Only God Forgives ~ Ryan Gosling, Nicolas Winding Refn [Kritik]

TheRealNeo

Well-Known Member
Nach „Drive“ der nächste Geniestreich vom Regie-Darsteller Duo Nicolas Winding Refn und Ryan Gosling? So viel sei vorweg genommen, weit gefehlt. „Only God Forgives“ wird manchen mehr faszinieren können wie „Drive“, aber doppelt so viele abschrecken.

Regie: Nicolas Winding Refn
Cast: Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Tom Burke, Vithaya Pansringarm, Byron Gibson, Yayaying Ratha Phongam
Start: 18.07.2013

„Drive“ konnte 2011 einen wahren Hype entfachen. Auf der einen Seite der Über-Darsteller zurzeit Ryan Gosling, auf der anderen Seite der, dem großen Publikum, unbekannte dänsiche Regisseur Nicolas Widing Refn. Zusammen schufen sie mit „Drive“ einen Klassiker der Neuzeit. Das sich dies nicht so einfach wiederholen ließ, war wohl den Beteiligten klar, auch wenn mancher Zuschauer sich bei der erneuten Zusammenarbeit dieser beiden Herren genau das erhoffte. Doch Nicolas Winding Refn macht von der ersten Sekunde aus klar, dass er überhaupt nicht vor hat seinen Vorgänger-Film zu übertreffen, sondern etwas völlig anderes auf die Leinwand zu bringen. Ohne Hype, aber einen Film über den zweifelsohne viel geredet wurde und wird. Positives, wie genug Negatives.

Ryan Gosling betreibt im Film zusammen mit seinem Bruder Billy (Tom Burke) einen Thai-Box-Clubspiel. Dahinter steckt aber mehr ein größerer Drogenhandel. Als Billy ein junges Mädchen ermordert und als Konsequenz selbst getötet wird, kommt deren Mutter Crystal, gespiel von Krisitn Scott Thomas, zu Besuch um den Leichnam abzuholen und den Bruder zur Rache anzustacheln.

Ein Spalter wie es im Buche steht. Neue Freunde wird sich Nicolas Winding Refn mit diesem Film wohl keine machen, eher alte wieder erwecken. Denn „Only God Forgives“ hat bei weitem mehr mit seinem „Valhalla Rising“ gemeinsam als mit dem Hit „Drive“. Es wird wenig gesprochen, es passiert wenig und wenn gesprochen wird, dann nicht immer klar, sondern verschachtelt und oft auch metaphorisch wie die Bilder selber. Ein Storygerüst ist dabei aber noch klar erkennbar, auch wenn dies dem Film komischerweise teilweise abgesprochen wird. Die Story lässt sich wohl schnell zusammen fassen und mag wenig zu überzeugen, doch bleibt sie nur ein Gerüst, eine äußere Hülle für den Rest des Films. Lynch-eske Wanderungen durch die Gänge wechseln mit harten Gewaltspitzen oder Momenten der Stille powered by Ryan Gosling, der anscheind im gesamten Film nicht mal auf 20 Wörter kommt.

Über allen Zweifeln erhaben, ist wie schon bei „Drive“ der Score von Cliff Martinez. Zugegebenermaßen erfreute sich der Soundtrack von „Drive“ auch großer Beliebtheit aufgrund der vor allem an die 80er angelegten Songs von u.a. „Electronic Youth“, aber in vorliegendem Film verlässt sich Windig Refn außer zwei Ausflügen in eine Karaoke-Bar völlig den musikalischen Künste von Martinez, der mit seinem mittlerweile typischen und bekannten elegischen ,elektronisch-geprägten Stil einen in die Filmbilder eintauchen lässt.

Die Freigabe des Films ab 16 ist angesichts der durchgehenden, bedrohlichen Stimmung und der spärlichen, aber dann sehr expliziten Gewaltdarstellung ein Witz. Eine FSK, die z.B. „Drive“ ab 18 freigibt, müsste (!) dies folglich auch bei „Only God Forgives“ nicht anders tun, warum dies dann doch anders kam ist wohl nur ein weiterer schwarzer Fleck der Willkür und Undurchsichtigkeit des Freigabenkontrolleninstituts.

Love it or hate it! Auf diese einfache Formel lässt sich der Film bringen. Nicolas Windign Refn, wollte keinen weiteren Hype-Film haben oder sich beim Mainstream etablieren. Er wollte einen Film über den man spricht und nachdenkt. Den man mögen kann, aber nicht muss und das ist ihm zweifellos gelungen.
 
