TheRealNeo
Well-Known Member
Angeregt wurde ich für diesen Thread, durch diesen Artikel des Regisseurs Florian Henckel von Donnersmarck (DAS LEBEN DER ANDEREN, THE TOURIST):
vgl. Der Trailer als Vorurteil, in: Philosophie Magazin, April/Mai, Nr. 03/2013, S.91.
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In Teilen kann man ihm da auf jedenfall zustimmen. Ein Trailer kann einen Film in ein anderes Licht rücken, zum Guten wie zum schlechen. Aber wie sieht es da zum Beispiel bei den allseits beliebte Franchises aus? Wenn der Trailer ein Entscheidungsfaktor ist für einen Kinobesuch, hat man das bei einem Sequel o.ä. überhaupt noch nötig? Die meißten, die es vor dem Trailer zu einem neuen AVENGERS-FILM vor hatten ins Kino zu gehen, werden dies auch danach. Wozu also noch den Trailer? Können 2-3 Minuten wirklich einen so guten Einblick geben oder verhindern sie vielleicht sogar die Sichtung eines Films, der in 90 Minuten ganz anders wirkt?
Ende der 80er Jahr kam auch im Kino eine große Wende. Ron Howard morphte 1988 in “Willow” eine Ziege digital erst zu einen Strauß, danne zu einer Schildkröte, einem Tiger und schließlich zu einen Menschen; und James Cameron bot uns 1989 in “Abyss” die erste nahtlose Einbindung von digitalen Wesen in den Realfilm. Die großen Studios wurden von Firmen wie Panasonic, Sony, Coca Cola und Seagram aufgekauft, Firmen deren Machtstellung sehr stark in ihrem Marketing-Können begründet ist. Es begannen die klar kalkulierbaren Projekte das Kino zu dominieren. Von Anfang der Filmgeschichte bis zum Jahre 1989 wurden ganze zehn Superhelden-Filme gedreht. Von 1990 bis heute über einhundert. Die Zeit der großen Intellectual Properties, der Marken und Franchises begann: Es ging vorrangig um Bekanntheit, und darum, wie man einem Film in einem Trailer verkaufen kann. Unter Einbringung des Maximums an Digitaltechnologie wurden die bekanntesten Romane verfilmt (“Harry Potter”, “Herr der Ringe”), die bekanntesten Fernsehserien (“Mission: Impossible”, “Charlie’s Angels”), die bekanntesten Themenfahrten (“Fluch der Karibik”), Spielzeuge (“Transformers”) und sogar Brettspiele (“Battleship - Schiffe versenken”). Alles, was bereits irgendwie in den Köpfen der potentiellen Zuschauer verankert war und sich daher nach einem bekannten, zuverlässigen Schema vermarkten und in eine Vorschau verpacken ließ, wurde gemacht, am besten mehrmals.
Wenn aber doch ein Film daherkommt, der anders ist, wie etwa James L. Brooks’ “Spanglish”, eine herbe Satire auf die kalifornische Oberschicht, dann kann es geschehen, daß das Studio ihn schon aus Gewohnheit als gänzlich konforme, warmherzige Slapstick-Komödie vermarkten wird. Und dadurch vielen Zuschauern entgeht, daß hier jemand einen neuen Weg gegangen ist. Wenn es einem Gabor Csupo gelingt, einen Kinderfilm wie “Brücke nach Terabithia” zu inszenieren, ein fest in der Wirklichkeit verankertes Werk über Tod, Schuld und Einsamkeit, dann wird der Trailer uns vielleicht trotzdem eine Standard-Abenteuer-Story über zwei kleine Freunde erzählen, die eine Welt aus digital animierten Fabelwesen entdecken.
Nur sehr erleuchtete Zuschauer können sich beim Schauen eines Films von dem freimachen, was ihnen vor dem Kinobesuch versprochen wurde. Wenn etwa eine Komödie angekündigt war, und der Film eher ernst ist, mit einer normalen Dosis Witz, ist er dennoch als Komödie mißlungen. Und wenn er als Komödie an den Mann gebracht wurde, ist er in gewisser Hinsicht als gesamter Film mißlungen. Seltsamerweise bestimmt hier die Definition das Wesen, weil das Werk erst in der Rezeption entsteht, und die Rezeption von einer Erwartung beeinflußt wird, die von der Definition geformt wurde. In einer Welt, in der Menschen sich davon nicht freimachen können, sind die Marketing-Materialien folglich Teil des Werkes, weil sie das Vorurteil bilden, durch welches das Werk gedeutet wird. Trailer, Plakat und Standfotos sind die Tür, durch die man in das Haus tritt: Wenn der Eingang uns ein Bordell verspricht, könnte dahinter ein englischer Herrenclub sein – wir würden in Lord Grantham* einen Zuhälter sehen.
Ich habe mir daher zur Regel gemacht, möglichst gar keine Trailer mehr zu schauen, habe sogar schon im Kino ins Popcorn geblickt und mir die Ohren zugehalten, wenn die Vorschau für einen Film beginnt, der mich besonders interessiert. Denn ich will den Film mit den Augen der Filmemacher sehen, nicht mit denen der Verkäufer (auch wenn zugegeben manchmal die Verkäufer besser sind als wir Filmemacher).
vgl. Der Trailer als Vorurteil, in: Philosophie Magazin, April/Mai, Nr. 03/2013, S.91.
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In Teilen kann man ihm da auf jedenfall zustimmen. Ein Trailer kann einen Film in ein anderes Licht rücken, zum Guten wie zum schlechen. Aber wie sieht es da zum Beispiel bei den allseits beliebte Franchises aus? Wenn der Trailer ein Entscheidungsfaktor ist für einen Kinobesuch, hat man das bei einem Sequel o.ä. überhaupt noch nötig? Die meißten, die es vor dem Trailer zu einem neuen AVENGERS-FILM vor hatten ins Kino zu gehen, werden dies auch danach. Wozu also noch den Trailer? Können 2-3 Minuten wirklich einen so guten Einblick geben oder verhindern sie vielleicht sogar die Sichtung eines Films, der in 90 Minuten ganz anders wirkt?