Großartiger Artikel, Clive
Du schaust ja doch nicht nur Serien
Zum Punkt Bequemheit: mein Englisch ist ziemlich gut, würde ich mal behaupten, aber auch mir kommts vor, dass Akzente (Tipp: Under the Skin Blu-ray mit den nuschelnden Extremschotten) so schwierig werden, dass ich wenig verstehe, oder sagen wir einen Teil nicht richtig identifizieren kann. Aus Kontext reicht das dann trotzdem um alles zu verstehen, aber es erschwert das Schauen und fordert sehr viel mehr Aufmerksamkeit. Es kommt echt selten vor, aber in der Regel schalte ich dann doch eher Untertitel drunter als auf Deutsch zu wechseln.
Andererseits bin ich kein Otonverfechter. Du hast das sehr gut angebracht, dass der sprachliche Ausdruck wichtiger Teil des Schauspiels ist (und fast alle Deutschen somit immer nur die körperliche Darstellung mitkriegen), aber ich bin der Meinung, dass dt. Synchronsprecher einen bemerkenswerten Job machen. Es gibt schlechte Beispiele, aber das allgemeine Niveau ist doch auf einem sehr hohen Stand.
Dazu kommt, dass einige dt. Sprecher einfach bessere Stimmen als ihre Originale haben. Bei Cage, Bale und Willis entscheide ich mich lieber für den Stammsprecher, ebenso bei Thurman, Kidman und Jolie. Dann ists mir auch egal, wenn zwei Schauspieler des gleichen Sprechers aufeinander treffen. Fands ungut, dass Arnie und Sly in Escape Plan unterschiedliche Sprecher haben - bei allen drei Expendables haben sies ja sonst auch gemacht. Dann klingen sie halt gleich, ist doch egal, so kennt man sie. Wenn ein Schauspieler 20 Jahre lang die gleiche Stimme hat und auf einmal nicht mehr, stört das. Dann soll man die Sprachaufnahme halt runterpitchen oder dem Charakter Husten verpassen oder so.
Ja, das mit Akte X war ein ziemlicher Aufreger. Ich weiß nicht wieviel ein dt. AAA Synchronsprecher an Gehalt für einen Film bekommt, aber ich wette dass es in keinem Verhältnis zum Wert der Aufnahme steht (sprich, die sollten mehr bekommen).
Du sprichst noch weitere starke Punkte an. Was passiert, wenn im US Film deutsch gesprochen wird und die Filmfiguren es nicht verstehen sollen? Trifft ja manchmal bei Kriegsfilmen zu, wie du es auch schreibst. Wenn die dt. Soldaten dann plötzlich was anderes als deutsch sprechen um es unkenntlich zu machen, ist das irritierend, wenn alle die gleiche Sprache sprechen und die Filmfiguren sie aber nicht verstehen, wirkts komisch. Schwieriger Fall. Vielleicht dann den Deutschen heftigen Akzent verpassen und untertiteln?
Was ich bei der Verfolgung von englischsprachigen Diskussionen immer wieder auffällig finde, ist wie genau darauf geachtet wird, wie originalgetreu Dialekte sind. Verstellt ein texanischer Schauspieler seine Stimme um wie aus der Bronx zu klingen, wird das fast immer angemäkelt. Schlimmer noch, wenn ein Brite als Amerikaner durchgehen soll. Das scheint ihnen extrem aufzufallen.
Du sagst, dass die Lippenbewegungen nicht zum Gesprochenen passen. Das stimmt, das würde ich aber nicht als Manko bezeichnen. Ich denke, dass wir durch unser jahrelanges Schauen schon so darauf gedrillt sind, dass synchronisiertes Sprechen einen Film automatisch internationaler wirken lässt. Auch nimmt man einen Film ganz anders wahr, wenn offensichtlich deutsch gesprochen wird. Sagen wir, wenn man durchs Nachtprogramm schaltet, ein Actionfilm kommt dran und die Figuren reden direktes deutsch, sinkt die Erwartung sofort, weil man von deutschen Studios keine gute Action gewohnt ist.
Ich bin momentan nur bilingual (Latein lassen wir mal außen vor)(und hab noch vor das zumindest um FRZ und SPA zu erweitern, vl JAP), aber von Filmen hält mich das nie ab. Untertitel sind für mich immer okay und gerade bei Filmen, in denen Schauspiel sehr wichtig ist, bleibe ich auch lieber bei Oton mit Untertiteln statt deutscher Sprache. Gerade bei asiatischen Filmen lieber Oton, weil die wie McKenzie sagt, ganz anderes Sprechtempo und anderen Sprachklang haben. Wenn man da dann ein 1700 Drama über wortkarge Bauern schaut, ists komisch wenn die ganz modern und normal sprechen.
Ein großer Unterschied ist ja auch, dass es viele Filme gibt in denen das in der Szene tatsächlich gesprochene Zeug direkt aufgenommen wurde. Sagen wir, jemand steht etwas weiter weg und spricht - dann klingt er meist auch weiter weg, anders. In der Synchro (oder im Original bei Nachvertonung) spricht der Sprecher dagegen immer glasklar direkt in das Mikro vor ihm, was nochmal ein anderes Empfinden bewirkt. Wenn man eine Originalsoundkulisse mit Geräuschen, Wind, natürlichem Hall etc hat, wirkt das anders als wenn alle Geräusche inkl Gespräche aus der Postpro kommen.