Bates Motel S02E10 - The Immutable Truth

Clive77

Serial Watcher
Mit der Folge „The Immutable Truth” findet das zweite Staffelfinale der US-Serie Bates Motel statt. Es ist alles vorhanden: Action, Leichen, ungewöhnliche Wendungen und vor allem spannendes Drama, welches Hitchcocks Werk von 1960 ordentlich Tribut zollt.

Sheriff Romero
Ohne Umschweife hält Alex Romero (Nestor Carbonell) sein Versprechen, das er Norma (Vera Farmiga) letzte Woche gegeben hat und macht sich daran, den entführten Norman (Freddie Highmore) zu suchen. Die erste Adresse dabei ist Nick Ford (Michael O’Neill), der dank Dylan (Max Thieriot) bereits den Löffel abgegeben hat. Ohne Umschweife erklärt Dylan, dass er Nick umgebracht hat, aber nicht weiß, wo Norman versteckt wird. Alex weiß, was zu tun ist und die Suche nach dem verlorenen Sohnemann von Mama Bates dauert nicht lange.
Gegen diesen Sheriff ist kein Kraut gewachsen und man möchte keinesfalls mit ihm aneinander geraten (nicht wahr, Zane?) - statt Dylan sofort wegen Mordes in Gewahrsam zu nehmen hilft er ohne große Fragen dabei, Norman zu suchen und ist direkt bereit, den Handlanger von Nick zu foltern, der sich gerade zur Flucht bereit macht. Aber das sind keinesfalls alle Szenen, die dem „Freund und Helfer“ von White Pine Bay vergönnt sind. Er besteht weiterhin auf dem Lügendetektor-Test, dem Norman sich unterziehen soll und sorgt dafür, dass Zane (Michael Eklund) sich nun die Radieschen von unten ansehen kann. Dabei ist es schon ein wenig zuviel des Guten, wenn er den Raufbold, Unruhestifter und Mörder mit den Worten „I am a man of my word.“ ins Jenseits pustet, statt ihn dingfest zu machen.
Da auch Zanes Schwester Jodi (Kathleen Robertson) die Konfrontation mit ihrem Bruder, den sie im Auftrag von Romero und Dylan in eine Falle gelockt hat, nicht überlebt, sind somit alle Drogenbosse der Stadt innerhalb von zwei Folgen über den Jordan gegangen. Eigentlich ein Grund für jeden Gesetzeshüter, eine feierliche Stimmung an den Tag zu legen. Nicht für Alex, der meint, Dylan solle das entstandene „Vakuum“ füllen - schließlich wisse er, wie der Hase in White Pine Bay laufe.
Ob Dylan in der nächsten Staffel tatsächlich die oberste Stufe seiner Karriereleiter erklimmen wird? Zu verdenken wäre es ihm kaum, zumal er Rückendeckung vom Sheriff persönlich hat, der nebenbei auch eine passende Geschichte zu den ganzen Leichen parat legen und Dylan dabei außen vor lassen wird.

Dylan
Nachdem der erste Teil der Episode einiges an Stress für Normas Erstgeborenen mitbringt, hält das Finale aber auch gute Dinge für ihn parat. Da ist zum Beispiel die Entschuldigung und Dankbarkeit, die Norma ihm gegenüber an den Tag legt. Dabei hat Dylan keinesfalls vergessen, weshalb Norma ihn über Jahre hinweg gemieden hat und nichts mit ihm zu tun haben wollte. Aber die Offenbarung, dass sie mit Norman und ihm nach Montreal fliehen will, um Norman vor dem Lügendetektor-Test zu bewahren, gibt dann doch den Ausschlag, dass er ihr verzeiht und sich im inneren Zirkel der Familie wiederfindet (obwohl ihm dabei bewusst sein dürfte, dass er dadurch nicht zum Lieblingssohn wird).
Dylan ist dabei aber konsequent und macht Norma klar, dass Flucht keine Lösung ist. Norman soll sich dem Test stellen und was danach kommt, werden sie als Familie durchstehen müssen. An dieser Stelle überrascht es ein wenig, dass Mama Bates bereitwillig zustimmt und auf Dylan hört. Es dürfte zwar klar sein, dass niemand von ihnen White Pine Bay (auf Dauer) verlassen kann (ganz einfach, weil die Geschichte es so vorschreibt), aber nach aller Gegenwehr, die sie bereits an den Tag gelegt hat, hätte es hier noch ein wenig überzeugender ablaufen können.
Angemerkt sei hier noch, dass die Szene, in der alle drei zusammen zum Test aufbrechen, erst so richtig aufzeigt, wie stark die Familie nun zusammen hält. Die Hoffnung auf ein gutes Ende steht dabei nach wie vor unter keinem guten Licht, aber immerhin ist Dylan jetzt wieder als mögliche Stütze für Norman dabei.

