Ein paar assoziative Gedanken zu THE REVENANT:
Oft las ich den Vorwurf, dass THE REVENANT doch eigentlich nur eine sehr dünne Story besäße. Ähnlich unverständlich empfand ich auch den ähnlichen an MAD MAX: FURY ROAD gerichteten Vorwurf, der hier und dort zu lesen war. Fast schon spießig empfinde ich es so sehr auf eine - und hier muss man differenzieren - klassisch auserzählte Geschichte zu pochen.
Film erzählt idealiter über Bilder. Und wenn ich einen Film sehe - wie beispielsweise MAD MAX: FURY ROAD, der an dieser Stelle noch besser passt als THE REVENANT - der mir die reine Kinetik offeriert, indem er einen formvollendeten Bildertornado auf mich loslässt, und ich dann höre, dass der Film eigentlich keine Story besäße, bin ich, zugegeben, ein wenig ratlos. Der ist nämlich inhaltlich ziemlich reichhaltig dieser MAD MAX. Ebenso verhält es sich mit THE REVENANT.
Es passiert nicht wirklich viel in THE REVENANT? Dann habe ich ein anderes Werk gesehen. Der Film stellt das Leiden des Individuums in den Mittelpunkt. Dergleichen ist übrigens m. E. unabdingbar, wenn man von bedeutender Kunst sprechen möchte.
Richtig, bezogen auf das äußere Geschehen (Plotpoints, Twists und was weiß ich) passiert wenig. So what? Die Geschichte dreht sich um zwei Getriebene (Glass und Fitzgerald), um ihr Leiden, ihre Bewältigungen, ihre Kämpfe, ihre Zerrissenheit.
Auch die Kameraarbeit von Lubezki , von dem immer gerne gesagt wird, sie sei doch bloß eine Machtdemonstration, ist m. E. nicht etwa besonders beachtenswert, wenn es um Kämpfe visualisierende Plansequenzen geht, sondern ganz im Gegenteil, gerade dann, wenn er sich in den Schneeflocken oder in den alle Facetten der menschlichen Gefühlsregungen abdeckenden Gesichtern von Hardy und DiCaprio verliert.
Dies ist die Geshichte des Films. Und eben diese ist unfassbar reichhaltig. Überdies scheint mir das Werk auch kein "Rache-Film" zu sein wie es oftmals bemerkt wird. THE REVENANT scheint mir eher das Werk über ein Vater-Sohn-Verhältnis zu sein. Ein kompliziertes, ein tragisches Verhältnis wohlgemerkt. Sein Sohn ist ein "Halbblut" und die Reaktionen der damaligen Umwelt sind dementsprechend. Schon in dieser Ausgangssituation steckt ungemein viel. Schon diese Ausgangssituation ist unglaublich viel. Es muss nicht immer alles auserzählt werden. Das Anreißen, die Andeutungen sind - sofern wir es mit einem Könner als Regisseur zu tun haben - mehr als genug. Gerade bei einem dergestalt langen Film, kommt es doch - ähnlich einem Roman - gerade darauf an, was das Werk nicht explizt auserzählt, sondern was es, gewissermaßen, zwischen den Zeilen zu zeigen und welch ein Gefühl es zu vermitteln vermag.
Um die Thematik noch weiter zu vertiefen: Wann wird denn überhaupt von einer reichhaltigen Geschichte gesprochen? Ist die Beanwortung dieser Frage problemlos möglich? Ist sie einfach? Ich meine nicht. Insbesondere deswegen, weil es oftmals so scheint, als würde für viele Rezipienten die folgende Gleichung gelten:
Passiert viel (Twists oder anderweitige Überraschungen, äußere Umstände, Plotpoints, ausladende Mono- sowie Dialoge) = reichhaltige Geschichte.
Ist THE REVENANT ein Meisterwerk? Könnte sein. Sicher hingegen bin ich, wenn es darum geht, THE REVENANT zu attestieren, ein sehr guter Film zu sein.