiner nachdenklichen Zeit und Lebensende passiert.
Da Jack ja in Penns Alter in den späteren Himmel kommt - sofern es das sein soll, wovon stark auszugehen ist - lässt sich ja vermuten, dass er in dem Alter gestorben ist. Was der Film null adressiert. Und hey, man nimmt sich im Himmel in den Arm ist Kitschgrütze.

Gott bewahre, ich habe natürlich nichts gegen Subtiles. Auch das ist eine Kunst, und wird zu selten verwendet, zu oft trägt Hollywood alles dick und klar in für jeden verständlichen Happen auf, lässt Dinge aussprechen, die doch offensichtlich sein sollten. Aber beim Tree war es mir zuviel des Guten, die Handlung wurde dadurch schon vernachlässigt, eben drum um Impressionen zu zeigen. In Momenten hat das perfekt funktioniert - auch ich habe mich an meine Kindheitstage zurückerinnert gefühlt und so schöne Bilder gesehen, dass ich glatt losflennen hätte können - aber dabei bleibt es. Bei Einzelmomenten, die Handlung fährt damit nicht weiter. Stattdessen wird sinnlos per Voice Over Zeug eingeflüstert, man sieht ein buntes Licht im Dunkel und Impression wird an Impression gehängt. Ich muss es ehrlich sagen - über weite Strecken habe ich nichts empfunden, und das hat mich am meisten gestört.

Enter the Void ist dem Film ja sehr ähnlich, als das er auch bloß Impressionen zeigt und eher wenig Handlung erzählt, aber der nahm keine pivotalen Szenen vorweg, verriet in gut gesetzten Abständen nach und nach mehr über die Personen und sprang kaum woanders hin, blieb bei den Figuren.

Und dass die Frauen so perspektiviert wurden, mag aus POV der Figuren zutreffend sein, es hilft der gezeigten Geschichte aber nicht. Man sieht ja im Film, dass Chastain eine gute Schauspielerin zu sein scheint, ihre Rolle ist aber generell nur zum Anschauen da. Pitt, der wesentlich interessante Charakter, der redet und macht, ist über größere Abschnitte nicht dabei. Beide Darsteller spielen ihre Figuren sensationell, aber sie sind nur Satelliten für Jack Junior, der selbst keine wirklich interessante Geschichte, keinen interessanten Bogen erlebt.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
@batou
Ja, da ist viel Suggestion im Vergleich, partiell natürlich auch gezielt aus Unterhaltungszwecken. Ich glaube sogar, dass beide Filme eigentlich keine Kritik benötigen. Beide sind Exzess. Transformers bedient simpelste pubertäre Gelüste. Einer anregenden Frau hormoninstruiert hinterher zu blicken, mit fantasievollen Figuren Krawummbumm zu machen, keine fünf Minuten mit Seriösität verbringen, diese lieber auch mit völliger Idiotie oder Peniswitzen füllen (musste Jeongs Figur ausgerechnet Wang heißen?), hauptsache nicht mit Substanz verbringen. Der Film ist ein 9jähriger, der ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her wackelt weil still sitzen langweilig ist.

Tree ist eine Impressionensammlung, die auch nicht wirklich als normaler Film zu bezeichnen ist. Dein Vergleich mit dem Sommerabend ist da vortrefflich - wie will man einen solchen bewerten, kategorisieren, in Vergleich stellen? Ich glaube, das beide demnach keine wirklichen Skalen erklettern können. Entweder duldet man den ganzen Schwachsinn abseits der Explosionen oder nicht, entweder duldet man die ganzen Sinneseindrücke oder nicht. Entweder kann man was mit hibbeligem Stuhlwackeln oder alternativ nichts tuend Tagesausklang genießend im Garten liegen, oder nicht.

Als Filmenthusiast bereue ich keinen von beiden, auch wenn ich Tree eine höhere Wertigkeit zuspreche. Gut möglich, dass ich TF gegenüber schon fast zu gnädig war und zu sehr hab einfließen lassen, wie der im Kino wirkt. Ich bin mir sicher, dass er in ~ 5 Jahren nur noch den Status eines Stealth oder 2 Fast 2 Furious haben wird. Man wird sich nicht groß daran erinnern. und das was jetzt an Eventhype existiert, wird abgeflaut sein.
 

