Gnade (drama) ~ Jürgen Vogel, Birgit Minichmayr

Presko

Don Quijote des Forums
Gnade

Regie
Matthias Glasner

Darsteller
Jürgen Vogel
Birgit Minichmayr
Henry Stange
Maria Bock

Story
Polarnacht am Rande des Eismeers zwei Monate lang übersteigt die Sonne nicht den Horizont. Inmitten von Schnee, Eis und Dämmerung startet eine deutsche Auswandererfamilie hoffnungsvoll den Neuanfang: Niels (JÜRGEN VOGEL), Maria (BIRGIT MINICHMAYR) und Sohn Markus (HENRY STANGE). Schon nach kurzer Zeit spüren Niels und Maria, dass auch das neue Umfeld die erkaltete Beziehung nicht retten kann: Niels stürzt sich in seine Arbeit als Ingenieur und beginnt eine Affäre. Maria schiebt Überstunden im Hospiz und Markus muss an der Schule seinen Platz finden. Aber dann passiert in eisiger Nacht ein schrecklicher Unfall, der alles in Frage stellt. (Amazon.de)

Meinung
Der Film ist schwer. Von Anfang an herrscht eine drückende Stimmung vor. Leichtigkeit, Humor sucht man da vergebens. Die Geschichte um Schuld und Gnade, Familie und Liebe ist wuchtig, symbolträchtig und das nicht nur wegen den starken Schauspielern und der teilweise opernhaften und oft nicht zurückhaltenden Inszenierung (insbesondere gegen Ende), sondern v.a. auch wegen der gigantischen Naturkulisse. Schon alleine dafür lohnt sich das Ansehen dieses Filmes - die wunderschönen Bilder.
Inhaltlich bleibt es Geschmackssache. Die Handlung der Figuren hinterlässt einige Fragezeichen und der Zuschauer muss selbst entscheiden, ob er die Handlungen für ganz glaubwürdig hält.
Für mich das grösste Problem am Film war die Teilung des Films in zwei Erzähltsränge. Während der erste Strang sich den Folgen des Unfalls der Mutter und dem Umgang des Ehepaars mit der Schuld widmet, wird parallel dazu eine merkwürdige Handlung um den Sohn gesponnen, der mit seinem Handy seine Eltern heimlich filmt, der sich scheinbar unwohl fühlt in der ihm fremden, kalten Umgebung, und der sich ebenfalls mit Schuld und Unschuld betreffend eigener Handlungen auseinandersetzen muss. Diesen Erzählstrang um den Sohn empfand ich persönlich als unnötig und eher störend, weil er die Geschichte noch einmal unnötig auflädt und noch bedeutungsschwangerer macht. Ebenfalls die Episoden rund um Nils Affäre mit einer Arbeitskollegin störten mich eher. Ich hätte hier lieber eine stärkere Konzentration auf den einen Erzählstrang gehabt und diesen nicht noch mit weiteren Motiven und Spannungsmomenten aufgeladen. Am besten ist der Film immer dann, wenn sich die Regie zurücknimmt und den Schauspielern ohne grossen Firlefanz Raum für ihr Spiel gibt (und von diesen Szenen gibt es trotz all dem grossen Drama eben auch genügend).
Ein weiterer Minuspunkt ist das Ende, das nicht recht zum vorangegangenen passen will. Leichter Spoieler:
Nach einem dramatischen Höhepunkt, der erfreulich zurückhaltend inszeniert ist und das Feld ganz den Schauspielern überlässt) endet der Film mit einer merkwürdig unpassenden Aufnahme eines Festes, auf dem alle Leute vom Ort versammelt sind. Dieses unklare Ende, das irgendwie merkwürdig romantisch-harmonisch daherkommt, will gar nicht so richtig zum Ende der eigentlichen Geschichte passen.

Es bleibt in der Gesamtheit ein Film, der in vielerlei Hinsicht Geschmackssache sein wird. Die Schauspieler sind allesamt grossartig und die Bilder atemberaubend. Der Inszenierungsstil pendelt zwischen dokumentarisch zurückhaltend und bedeutungsschwanger opernhaft. Das Drehbuch selbst erzählt seine Geschichte mit viel Symbolik und Tragik, die sich auch in der Gestaltung der Figuren, ihren Handlungen, Entwicklungen und Dialogen stark widerspiegeln. Etwas mehr geradlinigkeit, etwas weniger bedeutungsschwanger hätte es meiner Ansicht nach sein dürfen, insbesondere darum, da der Film in seinen ruhigen zurückhaltenden Momenten am stärksten ist und bedrückendsten ist.
Nichtsdestotrotz bleibt es ein packender, schwerer Film mit tollen Schauspielern und grossartigen Bildern, der etwas schlanker und zurückhaltender erzählt meisterhaft, und so schlussendlich trotzdem noch sehr beeindruckend geworden ist.

7.5/10 Punkte.
 
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