Black Sails S01E02 - II.

Clive77

Serial Watcher
In der zweiten Folge der US-Serie Black Sails dreht sich alles um ein Stück Papier und die Folgen daraus für die einzelnen Figuren. Während der eine einen schnellen Gewinn an Land ziehen möchte, schwebt dem anderen dabei ein weit größeres Ziel vor.

Captain Flint
Letzte Woche konnte Flint (Toby Stephens) seine Mannschaft (oder einen Großteil davon) wieder hinter sich versammeln. Nicht zuletzt durch die entscheidende Hilfe von Billy (Tom Hopper) und Gates (Mark Ryan). Aber um aus seinem Bluff eine echte Schatzjagd zu machen, benötigt er die fehlende Seite aus dem Logbuch, die John Silver (Luke Arnold) weiterhin im Besitz hat.
Es wird handlungstechnisch nicht viel auf der Stelle getreten. So haben Flint, Gates und Billy gleich zu Beginn und nach kurzer Überlegung das einzige neue Crewmitglied in Verdacht, die Seite mit den entscheidenden Informationen zu besitzen. Prompt versucht Silver auch sofort, sich davon zu machen, womit die Jagd eröffnet wird und sich über die gesamte Folge erstrecken soll. Es mag zwar vorhersehbar gewesen sein, dass Silver früher oder später entlarvt wird - wobei man wohl eher auf einen Verdacht wegen seiner Kochkünste getippt hätte - aber die Geschwindigkeit, mit der die Verfolgung in Gang gesetzt wird, deutet schon darauf hin, dass einige Piraten mehr Grips im Kopf haben als ihnen zugetraut wird - und die Autoren die erste Staffel deutlicher durchdacht haben als es vielleicht im Auftakt den Anschein machte.
Flints Motive sind ein weiteres Thema, was in dieser Folge verfestigt wird. Hatte er im Piloten schon einen „König der Piraten“ erwähnt, präsentiert er in „II.“ mit der „Nation of Thieves“ gleich ein zukünftiges Weltbild. Flint jagt nicht einfach nur einem Schatz hinterher und hat dabei lediglich die Beute im Auge. Er denkt weiter, hat die Zukunft der Piraten und die Zukunft von New Providence Island im Sinn. Mit Hilfe des Schatzes erhofft er sich eine unabhängige Nation zu erschaffen, die den Kräften der europäischen Seemächte Paroli bieten kann. Hochgesteckte Ziele, die sehr risikoreich sind und seinen Lebensabend sichern sollen.
Gegen Ende der Episode hat Flint schließlich ein Zwischenziel erreicht: John Silver und damit die fehlende Seite des Logbuchs finden sich in seinem Besitz wieder. Aber wie will er das reich beladene spanische Schiff kapern, wenn er es gefunden hat? Reicht dafür die „Walrus“ aus oder wird er Hilfe benötigen? Schließlich wird das Ziel auch ohne Eskorte als schwimmende Festung beschrieben. Und wer ist die Frau, die Flint am Ende der Folge besucht?

