So, Woody, habe mich auch mal durch deinen Text gewühlt. Was du da ansprichst ist auf jeden Fall wichtig, denn die Logik Polizei wird zunehmend strenger und verliert teilweise das aus dem Auge, was viel wichtiger ist: Gut - nicht logisch - erzählte Geschichten. Und in einer Zeit, in der die "Everything wrong with..." Videos noch mehr zu unreflektierter Pingeligkeit und einem kontraproduktiven Logik-Fetisch führen, muss man wohl wirklich mal darüber reden.
Woodstock schrieb:
Wie dumm darf ein Blockbuster sein? Hat er nicht die Aufgabe, uns zu gefallen?
Du beantwortest es zwar danach so halb selbst, aber: Nein, er, der Blockbuster, hat nicht die Aufgabe uns zu gefallen, er hat die Aufgabe uns zu unterhalten. Das sind schon zwei verschiedene Dinge. Und dabei ignorieren wir mal die immer deutlicher werdende Tatsache, dass der Blockbuster in erster Linie ja die Aufgabe hat, Geld einzuspielen, und nur sekundär die Aufgabe hat, uns zu unterhalten. Es ist nur so, dass Ersteres durch Zweiteres häufig besser funktioniert. Die Leute benutzen gerne das Wort "Eskapismus" und meinen damit fälschlicherweise "Ablenkung gänzlich ohne Denkanspruch". Diese "Hirn Aus" Attitüde geht mir eh schon eine Weile gegen den Strich. Unterhaltungsfilme liefern Eskapismus, oder sollten das zumindest, aber eben indem sie uns in ein tolles Abenteuer führen, das wir außerhalb des Films nicht erleben würden. Das hat wenig bis gar nichts mit "dumm vs. Anspruch" zu tun, sondern mit wirklicher Unterhaltung. Und gute Unterhaltung ist mehr, als eine bunte und laute Aneinanderreihung von actionreichem Spektakel.
Dazu gehört auch...
Der normale Blockbuster, so dumm wie er ist, hat alle diese Ansprüche nicht! Er wirft uns in eine andere, stupide Welt und lässt uns der Klügere sein.
Hier möchte ich direkt schon mal vehement widersprechen. In dieser Fehleinschätzung liegt nämlich die Krux dieses immer weiter auseinander driftenden Gefälle zwischen so genannten Blockbustern und vermeintlicher "Filmkunst". Sowohl was die Filme betrifft, als auch das Publikum, das wohl noch nie in so extrem von einander entfernte Lager gesplittet war. Unterhaltungsfilme sollen uns nicht klüger fühlen lassen, sind müssen nicht dumm sein. Sie sollen das machen, was schon im Namen steckt: Unterhalten. Daher benutze ich diesen Begriff auch lieber, als das Wort Blockbuster, das in seiner historischen und modernen Bedeutungen eigentlich zu einem Muster ohne Wert geworden ist.
Er zieht uns in seinen Bann mit großartigen, effektvollen Bildern, frei nach dem Grundprinzip bunt = gut, unbunt = ungut
Und auch das stimmt ja nicht so wirklich oder? (Sry
)Da wir uns ja noch immer in der - zum Glück ausklingenden - Phase befinden, in der Unterhaltungsfilme alle im wörtlichen Sinne farblos und im pseudo-Sinne "düster" und ernst sein müssen, weil das insbesondere bei Nolans Batman Reihe auch so war. Der Spider-Man Reboot, zumindest der erste Teil, war das deutlichste Opfer dieses Trends. In gewisser Weise sogar Burtons "Alice", der trotz eigentlich kunterbuntem Getier und kunterbunten Ortschaften fast durchgängig langweilig, trist und farblos wirkte. Ein Trend, der erst durch Marvel und insbesondere die "Avengers" ein wenig aufgelockert wurde. "X-Men: Days of Future Past" war ja für einige (für mich jedenfalls) hier und da erfreulich, weil Bryan Singer endlich mal bunte Mutantenaction und Humor probiert hat.
Ein Film kann noch so dumm sein, solange er sich treu bleibt.[...]Es spielt nur eine Rolle, wie gekonnt man diese tarnt.
Auch wenn ich "dumm" als Kategorisierung etwas unglücklich finde, stimme ich damit überein. Du sprichst mehrfach von den Regeln, die sich ein Film erschafft und ja, diese Regeln gilt es einzuhalten. Es hätte aber geholfen, wenn du sofort auch zu "Prometheus" und "Godzilla" Beispiele genommen hättest, um konkret zu erklären, wo hier die Illusion gebrochen wird. Nicht erst zwei Absätze später. Einfach zu behaupten, gewisse "Fehler" seien unübersehbar ist doch irgendwie faul und wenig hilfreich. Und das gelieferte Beispiel ["In Prometheus hat eine Frau mit knapp dreißig Jahren vier Doktortitel, das erscheint uns unrealistisch, das wirkt unlogisch aber wir belächeln es nur und sind bereit es zu glauben."] ist doch auch unnütz. Dass Shaw vier Doktortitel hat ist definitiv NICHT UNLOGISCH. Es ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Viel wichtiger aber: Es ist unwichtig. Es etabliert Shaw als hochgebildete Wissenschaftlerin und das reicht. Es ist eine Sci-Fi Fantasy Welt. Wir wissen doch nicht mal, wie das Schulsystem aussieht und funktiioniert, in dem Shaw aufwuchs.