Batou9

Well-Known Member
@Jay

Ich fand es interessant, dass ein Film über die Natürlichkeit des Lebens und den so wichtigen Rückbesinnungen auf Familie und Liebe in seiner Kritik auf einen Vergleich mit der gegenwärtigen Verblödungsindustrie abzielt. Dass uns ein Film wie Tree of Life in vielen Aspekten auffordert, dass kann man auch deinen Wünschen nach einer leichter verdaulichen Fassung entnehmen. Er regt zum Nachdenken, zum reflektieren und zur Suche nach innerer Ruhe auf. Letztere kann man nicht von jedem Zuschauer über die volle Laufzeit erwarten. Das Kino ist längst ein seltener Platz für besinnliche Momente geworden. Der von dir reflektierte Kitsch spiegelt das doch wunderbar wieder; wir kapitulieren vor der Größe des Films und empfinden die Sehnsucht des Films aus Sicht unserer heutigen Welt als fremd. Kürzer, irdischer und Beschreibender wäre da wohl besser gewesen. Plakate, Wegweiser, einen Vorleser im Hintergrund der dafür passenden Szene oder eine ausführlichere Darstellung der Gegenwart des Films haben gefehlt. Aber alleine der bewusst kleine Ausblick in unsere heutige Hochgeschwindigkeitswelt steht für die Tatsache, dass sich heute immer weniger Menschen mit ihrem Platz im physischen Leben psychisch anfreunden können. Wir sind psychisch alle irgendwo anders, in jeder Pause und jeder Minute tauchen wir in Gedanken an unsere Vergangenheit und Zukunft ab. Doch Rückbesinnung wird zu einem raren Gut, dessen Preis (Ruhe, Für einen Moment Abseits stehen, einfach mal abdriften) viele nicht mehr bereit sind zu zahlen! Die Dauerdröhnung gibts schließlich umsonst, egal wie viel Anstrengung sie kostet.

Solche Filme verdienen eigentlich keine Kritik, es sind träumerische Experimente und Spiele mit der menschlichen Intelligenz. Und die kommt in den cineastischen Werken der Gegenwart eindeutig zu kurz. Man wirbt ja geradezu damit, dass wir uns durch dumme, ostentative Unterhaltung, dem Selfmade-Blödsinn und Entfliehen aus einem vielschichtigen Krüppeldasein noch weiter von unserem physischen Platz im Leben veräppelt vorkommen. Diese ständige Aufforderung, diese Generalmobilmachung unserer dümmsten Triebe (Ficken, Krawummbumm und Seufz) bzw. erniedrigenden Wahrnehmungsebenen, dass zeichnet das filmerische Handwerk der Gegenwart anscheinend aus. Nach Filmen wie "Der Zooanwärter", "Transformers 3", oder "Bad Teacher" kann einem Kritiker doch nur übel werden. Nicht dass die von mir unterstellte Verblödungsabsicht arrogant wirken soll; es braucht immerhin sehr viel Energie und Intelligenz um sein Weltbild mit einem solchen Entfliehen in Einklang bringen zu können. Die Komplikationen müssen derweil auf ein Höchstmaß getrieben werden, um uns an hyperintelligente Protagonisten zu gewöhnen, die jede Situation im Diesseits, Jenseits oder noch so surrealen Traumwelt beherrschen. In Maßen mag das anregend sein, in Massen hingegen verkommt der Reiz.

Für einen solchen filmerischen Ausflug wie dem Baum des Lebens bedarf es hingegen einzig einem wachen Verstand und ein paar Kaffeerunden danach. Ich bin selten so entspannt aus dem Kino gegangen und habe so viel mit Freunden über verschiedenste Beweggründe und Sehnsüchte in unserer Welt geredet. Komischerweise haben gerade unsere Mädels ihre gezeigten Rollen der 50er Jahre als wichtigen Ausgleich zum männlichen, aggressiven Pol betrachtet. Ein Film für beide Seiten. Keine Helden, keine Veräppelung und kein Problem, dass ich nicht auch bereit zu lösen wäre. Ein ehrlicher Film.

Er läuft nächstes Wochenende bei uns unter freiem Himmel, mal schaun ob es was wird. Ansehen würd ich ihn mir gerne nochmal.

Grüße

Batou
 

Smokersdeelight

Smoker No.1
Klasse Film, der dafuer gemacht ist auf einer grossen Leinwand geschaut und genossen zu werden. Schad nur dass der Sound in dem Kino so schlecht war..
Einzig mit Sean Penns Szenen konnte ich mich nicht anfreunden, ansonsten ein beeindruckendes wenn auch nachdenklich stimmendes Kinoerlebnis.