A

AlecEmpire

Guest
Ein für mich absolut herrlicher Film der sich auf seine Stärken konzentriert und nicht einmal ansatzweise versucht sich dem Zuschauer schmackhaft zu machen. Natürlich geht hier Style und Atmosphäre über alles und der Rest verblast, aber der Rest ist auch gar nicht notwendig und würde den Zuschauer nur von der Quintessenz ablenken. Schon Walhalla Rising war eine visuelle, atmosphärische Tour und Tortour, aus der man schwerlich wieder auftauchen konnte. Drive ist für Refn eine Fingerübung, für seine wahren Kunstwerke muss man eben durchs Feuer gehen, im Leben bekommt man nichts geschenkt. Wie ich finde der interessanteste "amerikanische" Regisseur zur Zeit und alle seine Filme sind uneingeschränkt empfehlenswert.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Alec, wie würdest du die Pusher Trilogie im Vergleich zu Walhalla, Drive und God werten?
 
A

AlecEmpire

Guest
Ich finde Pusher ist der Vorbote zu dem, was mit Drive und OGF dann perfektioniert wurde. Was man Pusher anrechnen muss ist, dass das Verhältnis zwischen Inhalt und visueller Darstellung im Gleichgewicht zueinander steht, während Drive und im Exzess dann OGF ganz deutlich in Richtung Style vor Inhalt tendieren. Mir persönlich gefällt es aber sehr gut, wenn jemand das so meisterlich umsetzt, würde eine ausgefeilte Geschichte nur von der eigentlichen Qualität ablenken. Walhalla Rising war der erste Film den ich von Refn gesehen habe, das war pure Hypnose und habe ich ähnlich das letzte mal bei Enter the Void so empfunden, auch wenn die Thematik beider Filme völlig unterschiedlich ist.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Der Film hat Brutalität und das nicht zu knapp. Außerdem hat er viele ruhige Momente mit wenig oder gar keinen Text. Und auch sehr ruhigem Score.
Refn schein sowas wie der Anti-Tarantino zu sein. Dazu kommt teilweise eine recht interessante Optik. Farbenspielmäßig.

Weiß nicht so recht, was ich von dem Film halten soll. Insgesamt hat er was, was mir durchaus zusagt.

Aber Gosling sollte ruhig mal Rollen annehmen, bei denen er mehr Text hat. Wo er mehr Gesichtsausdrücke bringen muss als einfach nur vor sich hinzustarren.
 

Clive77

Serial Watcher
Manny schrieb:
Aber Gosling sollte ruhig mal Rollen annehmen, bei denen er mehr Text hat. Wo er mehr Gesichtsausdrücke bringen muss als einfach nur vor sich hinzustarren.
Genau das, Manny - Du triffst es echt gerade auf den Punkt. :top:

Fand den Film auch nicht schlecht, aber doch ziemlich anstrengend anzusehen (und das ist nicht der Brutalität geschuldet). Und ich mag ruhige Filme, wenn sie denn auch was Interessantes zu bieten haben. Aber hier war das eine 08/15-Story, die einfach nur tief-dramatisch verpackt wurde, sonst aber nicht viel abliefert.
 
A

AlecEmpire

Guest
Ich finde der Film ist ziemlich kultig, alleine schon in Kombi mit dem anbetungswürdigen OST >aufdiekniefall< :bibber:
Aber eigentlich sind alle Refn Filme Kult, Tarantino wäre gerne so genial. :biggrin:
 

Clive77

Serial Watcher
@Pirat: Ich würde OGF eher in die Valhalla Rising Schiene stecken. Falls Du den mochtest, wäre OGF sicher eine Empfehlung. Mit Drive kann man den Film nicht wirklich vergleichen.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Joel hat es in seiner Kritik eigentlich ganz schön in Worte gefasst:
Genau passend für diejenigen, denen „Drive“ zu sehr wie „Crank“ erschien.
Ich hatte das Gefühl, dass Refn nach dem Mainstreamerfolg von Drive ein paar Erfolgsfans verwirren wollte.
 
A

AlecEmpire

Guest
Clive77 schrieb:
@Pirat: Ich würde OGF eher in die Valhalla Rising Schiene stecken. Falls Du den mochtest, wäre OGF sicher eine Empfehlung. Mit Drive kann man den Film nicht wirklich vergleichen.
Sehe ich auch so, vom Style und der Atmosphäre her eine asiatisch angehauchte Drive Variante in Brutalo Manier und die experimentelle Note, aber auch Angestrengtheit eines Kalibers von Walhalla Rising.
 