Besser ist das Beispiel, was du danach bringst, mit dem Kartographen, der sich verläuft. Wobei auch das nicht unbedingt unlogisch ist, da er ja nicht mit Zettel und Bleistift jeden einzelnen Korridor abgegangen ist. Aber wenn wir das Wort "unlogisch" auslassen und stattdessen einfach dieses Gefühl beschreiben, dass wir an solchen Stellen merken, wie im Drehbuch wild Hebel umgelegt werden, statt dass sich die Geschichte natürlich vorwärts bewegt, kommen wir der Wahrheit schon näher.
Insbesondere den Aspekt mit dem "Fehler tarnen" finde ich interessant, weil er ganz zentral ist. Die besten Unterhaltungsfilme aller Zeiten haben teils massive Fehler, die uns häufig aber erst auffallen, wenn man uns mit der Nase drauf stößt. Die beste Tarnung vor der Logik Polizei ist immer noch, eine gute, spannende Geschichte mit interessanten und lebendigen Figuren zu erzählen. Eine gute, spannende Geschichte zeichnet sich nicht dadurch aus, dass jedes kleine Detail faktisch belegt ist, dass jede Handlung in jedem Augenblick sinnvoll ist. Eine gute, spannende Geschichte entsteht, wenn man uns in einem Spannungsbogen "wie aus einem Guss" durch die Handlung führt, unser Interesse weckt und es aufrecht hält, uns emotional involviert und zu einem befriedigenden Ende führt. Das hat nur selten etwas mit Anspruch, Intellekt oder transportiertem Wissen/transportierten Botschaften zu tun, sondern mit dem Gefühl perfekt ausblancierter und emotional verankter Unterhaltung. So sehr wir über Onkel George (Lucas) und Steven Spielberg manchmal herziehen wollen, aber die ersten beiden "Star Wars" Filme und die ersten drei "Indiana Jones" Filme sind Musterbeispiele, wie gut Filme funktionieren, die bei genauerem Hinsehen eigentlich extrem löchrig sind. Insbesondere Spielberg krallt sich in "Raiders" sofort unsere Aufmerksamkeit, präsentiert einen tollen, charismatischen Helden (mit großer HIlfe durch Harrison Ford) und setzt in perfekt austaxierten Momenten neue Handlungsimpulse, neue Entdeckungen, neue Actionszenen. Heutzutage gibt es im Unterhaltungsfilm nur pausenlos Radau, Bombast und Effekt-Protzerei. Siehe "Smaug". Spielberg zeigt in "Raiders" genau, wie das mit Spannungsaufbau, Charakterbögen und erzählerischer Aktstruktur funktioniert.
Du sprichst es beim "Pacific Rim" EMP Beispiel ja selbst an, Woody. ["Das ist Blödsinn und das wissen wir alle aber wir (ich) haben es ignoriert, weil wir wissen, dass sonst die Geschichte nicht zustande kommt."] Manchmal braucht es "Unlogik" oder unwahrscheinliche Zufälle oder wenig nachvollziehbares Verhalten, damit eine Handlung überhaupt zustande kommt. Filme erzählen nunmal - auch pure Unterhaltungsfilme - von menschlichen Fehlern, die - meistens - durch eine Besinnung auf die eigene Stärke (oder so) wieder ausgebügelt werden. Permanent fragen Zuschauer beim Film, "Warum macht Figur X nicht dies und das, dann wäre nichts davon passiert." Exakt. Dann wäre nichts davon passiert und dieser Film würde nicht existieren. Das ist ein schmaler Grad, was diese "handlungsdienliche Unlogik" betrifft. Wie oft beschweren wir uns, dass die potentiellen Opfer im Slasher Film den maskierten Killer ausgeknockt haben und dann wegrennen, statt ihn zu töten. Aus Erfahrung weiß ich, dass das je nach Umsetzung äußerst ärgerlich ist, aber es ist streng genommen in den meisten Fällen nicht mal wirklich unlogisch. Es ist rational unvernünftig, aber Rationalität ist in dieser Situation längst nicht mehr im Spiel. Der Selbsterhaltungstrieb macht die Flucht, die Aussicht auf Sicherheit, dringlicher, als das eigenhändige Ausschalten der Bedrohung. Manche Filme übertreiben es nur, wie lange das potentielle Opfer unmittelbar vor dem wehr- und regungslosen Killer verbringt (häufig sogar mit einer potentiellen Waffe in Griffnähe), ehe sie die Flucht antreten. Als würden die Kids am ohnmächtigen Körper des Killers erstmal gemütlich Tee trinken und Kuchen essen, ehe sie von 0 auf 100 springen und die Flucht antreten.
Deine letzten drei Absätze finde ich aber gut, Woody. Wir suchen nicht nach Fehlern, aber manchmal fallen sie auf. Was wir wollen sind nicht minutiös logisch austaxierte Maschinen (das wäre ähnlich grausam), sondern wir wollen gute, funktionierende und in erster Linie unterhaltsame Filme.
Und sorry, aber...
Nehmen wir Prometheus (der Holocaust der Filmlogik)
Das geht ja mal gar nicht klar. Nicht nur ist der Vergleich unangebracht, er macht auch als Metapher äußerst wenig Sinn. Ich sehe, was du damit sagen wolltest, aber das kann man doch auch anders, oder?