Passend zur Vater-Sohn Thematik ist uebrigens ca. 15 Stunden nach dem Kinobesuch mein Sohn zur Welt gekommen:biggrin:

8 von 10
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Penn über seine Rolle im Film:

"I didnt at all find on the screen the emotion of the script, which is the most magnificent one that Ive ever read. A clearer and more conventional narrative would have helped the film without, in my opinion, lessening its beauty and its impact. Frankly, Im still trying to figure out what Im doing there and what I was supposed to add in that context! Whats more, Terry himself never managed to explain it to me clearly."

http://www.lefigaro.fr/cinema/2011/08/20/03002-20110820ARTFIG00009-sean-penn-l-indomptable.php
 

Joel.Barish

dank AF
Ja, schon richtig, da wird aktuell in den "Film Gazetten" drüber gesprochen, aber das ist ja nur der halbe Text, bzw. die halbe Äußerung von Penn zu TOL. Ein englischer Kollege hat den französischen Text übersetzt und darin sagt Penn außerdem:
"But its a film I recommend, as long as you go in without any preconceived ideas. Its up to each person to find their own personal, emotional or spiritual connection to it. Those that do generally emerge very moved."

Und das ist doch ziemlich objektiv und passend. Penn findet seine Rolle aus dem Script nicht im Film wieder und wundert sich, sieht den gesamten Film dadurch ein bisschen schwächer, als er sich nach dem Script erhofft hatte. Dennoch aber ist TOL eine faszinierende, emotionale und empfehlenswerte Reise.
 

Revolvermann

Well-Known Member
Eben zusammen mit einem Kumpel gesehen. Wow! Bin immer noch ganz weg.
Nach kurzer Einführung verliert sich Malick in einem Rausch der Bilder. Traumhaft schöne Bilder. In einer Meditation mit choralen Gesängen. Vom Mikro- bis zum Makrokosmos.
Trotz der Pracht war ich mir nicht sicher ob die 9 Euro richtig investiert waren (gebraucht gekauft, den Film). War es interessant diesen Rausch zu betrachten? Ja. Muss man sowas mehrmals sehen? Nein.
Mir war schnell klar: "The Tree of Life" scheißt auf die Konventionen Hollywoods und auf die des gemeinen Unterhaltungsfilms. Gut, hatte ich mir schon gedacht.
Nach einer gefühlten Ewigkeit schwenkt Malick dann auf seine Haupterzählung eines Jungen der in den 60ern im Süden der USA mit einer fürsorglichen Mutter und einem sehr strengen Vater aufwächst.
Dieser Erzählstrang ist am interessantesten. Die Bildsprache ist hierbei zugleich traurig und herzerwärmend. Jede Szene erinnerte mich an meine eigene Kindheit. Auch wenn die natürlich in vielen Punkten ganz anders ablief. Es ist wie eine Erinnerung an den Sommer der Kindheit. Mit allen schönen Augenblicken. Allen Zweifeln und Wundern. Nostalgie pur.
Auch hier verliert sich der Regisseur oft in der bebilderung kleinster Dinge. Wie ein 5 Gänge Arthaus Menü. Man ist nach Gang Nr. 3 eingentlich schon satt aber es ist SO lecker!
Pitt spielt gut und auch die Kinder machen allesamt einen genialen Job.
Am Ende begibt sich der Zuschauer zu eben diesem Jungen im Erwachsenenalter wie man ihn schon am Anfang sah. Und wieder ergibt sich der Film in chorale Gesänge und Bilderfluten.Es ist eine Geschichte von Leben und Tod. Von Gnade und der Natur. Es werden dem Zuschauer viele Interpretationsmöglichkeiten offen gelassen. Längst hat man sich mit dem Jungen und späteren Mann identifiziert. Malicks Meditation ist zur eigenen geworden. Hat das übliche Krankenhauspiepen das man em Ende kurz hört zu bedeuten das sich der Hauptcharakter auf dem Sterbebett befindet? Ist er in einer Art Übergang. Penn geht am Schluss durch eine Tür, trifft dort seine Familie wieder. Das letzte Bild des Films ist eine Brücke. Ein Übergang.
War es interessant das zu sehen? Ja. Muss ich das mehrmals sehen? JA! Investition war richtig. 8/10


Ach ja. Es gibt auch Dinosaurier zu sehen! :wink:
 

TheRealNeo

Well-Known Member
In der Criterion Collection wird nun eine dreistündige Fassung des Films erscheinen. Allerdings nur als Bonus.

“Terry doesn’t see this as a director’s cut,” says Criterion president Peter Becker said, insisting that the 139-minute theatrical version is the official “director’s cut” and remains the centerpiece of the upcoming Criterion release. “It’s a fresh view of the film that has a different rhythm and a different balance.”

https://theplaylist.net/criterion-malick-tree-of-life-20180511/
 
Oben