Trailer - Fluch oder Segen?

TheRealNeo

Well-Known Member
Angeregt wurde ich für diesen Thread, durch diesen Artikel des Regisseurs Florian Henckel von Donnersmarck (DAS LEBEN DER ANDEREN, THE TOURIST):

Ende der 80er Jahr kam auch im Kino eine große Wende. Ron Howard morphte 1988 in “Willow” eine Ziege digital erst zu einen Strauß, danne zu einer Schildkröte, einem Tiger und schließlich zu einen Menschen; und James Cameron bot uns 1989 in “Abyss” die erste nahtlose Einbindung von digitalen Wesen in den Realfilm. Die großen Studios wurden von Firmen wie Panasonic, Sony, Coca Cola und Seagram aufgekauft, Firmen deren Machtstellung sehr stark in ihrem Marketing-Können begründet ist. Es begannen die klar kalkulierbaren Projekte das Kino zu dominieren. Von Anfang der Filmgeschichte bis zum Jahre 1989 wurden ganze zehn Superhelden-Filme gedreht. Von 1990 bis heute über einhundert. Die Zeit der großen Intellectual Properties, der Marken und Franchises begann: Es ging vorrangig um Bekanntheit, und darum, wie man einem Film in einem Trailer verkaufen kann. Unter Einbringung des Maximums an Digitaltechnologie wurden die bekanntesten Romane verfilmt (“Harry Potter”, “Herr der Ringe”), die bekanntesten Fernsehserien (“Mission: Impossible”, “Charlie’s Angels”), die bekanntesten Themenfahrten (“Fluch der Karibik”), Spielzeuge (“Transformers”) und sogar Brettspiele (“Battleship - Schiffe versenken”). Alles, was bereits irgendwie in den Köpfen der potentiellen Zuschauer verankert war und sich daher nach einem bekannten, zuverlässigen Schema vermarkten und in eine Vorschau verpacken ließ, wurde gemacht, am besten mehrmals.

Wenn aber doch ein Film daherkommt, der anders ist, wie etwa James L. Brooks’ “Spanglish”, eine herbe Satire auf die kalifornische Oberschicht, dann kann es geschehen, daß das Studio ihn schon aus Gewohnheit als gänzlich konforme, warmherzige Slapstick-Komödie vermarkten wird. Und dadurch vielen Zuschauern entgeht, daß hier jemand einen neuen Weg gegangen ist. Wenn es einem Gabor Csupo gelingt, einen Kinderfilm wie “Brücke nach Terabithia” zu inszenieren, ein fest in der Wirklichkeit verankertes Werk über Tod, Schuld und Einsamkeit, dann wird der Trailer uns vielleicht trotzdem eine Standard-Abenteuer-Story über zwei kleine Freunde erzählen, die eine Welt aus digital animierten Fabelwesen entdecken.

Nur sehr erleuchtete Zuschauer können sich beim Schauen eines Films von dem freimachen, was ihnen vor dem Kinobesuch versprochen wurde. Wenn etwa eine Komödie angekündigt war, und der Film eher ernst ist, mit einer normalen Dosis Witz, ist er dennoch als Komödie mißlungen. Und wenn er als Komödie an den Mann gebracht wurde, ist er in gewisser Hinsicht als gesamter Film mißlungen. Seltsamerweise bestimmt hier die Definition das Wesen, weil das Werk erst in der Rezeption entsteht, und die Rezeption von einer Erwartung beeinflußt wird, die von der Definition geformt wurde. In einer Welt, in der Menschen sich davon nicht freimachen können, sind die Marketing-Materialien folglich Teil des Werkes, weil sie das Vorurteil bilden, durch welches das Werk gedeutet wird. Trailer, Plakat und Standfotos sind die Tür, durch die man in das Haus tritt: Wenn der Eingang uns ein Bordell verspricht, könnte dahinter ein englischer Herrenclub sein – wir würden in Lord Grantham* einen Zuhälter sehen.
Ich habe mir daher zur Regel gemacht, möglichst gar keine Trailer mehr zu schauen, habe sogar schon im Kino ins Popcorn geblickt und mir die Ohren zugehalten, wenn die Vorschau für einen Film beginnt, der mich besonders interessiert. Denn ich will den Film mit den Augen der Filmemacher sehen, nicht mit denen der Verkäufer (auch wenn zugegeben manchmal die Verkäufer besser sind als wir Filmemacher).

vgl. Der Trailer als Vorurteil, in: Philosophie Magazin, April/Mai, Nr. 03/2013, S.91.

