Gute Idee, aber meine Herren, was soll denn der Käse? Da werft ihr die nicht uninteressante These, es würden im Sommer zu viele Filme starten, in den Raum und statt das Problem wirklich bei der wurzel zu packen, sprecht ihr über die ach so überforderten Zuschauer und die hohen Kosten für einen Kinobesuch, was gänzlich andere Themen sind. Es starten im Mai ja sogar noch weitaus mehr Filme, als hier aufgezählt wurden, aber der Kollege Herbst scheint da schon eine Vorauswahl getroffen zu haben, mit allem was ihn interessiert oder einigermaßen was sagt. Dass es nochmal fast doppelt so viele im selben Zeitraum ins Kino schaffen - egal, oder wie?
Und ich muss mich auch über jemanden wundern, der das Wort "Cineast" in den Mund nimmt und dramatisch verkündet, Filme gehörten "ins Kino", dann aber vorschlägt, das Kinoangebot zu limitieren. Das heißt im Umkehrschluss, dass er vielen Filmen, die ja angeblich (und da stimme ich zu) im Kino laufen müssen, die Kinoauswertung verweigert. Denn bei der weitreichenden und abwechslungsreichen Masse an weltweit produzierten Filmen ist es einfach normal, dass jede Woche ein gutes Dutzend neue Filme starten. Dass wir jetzt schon Vieles auf DVD verbannen, dass wir Märkte wie Indien, Japan oder China noch so gut wie gar nicht erschlossen haben, die ihre jährlich tausenden Filme ja auch bei uns unterbringen könnten, sei auch mal angemerkt. Diese "nur ein Genretitel für einen gewissen Zeitraum" Lösung von Kollege Herbst ist - mit Verlaub - grandioser Schwachsinn. Einer von vielen Gründen: Filme, die schlecht laufen, werden nicht aus dem Kinoprogramm verbannt, weil es viele Ausweichmöglichkeiten gibt, den Film zu ersetzen, sondern weil sie schlecht laufen. Und: Wer möchte denn einem Gremium die Entscheidung überlassen, welcher Genrefilm jetzt das Glück hat, ausgestrahlt zu werden, was überhaupt ein passender Genrefilm ist, wie sich ein Genre überhaupt definiert und hier nicht vielleicht mehrere Genres durcheinander geworfen wurden.
Dass - in erster Linie in den USA, aber auch hier - zu sehr aufs Startwochenende geachtet wird, ist einer der wenigen Punkte, denen ich zustimmen würde. Aber die Lösungsangebote sind halt blödsinnig.
Kaum ein Kein Kino kann es sich leisten, einem schlechten Film vier, fünf Wochen Zeit zu geben, bis da peu à peu ein paar Zuschauer zusammenkommen, die den Film irgendwann so bekannt geredet haben, dass sich der Film in der sechsten Woche endlich mal lohnt für den Kinobetreiber. Das funktioniert nicht. Warum manche Leute nichtmal "Dredd" im Kino erwischt haben, kann ich mir nicht erklären, aber gerade jemand der "Passion" sehen wollte, der vielleicht ab Donnerstag "Smashed" sehen will, muss einerseits nach Programmkinos suchen, der muss sich aber auch beeilen und nicht erst zwei Wochen lang die Eier kraulen, weil er lieber ein drittes Mal IM3 guckt oder sich nicht sicher ist, ob dieser so kleine und unspektakuläre Film den Eintritt denn wert ist.
Das eigentliche Problem, um das Mester/Herbst hier irgendwie nur zughaft herumgeeiert sind, ist doch, dass sich alles in den Sommermonaten ballt. Januar bis März war doch streckenweise echt finster. Zumindest was die (wie wurden die hier noch genannt?) "Tentpole" Filme und "Blockbuster" betrifft. Der Sommer ist seit Jahren zum scheinbar einzigen brauchbaren Zeitpunkt im Jahr geworden, an dem man große, teure Unterhaltungsfilme abladen kann. Sommer und die Weihnachtszeit. Wie Krebse oder Fische, die zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt im Jahr zusammenkommen, um sich ihrer vielen, vielen Nachkommen zu entledigen, um zu laichen. Wenn man auf den amerikanischen Kalender guckt und auf so genannte "Oscar Filme" achtet, dann ballen die sich auch zu 85% zwischen Oktober und Dezember. Da können wir hier ja fast von Glück reden, dass sich das mit den deutschen Starttermin entzerrt und besser verteilt. Den Sommer-Spaß machen wir aber mit.
Und dieses unflexible Festhalten an absurden Starttermin-Ritualen wird noch kombiniert mit der Produktionspolitik der Filmstudios; insbesondere der großen amerikanischen Filmstudios. Das ist auch etwas, was Steven Soderbergh kürzlich in seiner jetzt schon legendäre Rede (...in gewisser Weise...) "gegen das US-Studiosystem" angesprochen hat. Die Studios produzieren jeweils kaum mehr eine Hand voll Filme pro Jahr. Aber fast alle kosten 80 Millionen und aufwärts. Solche Monster muss man dann auch mit aller Macht vermarkten und daher wählt man Starttermine aus, die sich bei vergleichbaren Filmen schon etabliert haben. Und für solche Filme generiert man mit viel Medien- und Dollar-Gewalt dieses Gefühl der Unvermeidbarkeit. Die hier zitierten "Geeks" gehen davon aus, über all die großen Filme sprechen zu müssen (obwohl sie in der Regel nicht viel zum "drüber Sprechen" bieten), was bedeutet, sie alle möglichst schnell zu sehen. Weil sie dauerpräsent sind und suggerieren, das größte Highlight im Kinojahr zu sein. Das ist ein völlig verkorkstes System aus feiger Studiopolitik und berechnendem Wirtschaftskalkül. Und im Gegensatz zu großen "80 Mio+ Filmen" zersplittert der günstig produzierte Independent- und Arthouse-Sektor. Was da alljährlich auf den Festivals von Sundance, Berlin, Cannes, Venedig, Toronto und Co. anläuft, findet meist erst Jahre später zu uns. Und häufig genug nicht im Kino oder in zwei Kinos bundesweit. Und es werden immer mehr Filme, die weniger als 10 Millionen gekostet haben, weil für kreative Ideen im teureren Sektor nur noch für Ausnahmefälle Platz ist. Auch das ein Spiegel zur Wirtschaft. Die filmische Mittelklasse verschwindet. Filme, die zwischen 30 und 70 Millionen (nach amerikanischen Standards) kosten. Und insbesondere verschwimmt die Art von filmischer Mittelklasse, die künstlerisch anspruchsvoll und aus wirtschaftlichen Gründen gefährlich ist, die klar auf ein erwachsenes Publikum aus ist und die ohne große Stars oder eine berühmte Vorlage auskommt.
In der Regel sind es da doch auch zwei, drei, wenn man verrückter ist, auch mal fünf, wenn man wie Kollege Westhus alle Twilights hintereinander braucht.
Sack!