Schneebauer

Targaryen
Kann man Drive echt schon als Mainstreamerfolg werten? Durch den kleinen Hype den Drive ausgelöst hat, haben den bestimmt einige Leute mehr als gedacht gesehen, die Kritiken sind erstaunlich gut ausgefallen und ein 75 Mio. Ergebnis ist auch mehr als ein Achtungserfolg. Aber: Ich kenn in meinem Umfeld/Freundeskreis so gut wie niemanden der mit Drive etwas anfangen konnte. Nicht, weil er zu gewollt, zu künstlerisch, zu minimalistisch, oder zu sonst was ist - sondern weil man schlichtweg nicht bereit ist, sich auf so ein "Experiment" einzulassen. Sobald da ein Film etwas vom dem gewohnten Muster abweicht, wird die Nase gerümpft.
 
A

AlecEmpire

Guest
Ich denke auch, dass Drive sehr weit vom Mainstream entfernt ist, allerdings auch sehr weit von einem Geheimtipp. Ein erfolgreicher Genre Film könnte man sagen, der zwar nicht die Massen anspricht, in der Regel aber den meisten gefällt, wenn sie sich denn mal dazu durchringen ihn sich anzusehen.
 

Slevin

New Member
Nein, würde ich auch eher von abraten, wird wohl genau den selben Effekt haben, als würde man die normale Blu-ray vom Fernseher selbst konventieren lassen.
 

brawl 56

Ich bin auf 13 Sternen zum Tode verurteilt!
Ich hab das 3D nach nicht einmal einer Minute wieder ausgemacht. Soviel dazu.


Hm, der Film war wohl weit mehr als ein Kunstfilm. Viel mehr ein klares Statement im Bezug auf Licht, Farben, Gewalt, Musik. Wie die vier Komponenten sich gegenseitig unterstreichen und welche Wirkung daraus erzielt wird.

Ansonsten kann ich da nicht viel zu sagen. Minimal ist wohl zu übertrieben um den Film zu beschreiben, denn der Film ist viel weniger als das. Allerdings gibt er auch wieder sehr sehr viel. Tiefe Abgründe? Doch eher Motivationen, die kritisiert werden, wobei die Motivationen an sich schon fragwürdig genug sind.
Wieso gerade diese Thematik auf die Leinwand gebracht wurde, lässt sich einfach sagen: Sie lässt sich in eindrucksvollen Bildern dem Zuschauern präsentieren, so sehr, dass man in die Bilder gezogen wird. Auch wenn man sich windet und dreht um daraus zu kommen, man bleibt dabei. Man schaut bei den Gewaltexzessen nicht weg, weil sie so faszinierend sind, durch das Motiv, das Licht, die Musik. Alles zusammen ist ein grauen voller Sog, der einen erst am Ende wieder gehen lässt.
 
A

AlecEmpire

Guest
Eigentlich kennt man solche Filme ja nur von den Asiaten, ist Refn hoch anzurechnen, dass er dieses Genre dennoch absolut authentisch rüberzubringen weis. Ist ein Film dem ich keine Punktewertung geben würde, da er sich nicht mit anderen Filmen vergleichen lässt.
 

Revolvermann

Well-Known Member
Man, ich bin irgendwie noch ganz baff.
Halb stylische Milieubetrachtung, halb Alptraum.
Halb meditatives Tauchen in eine fremde Welt, halb quitschender Gewaltexess.
Dieser Film ist wahrlich nicht leicht einzuordnen und will auch gar nicht eingeordnet werden.
Unheimlich fazinierende Bilder die man auch so einrahmen und an die Wand hängen könnte. Jedes einzelne Frame. Dazu ein Soundtrack der zum einen sehr stimmungsvoll die bunten, dreckigen Straßen Bangkoks untermalt und zum anderen eine bedrohliche, nackte Bedrohnung aufteigen lässt.
Natürlich ist das Style over Substance. Aber gleichzeitig ein Audiovisueller Orgasmus vor dem Herrn. Ich hätte mir das auch voller Begeisterung komplett ohne Dialoge angesehen. Eine Reise ins Herz der Finsterniss. Nicht mal wirklich unterhaltsam. Stellenweise sogar richtig frustrierend. Frustration ist ein sehr wichtiger Bestandteil des ganzen Werks.
Ein brutales Gemälde ohne Fixpunkte oder Identifikationsfiguren. Sicherlich keine Reise die ich jeden Abend machen wollen würde. Eine die ich aber auch nicht missen möchte.
Ich habe "Only God Forgives" viel mehr als Kunstinstallation wahrgenommen. Weniger als Unterhaltungsfilm. Er folgt gerade soviel Prinzipien des Kinos das man von einer Story sprechen kann.
Habe was das angeht schon weniger konventionelles gesehen. Selten aber hat ein derartiger Film trotz unglaublicher Langsamkeit eine solche Wucht entfaltet.

7,5/10
 
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