Eleanor Guthrie
Auch für Eleanor (Hannah New) geht es dort weiter, wo die Geschichte letzte Woche geendet hat - im Bett mit Max (Jessica Parker Kennedy). Wirkte die lesbische Szene zwischen den beiden im Piloten noch recht forciert und aufgesetzt, um die Quote an nackter Haut zu erfüllen, offenbart sich nun, dass - vor allem aus der Sicht von Max - mehr dahinter steckt. Die Motive der Prostituierten sind es, den Handel zwischen Jack (Toby Schmitz) (aus der Crew von Captain Vane (Zach McGowan)) und John Silver in die Wege zu leiten und mit ihrem Teil des Gewinns anschließend mit Eleanor durchzubrennen. Umso schwerer dürfte dabei Eleanors Verrat wiegen als sie Flint & Co. herbei ruft und Max auffliegen lässt, statt sie zu verstecken.
Somit wird der Romanze zwischen den beiden, die erst in dieser Folge richtig etabliert wurde, ein tiefer Schlag versetzt. Gleichzeitig wird dem Zuschauer vermittelt, wo die Prioritäten für Eleanor liegen: Sie hat sich unter der Schirmherrschaft ihres Vaters Richard (Sean Michael) eine große Stellung im Handel mit den Piraten aufgebaut, die sie nicht so einfach aufgeben wird. Sie kann die Preise für die Waren diktieren, ist am Unterhaltungsgeschäft beteiligt und bekommt von Flint eine vielversprechende Zukunft in Aussicht gestellt - auch wenn ihr Berater Mr. Scott (Hakeem Kae-Kazim) diese Zukunft sehr skeptisch betrachtet.
Neben Flint und Max spielt dabei auch Vane eine größere Rolle in Eleanors Alltag. Sie steht dabei zwischen dem Kapitän der „Walrus“ und dem Kapitän der „Ranger“. Auch wenn offensichtlich ist, wem von beiden sie den Vorzug gibt, kann sie es sich nicht erlauben, Vane zu sehr zu verärgern - auch hier warnt Mr. Scott, meist weniger fruchtbar und mit erhobenem Zeigefinger vor einer Eskalation. Sie ist auf die Beute angewiesen, die Vane ihr bringt und wird sich erst dann ihm und seiner Crew entledigen können, wenn sich Vanes Blatt zum schlechteren gewendet hat. Die Beziehung zwischen den beiden gleicht dabei einem Pulverfass, dessen Lunte bereits angezündet wurde.
Weshalb Eleanor Captain Flint so wohl gesonnen ist, bleibt dabei noch etwas mysteriös. Klar ist, dass er ihr davon berichtet, wie Captain Hume (David Dukas) ihren Vater gefangen nehmen wollte und dass die beiden zu einander ein großes Vertrauen haben, was sich zum Beispiel widerspiegelt als Flint von seinen Zukunftsplänen für Nassau berichtet. Es bleibt noch abzuwarten, wie es um die Vergangenheit der beiden bestellt ist und wo das gegenseitige Vertrauen seinen Ursprung hat.

Captain Vane
Wer noch in der ersten Episode meinte, dass es sich bei Vane um ein bloßes Abziehbild eines Seeräuberkapitäns handelt, wird hier eines Besseren belehrt. Vane vermag vielleicht nicht so weit in die Zukunft zu schauen wie Flint, aber er hat durchaus einen guten Überblick über das Hier und Jetzt. Mit dem Verlust von Singleton (Anthony Bishop) ist sein Kampf gegen den Konkurrenten Flint noch nicht vorbei - er hat weiterhin einige ihm treue Leute in Flints Besatzung. Ferner unterstützt er Eleanor im Alltagsgeschäft, was selbstredend persönliche Motive hat.
Interessant war auch, dass er Jacks Handel zunächst in Frage stellt und bis zuletzt skeptisch bleibt, ob das zu kaufende Objekt wirklich den vorgegeben Wert hat. Er bleibt dabei oft kompromiss- und rücksichtslos, wie man es erwarten würde, hat aber auch den Grips, auf Ratschläge einzugehen und verbal zu kämpfen, wie sich zum Beispiel beim Gespräch mit Eleanor zeigt (die er nur wegen Jacks Kritik aufgesucht hat).
Von Vanes beiden Vertrauten Jack Rackham und Anne Bonny (Clara Paget), bleibt letztere weiterhin ein wenig blass. Während bei Jack ein gewisser Geschäftssinn deutlich wird, der seinem Kapitän (und damit sich selbst) reiche Beute verspricht, scheint Anne bisher nur als schlagkräftige Unterstützung dabei zu sein. Auch nach zwei Folgen gibt es jedenfalls noch keine Hinweise auf eine deutliche Charakterzeichnung der Figur, die - wie Charles Vane übrigens auch - historischen Ursprung hat.