Mutter und Sohn
Als Norma ihren entführten Sohn wieder in die Arme schließen kann, rückt Norman gleich damit heraus, dass er sich daran erinnern kann, wie er mit Blair Watson (Keegan Connor Tracy) geschlafen und sie danach umgebracht hat. Ein Schock für Norma, die die Erinnerung gleich wieder als Traum abtut. Aber dieses Mal stößt sie damit bei ihrem Lieblingssohn auf Granit, auch wenn der nach einer weiteren kurzen Eskalation beim heimischen Abendessen eine gute Miene auflegt und scheinbar akzeptiert, was Norma ihm einreden möchte.
Norman hat andere Pläne: Gleich beim Hervorholen der Waffe und dem Anlegen der To-do-Liste wird dem Zuschauer klar, dass er mit dem eigenen Leben abschließen möchte. Er hat nun erfahren, was er während der Blackouts anstellt und um zu verhindern, dass solche Geschehnisse weiterhin passieren können, will er sich erschießen. Aber das geht nicht ohne Vorbereitung. Neben einigen typischen Dingen wie „Apfelkuchen“ oder einer Kategorisierung seiner ausgestopften Tiere stehen auch zwei Personen auf der Liste: Emma (Olivia Cooke) und „Mother“.
Nachdem Emma bereits zuvor mal wieder mit Lügen von Norma abgespeist wurde, um Normans Entführung zu vertuschen, bekommt sie nun endlich einen tieferen (wenn auch nur kleinen) Einblick in die Familie, für die sie im Motel arbeitet. So weiht Norman sie in die Herkunft von Dylan ein und wird somit sicher bewirken, dass Emma ihren Job doch nicht aufgibt. Für Norman werden damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Einerseits versöhnt er sich (im Angesicht seines Plans) noch einmal mit dem liebenswerten Mädchen, andererseits stellt er sicher, dass „Mutter“ nach seinem Tode nicht alleine dasteht.
Mutti ist auch der letzte Eintrag auf der Liste und bekommt von ihrem Sohn einen Abschied, der ihrer Vorstellung von einer heilen Welt geradezu perfekt zu entsprechen scheint (und beim Zuschauer nicht zuletzt durch den engen Tanz der beiden wieder ein arg falsches Gefühl weckt, welches später noch gestärkt werden soll).
Noch eine Bemerkung zu Norma: Dass sie es sich letzte Folge mit George (Michael Vartan) verscherzt hat, bleibt nicht ohne Folgen. Ein kurzes Treffen mit Christine (Rebecca Creskoff) im Supermarkt zeigt jedenfalls, dass die Unterstützung der Helders nun flöten ist und keine Entschuldigung das ändern wird. Somit ist ihre neue Position im Stadtrat gefährdet und der Bau der Umgehungsstraße längst nicht vom Tisch - aber das werden (kleinere) Probleme für die nächste Staffel werden.

Showdown
Nachdem er seine Liste abgearbeitet hat, macht Norman sich auf den Weg in den Wald, um sich zu erschießen. Glück (vielleicht ein wenig zuviel) für Norma, dass sie kurz darauf am Motel eintrifft und zu ihrem Jungen aufschließen kann. Was sich dann abspielt, ist ein Kampf auf zwei Ebenen. Äußerlich argumentieren Mutter und Sohn sehr emotional um die Situation und die jeweilige Sicht der Dinge. Norman will nicht weiterleben, weil mit ihm „etwas nicht stimmt“ - er will nicht riskieren, dass sich Geschehnisse wie die Ermordung seines Vaters (die er von Norma gebeichtet bekommt) oder der Fall „Blair Watson“ wiederholen. Norma verspricht - egal was passiert - dass sie die Probleme bewältigen werden. Zusammen. Dabei ist klar, wer die Debatte gewinnt (und der innige Kuss der beiden liefert für den Zuschauer gleich mit, wie falsch sich diese Versöhnung wieder anfühlt).
Innerlich kämpft Norman einen zweiten Kampf. Den Kampf gegen das andere „Ich“, welches in den Blackouts die Kontrolle übernimmt, und der sich noch etwas länger hinziehen soll. Während er im Wald noch zugibt, dass Norma gewonnen hat, unterliegt er in diesem zweiten Kampf bei der entscheidenden Frage des Lügendetektor-Tests. Auf die Frage hin, ob er Blair umgebracht hat, erscheint ihm - wer sollte es anders sein - erneut seine Mutter (die er letzte Woche in der Kiste auch schon gesehen hat und deren Rolle er bereits bei der Konfrontation mit Caleb übernommen hatte). Diese „andere Norma“ erklärt ihm, dass sie den Mord begangen habe und er unschuldig am Ableben der Lehrerin sei. Mit Blick darauf, dass der Junge tatsächlich eine Persönlichkeitsstörung hat (die sich noch stärker etablieren wird, man denke wieder an die Filmvorlage), liegt sogar etwas Wahrheit in der Aussage. Und können diese Augen etwa lügen?
Überraschend ist es zwar nicht, dass Norman beim Test ungeschoren davon kommt. Aber was Highmore hier wieder abliefert, ist erstklassig und sorgt dafür, dass die letzte Minute den Zuschauer mit einer Gänsehaut zurücklässt. Dieser Blick. Das hat Anthony Perkins nicht besser hinbekommen. Und kam noch jemandem der Schaukelstuhl bekannt vor, in dem Norma vor Normans Bett gesessen hat?

Fazit: Großes Kino. Einige (grundlegende) Dinge waren zwar vorhersehbar, aber die grandiose Umsetzung und das Talent der Darsteller machen diese Kleinigkeiten mehr als wett. Rückblickend hat die zweite Staffel ihre Sache sehr gut gemacht und sämtliche Handlungsstränge gekonnt am Ende zusammengeführt. Gleichzeitig gab es neue Entwicklungen, die Lust auf die nächste Staffel machen, wo sich die Lage um Norman weiter zuspitzen wird - der Weg bis zum bekannten Killer aus „Psycho“ ist wieder ein bedeutendes Stück kürzer geworden.

9/10 innere Stimmen
 
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