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In Teilen kann man ihm da auf jedenfall zustimmen. Ein Trailer kann einen Film in ein anderes Licht rücken, zum Guten wie zum schlechen. Aber wie sieht es da zum Beispiel bei den allseits beliebte Franchises aus? Wenn der Trailer ein Entscheidungsfaktor ist für einen Kinobesuch, hat man das bei einem Sequel o.ä. überhaupt noch nötig? Die meißten, die es vor dem Trailer zu einem neuen AVENGERS-FILM vor hatten ins Kino zu gehen, werden dies auch danach. Wozu also noch den Trailer? Können 2-3 Minuten wirklich einen so guten Einblick geben oder verhindern sie vielleicht sogar die Sichtung eines Films, der in 90 Minuten ganz anders wirkt?
 

Woodstock

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Weil viele Kinogänger sich erst im Kino überlegen was sie ansehen wollen. Manche erfahren erst von den kommenden Filmen durch die Trailer im Kino, wodurch sie erst wissen, dass der Film überhaupt kommt und vorallem wann.

Das Ganze Internetzeug mit dem Trailer ist eigentlich nur ein Nebenprodukt.
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Okay etwas unglücklich ausgedrückt. Das bezog sich auf die Gruppe derer, die eben schon vor Trailerkenntnis den Kinobesuch fest eingeplant haben.
 
M

McFlamel

Guest
Du meinst, warum schaut sich Brawl noch immer Mad Max Trailer an obwohl er seit der Meldung "Mad max kommt" wusste das er drin ist?

Eben weil nicht alle wissen was kommt. Wood hat das schon schön gesagt, es gibt auch Leute die erst im Kino vor dem Film von anderen Filmen erfahren. Und bei denen hängt der besuch dann davon ab ob sie den Trailer mochten.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Wenn ich genau weiß, dass ich einen Film sowieso ansehen will, dann verzichte ich oft auf den Trailer und lasse mich dann gerne überraschen.
 

Slevin

New Member
Wenn ich zusehen müsste, wie alle über den Star Wars Trailer reden und ich ihn nicht sehen "dürfte", würde ich explodieren.
Die Verlockung ist einfach zu groß und der Gruppenzwang erledigt den Rest.
Mit anderen Worten, IHR SEID SCHULD! :angry: :ugly:
 

Woodstock

Verified Twitter Account ☑️
Ich bin auch einer der Wenigen, die einen guten Trailer einfach um des Trailers Willen mögen. Ich erfreue mich nicht nur am Film, sondern auch am Trailer selbst. Die Musik, die Schnitte und wenn mal eine richtig gute Gesamtkonzeption dabei ist.
 

Joel.Barish

dank AF
Die "Intellectual Properties" von heute sind die Genre- und Filmstar-Filme der Vergangenheit. Anders sind rund 150 Western mit John Wayne nicht zu erklären. Das soll nicht heißen, dass Herr Von Donnersmarck Blödsinn redet. Die Quantität<->Qualität Relation ist häufig nicht so toll, aber das ist ein anderes Thema und eines, das sich schwer verallgemeinern lässt. Und eine fehlgeleitete PR wie bei Terabithia kann es auch geben, wenn man Filmstar X im Trailer zeigt, um dann festzustellen, dass er nur eine Gastrolle im Film hat. Trailer ist Werbung und Werbung ist immer in gewisser Weise eine Lüge. Wer das nicht zumindest irgendwie unterbewusst weiß und einsortieren kann, verdient dann auch die Verwirrung und Enttäuschung.
Und im gleichen Sinne: Wer keine Trailer sehen will, sollte sie im INet nicht anklicken. Und wer so regelmäßig ins Kino geht, dass er Gefahr läuft, Trailer da zu sehen, kann und muss dann eben vor Ort darauf reagieren. Augen zu, Finger in die Ohren und langsam bis 300 zählen. Oder so. Werbung ist aggressiv, ja, aber sie ist auch ein notwendiges Übel.

Und ja, ich habe mir den dreiminütigen "Man of Steel" Trailer#3 in den letzten 12 Monaten zwei Mal angeschaut und sehne mich noch immer nach dem Film, der dort drinsteckt, der aber nicht im zweieinhalbstündigen Film steckte. Manchmal können Trailer wirklich die besseren Filme sein.
 

Rocky Balboa

Herrscher über die Sülznasen
Joel.Barish schrieb:
Und ja, ich habe mir den dreiminütigen "Man of Steel" Trailer#3 in den letzten 12 Monaten zwei Mal angeschaut und sehne mich noch immer nach dem Film, der dort drinsteckt, der aber nicht im zweieinhalbstündigen Film steckte. Manchmal können Trailer wirklich die besseren Filme sein.

Beim Trailer zu Mission Impossible 2 geht es mir genauso.
 

Puni

Well-Known Member
Ich guck nie Trailer, auf jeden Fall Fluch. Kann mich an keinen Film erinnern, wo ich mir bewusst einen Trailer zu angeschaut habe, aber jedes Mal im Kino weiß ich auch wieder, warum - brauch mir sicherlich keinen Film in 2 Minuten zusammenfassen lassen.
 

