Keine Angst, für einen Shitstorm ist das, was du sagst, zu nachvollziehbar. Jedenfalls nach dem letzten Post.
Oder empfandest du meinen Post schon als Shitstorm? Das kann ich eigentlich besser.
Jedenfalls... ich verstehe was du meinst und sehe das im Ansatz auch gar nicht so unähnlich. Ich glaube nur, dass du dich beim falschen Film austobst bzw. ein wenig übers Ziel hinausschießt. Denn einerseits kennen wir den fertigen Film ja nicht und andererseits wäre die Alternative zu einem massenkompatibel verweichlichten Sklaverei-Film ja erstmal gar kein Sklaverei-Film. Zumindest wirtschaftlich gesehen. Wenn man Filme zu solchen Themen macht, muss man sich immer fragen wen man damit erreichen will, wie viele man erreichen will und wie viel man den Zuschauern mit auf den Weg geben will. Was bringt ein knüppelharter, schockierender und realistischer Sklaverei-Film, wenn er am Ende nur in vier Kinos gezeigt wird? Wie gesagt, bei Steve McQueen als Regisseur gehe ich trotz einer gewissen Tendenz erstmal noch nicht davon aus, dass das hier zu verweichlicht wird. Ich habe zwar auch von Oscar Film gesprochen, aber das muss ja nicht automatisch heißen, dass das von vorne bis hinten oberflächlich, heuchlerisch und simplifiziert ist.
Ein Film braucht eine Narrative, muss dramatisiert sein und auch wenn McQueens "Hunger" gezeigt hat, was in so einem Rahmen möglich ist bzw. wie weit man sich davon lösen kann, so ist es doch einfach besser, nützlicher und am Ende wirkungsvoller, wenn man sich einem solchen Thema mit einem Spannungsbogen und einer dramatischen Handlung nähert. Es ist ja immerhin ein Spielfilm und keine Doku. Und ohne die Biographie gelesen zu haben kann mir schon vorstellen, dass man gerade durch Solomon Northups Herkunft, dass er in Freiheit aufwuchs, eine effektive Perspektive auf das Thema erhält. Zum Beispiel dass es die Absurdität zeigt, Schwarze als Menschen zweiter Klasse zu sehen, wenn dieser Sklave doch letzte Woche noch in vornehmer Kleidung mit weißen scheinbar gleichberechtigt am Tisch saß. Denn mal ehrlich, kein Film kann realistisch nachvollziehbar machen, was es heißt, in Sklaverei geboren zu werden und sein gesamtes Leben so zu verbringen.
Solche Themen, die unmittelbar mit einer Nation verbunden sind, lassen sich in der Gesellschaft dieser Nation ja logischerweise nur schwer unterbringen. Ich habe mich mal ein wenig genauer mit der Darstellung des Holocaust im Film beschäftigt und wie das in Deutschland an den Mann gebracht und aufgenommen wurde. Das kann man natürlich nur bedingt verlgeichen, nicht zuletzt durch die zeitlich Nähe/Differenz. Aber andererseits sind die Auswirkungen der Sklaverei in den USA, wie du ja auch sagst, noch immer zu spüren. Man kann eine Nation mit ihrer Schuld und Erbschuld auch überfordern und entfremden. Natürlich könnte man jetzt sagen, es ist langsam an der Zeit, die USA nicht mehr an die Hand zu nehmen, sie nicht mehr vor der ungeschönten Realität ihrer Vergangenheit zu bewahren. Würde ich nicht widersprechen. Aber wir sehen doch immer wieder, wie empfindlich man mit dem Thema Sklaverei, Rassensegregation und Rassismus generell umgeht. Sei es Spike Lees Reaktion auf "Django Unchained" oder ganz frisch das Urteil im Zimmerman Prozess zum Tod des jungen Trayvon Martin. Es hat ja beim Thema Holocaust auch eine Weile gedauert, bis man der deutschen Bevölkerung den medialen Spiegel ihrer noch recht jungen Vergangenheit vorhalten konnte. Alain Resnais Doku "Nacht und Nebel" war zu früh, zu direkt, zu real. Erst die Serie "Holocaust" (übrigens mit Meryl Streep) erreichte die breite Bevölkerung. Das war Ende der 70er und wurde von Diskussions- und Aufklärungssondersendungen im TV begleitet. Erst danach war etwas wie Claude Lanzmans 9stündige Zeitzeugen-Interviewserie "Shoah" für die deutsche Gesellschaft möglich. Oder später "Schindlers Liste". Und natürlich ist weder die Serie noch "Schindlers Liste" wirklich unverfälscht und realistisch. Zum Thema Sklaverei gab es doch den Roman und in den 70ern die Verfilmung als TV-Serie von "Roots", die damals ein gewaltiges Millionenpublikum in den USA erreichte und durchaus als Pendant (wie gesagt, ich will hier keineswegs historische Geschehnisse vergleichen) zur "Holocaust" Serie gesehen werden kann. Angeblich hatte die Serie 130 Millionen Zuschauer insgesamt. Und das ist der Punkt. Ist es nicht besser, durch einen Film das Bewusstsein zu schärfen und ein Interesse zu fördern, dass man sich im Anschluss an den inspirierenden Film mit der Realität und mit nicht-dramatisierten Fakten beschäftigt und auseinandersetzt?
Und ob "12 Years a Slave" überhaupt ein Aufklärungsfilm sein muss, würde ich auch bezweifeln. Natürlich sollte es einen gewissen Rahmen aus historischen Fakten und historischer Authentizität geben, aber der Film muss nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auftreten und Schuldgefühle wecken. Es ist aus meiner Sicht absolut vertretbar, nein sogar richtig, auch "einfach" nur ein Sklavendrama zu machen. Das ist auch eine Form von Auseinandersetzung und fördert den öffentlichen Diskurs womöglich besser, als ein realistischeres, mahnenderes Werk, das entweder nur verstört oder von niemandem gesehen wird.