John Silver
Dadurch, dass sich die Episode um das besagte Stück Papier dreht, steht natürlich auch John Silver mehr oder weniger im Mittelpunkt der Folge. Bereits in „I.“ hat er sich als gerissen erwiesen, die Möglichkeit zur Aufnahme in Flints Crew wahrgenommen und den Wert der Seite erfahren, die er für schnelles Geld zu verkaufen gedenkt. Aber nachdem er nun als der Dieb des Schlüsselstücks zum großen Schatz aufgeflogen ist, steckt er in der Klemme und muss zusehen, dass er schnell seinen Handel abschließt. Dabei spitzt sich für ihn die Lage immer weiter zu bis sie schließlich aussichtslos erscheint.
Es ist schon ein wenig schade, dass man durch den Prequel-Charakter der Serie weiß, dass John Silver eine Figur ist, die als „sicher“ gilt und überleben wird. Dadurch wird etwas Spannung aus seiner Geschichte genommen, wenngleich die Autoren auch alles versuchen, die Jagd nach ihm möglichst spannend zu gestalten. Auf jeden Fall macht es Spaß zu sehen, wie er immer wieder durch sein Geschick seinen Häschern ausweicht und darauf achtet, auch von den mutmaßlichen Käufern nicht gesichtet zu werden. Er ist sich des Risikos bewusst und am Ende auch schlau genug, um seinen Häschern - egal ob Flint oder Vane - die Möglichkeit zu nehmen, ihn einfach zu töten - dazu lernt er die Seite auswendig und verbrennt das Stück Papier.
John Silver bleibt damit eine Figur der Gelegenheiten, die immer nur den nächsten Schritt ins Auge fasst und auf das eigene Wohl bedacht ist. Ohne Frage muss er nun in Flints Diensten beweisen, dass er ein gutes Gedächtnis hat. Dabei wird er sich hüten, zu viele Informationen auf einmal preis zu geben. Außerdem wird er früher oder später einen neuen Weg finden müssen, die anderen davon zu überzeugen, sich seiner nicht zu entledigen. Denn wenn das wertvoll beladene Schiff erst einmal gefunden wurde, wird sein Leben für Flint wertlos sein.

Vergleich zum Piloten
Nachdem der Pilot noch einen vergleichsweise holprigen Start hingelegt hat und dem Zuschauer nicht nur eine Vielzahl von Figuren vorstellen musste, sondern auch das Bild und die Atmosphäre der Handlung, wird es in der zweiten Episode vom Ton her etwas ruhiger. Weniger Action und Bombast, weniger nackte Haut (wobei auf beides nicht verzichtet wird). Dafür werden die bereits vorgestellten Charaktere näher beleuchtet, die Motive klarer herausgearbeitet und das alles im Zuge einer Handlung, die mit dem nötigen Tempo voran schreitet, durchaus durchdacht wirkt und sich dabei neben der Hatz auch den politischen und gesellschaftlichen Absichten widmet. Letztere geben der Situation der Seeräuber eine sinnvolle Form und die Berechtigung, sich durch mehr als „Blut und Nippel“ von anderen Serien abzusetzen. „Black Sails“ wird dadurch zwar nicht zu einer hochkomplexen Serie, denn dass Geschehen bleibt weiterhin leicht nachzuvollziehen. Doch es ergeben sich gut verstrickte Handlungsfäden bei den Figuren, die sehr schön in einander greifen und den Zuschauer ein wenig mehr fordern als es vielleicht nach dem Piloten noch zu erwarten war.

...to be continued...
 

Clive77

Serial Watcher
Fazit: Mit der zweiten Folge baut Black Sails an den richtigen Stellen weiter: Den Figuren, dem Weltbild und der Handlung. Es fällt damit leichter, die Motive und Taten der beteiligten Charaktere nachzuvollziehen. Gleichzeitig liefert „II.“ die Aussicht auf das große Abenteuer nach dem reich beladenen Schiff, welches wieder ein Stück näher gerückt ist. Das Figurengeflecht verspricht dabei interessant zu bleiben und nimmt Abstand von einigen Klischees, die vielleicht noch den Piloten prägten.

7,5/10 Fruit, Fruit - Tits, Tits.
 
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