McKenzie

Unchained
Ich verstehe ja diese vorherrschende Trailer-Abneigung bei vielen nicht so ganz. Klar gibt es ein paar schwarze Schafe die die Handlung bis ins Finale spoilern wie Sau, aber allgemein sind die Dinger ja so geschnitten, dass mehr Fragen aufgeworfen werden als beantwortet und so eher neugierig machen.

Ich schaue gern Trailer. Bei Filmen auf die ich seit Jahren warte, freut es mich einfach schon mal ansprechend aufbereitete 2min Material zu sehen (die Django-Trailer z.B. waren super, allerdings wurden es mir irgendwann zu viele und ich hab den 3. und 4. dann auch erst nach dem Kinobesuch geschaut :ugly: ), bei Filmen wo ich mir unsicher bin was ich mir da überhaupt in etwa erwarten kann, ist das manchmal schon eine Entscheidungshilfe. Natürlich nicht der einzige Faktor, weil manchmal eben doch am eigentlichen Film vorbeigemarketingt wird - Krasses Beispiel etwa der happy-peppige Trailer zu 'Brügge sehen...und sterben?', wo der Film dann doch eine deutlich traurigere/morbidere Richtung einschlug und vielleicht manche vor den Kopf gestoßen hat, die meinten einen 2. Snatch zu sehen. Aber im Internetzeitalter muss man sich ja nicht mehr auf einen Trailer alleine verlassen, der ist für mich eigentlich nur noch das Sahnehäubchen. Aber ja, ich mag gut gemachte Trailer, die können schon ne eigene Kunst für sich sein.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Bei Filmen, die ich unbedingt sehen will, gucke ich inzwischen keine Trailer mehr, damit ich vom Film dann umso mehr überrascht werde.
Bei anderen Filmen, die ich zwar auch auf jeden Fall irgendwann sehen werde, bei denen ich aber eher ein schlechtes Gefühl habe, lass ich mich durchaus mal zu einem Trailer hinreißen (vielleicht in der Hoffnung, dass da doch noch was gezeigt wird, dass positives Interesse aufkommen lässt?).
Außerdem gucke ich schon mal Trailer von Filmen, bei denen mich die Handlungsbeschreibung nicht so ganz überzeugt hat und ich mir ein näheres Bild machen möchte.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Kommt ganz auf den Film an. Zu Terminator Genisys und Jurassic World bspw habe ich mir bislang jeden Fitzel angesehen, den Star Wars Trailer aber noch kein einziges Mal angerührt und im Kino jedes Mal ignoriert.

Bei vielen von den großen Sachen gehören wir ja nicht zur Zielgruppe. Wir wissen schon seit Jahren, dass ein neuer Avengers kommt und das wir den sehen wollen. Andere hingegen wissen es sogar jetzt drei Wochen vor Release noch nicht, oder wissen es und müssen echt noch mit dem Knüppel überzeugt werden, dass der auch wirklich ganz sicher den Kinobesuch lohnt. Da ist der Trailer ein absolut wichtiges Instrument, um die Hintern im Kino zu sichern. Und wenn es bedeutet, alle Money Shots rauszuhauen, die einzigen Lacher der ganzen Komödie zu verheizen, Wendungen oder gar das Ende vorweg zu nehmen.

Man darf auch nicht vergessen, dass viele ein Klischee-Goldfischgedächtnis haben, was Filme betrifft. Die können sich einen Trailer zweimal anschauen und haben dann trotzdem schon nach fünf Minuten wieder alles bis auf den Gesamteindruck vergessen. Geht sicher nicht nur mir so, dass man nicht bloß die Bilderflut mitkriegt, sondern auch direkt unbewusst analysiert und zuteilt. Und ja, das kann stören, wenn man im Film sitzt und noch von einem Trailer von vor 6 Monaten weiß, dass nach Charakterverschwinden X ganz offensichtlich noch eine Szene mit diesem fehlt.

Aber Joel hat Recht. Wenn man will und etwas vorsichtig ist, kann man dem Promomaterial eines Films weitestgehend entgehen. Gleichzeitig hat man das Recht, jedes Mikrobchen Filmmaterial, jeden Bericht und jedes Gerüchtchen durchzuschnuppern, wenn man will. Bei guten Filmen ist mir jedes Mittel recht, wenn es Leute dazu bringt, den Film mit ihrem Portmonee zu unterstützen. Und klar, wenn man sich von einem Trailer falsch an der Nase herumgeführt fühlt, ist das kein schönes Erlebnis. Kann aber auch anders herum funktionieren, dass ein Trailer die Erwartungen senkt und der Film dann sehr viel mehr gefällt.
 
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