Ich und Earl und das Mädchen (Coming of Age Drama) [Kritik]

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
BG Kritik: Ich und Earl und das Mädchen

Der große Publikums- und Kritikerfolg auf Sundance, dem wichtigsten Indiefilmfestival. Darin geht es um den jugendlichen Greg und seinen besten Freund Earl, die in der Freizeit ihre eigenen Amateurremakes von Filmklassikern inszenieren. Als Greg sich mit der krebskranken Rachel anfreundet, beschließen er und Earl dem sterbenden Teenager einen Film zu drehen.

Trailer


Basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jesse Andres, der auch das Drehbuch schrieb. Alfonso Gomez-Rejon, Regisseur des in Deutschland als Warte, bis es dunkel wird herausgebrachten Remakes des 70er-Slashers The Town That Dreaded Suntown und einiger Folgen American Horror Story, führt Regie. Mit Filmmusik von Brian Eno (!) und Kameraarbeit von Chung-hoon Chung (Oldboy, Durst, Stoker).

Nach dem sehr Wes Anderson-esken Schwenk am Anfang des Trailers erwartete ich schon das Schlimmste, aber das sah dann doch alles ziemlich gut und erfrischend unromantisch aus. Be Kind Rewind trifft Restless (alternativ und nur wenn man unbedingt möchte, Das Schicksal ist ein mieser Verräter).

Ab dem 22. Oktober in den deutschen Kinos. Ich bin dabei.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Trailer #2

Folkpop statt Brian Eno :wacko: . Und auch wenn ich solche Vergleiche eigentlich hasse, aber all die harten Schwenks und Zooms scheinen schon sehr von Wes Anderson geborgt. Alles scheint auch noch etwas arg distanziert und überinszeniert um emotional zu funktionieren. Aber vielleicht ist das ja nur im Trailer so. Ich bin weiterhin interessiert.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Olivia Cooke hats nicht leicht. In Bates Motel spielt sie ja auch eine totkranke.

Muss gestehen, dass mir der Trailer (hab nur den ersten gesehen) nicht so wirklich zusagt. Der quirkige Humor scheint sehr von Juno inspiriert, wirkt aber etwas aufgesetzter, und die Sache mit den Filmen hat sowas hipsterhaftes. Ich mein, nichts gegen Hipsterheit, aber der Trailer lässt es ein wenig gestellt wirken. Vielleicht ists auch nur der Trailer.
 

Joel.Barish

dank AF
Ich bin mir auch noch nicht sicher, wie ich diese eigenwillige Mischung aus "Be kind, rewind" und "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" einordnen soll. Die Reaktionen aus Sundance haben mich neugierig gemacht und für gute Teenagerdramödien bin ich immer zu haben, irgendwie zieht es mich da noch immer regelmäßig hin. Aber die Musikauswahl ist wirklich schwach im 2. Trailer. Und so wirklich packt es mich auch noch nicht. Wenn der Film dann aber mal irgendwann hier landet, treibt mich meine Neugierde vielleicht recht schnell dorthin. Dafür sieht es dann doch noch zu interessant aus.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Titel wurde eingedeutscht. Das "dying" haben sie aber mal dezent wegfallen lassen.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Wir brauchen eine kleine Version des klatschenden Orson Wells, den man wie ein Smiley in die Beiträge einführen kann.
 

Joel.Barish

dank AF
Ich habe den gesehen. Brauchte aber 'nen Moment, um mich zu sortieren. Bin mir nicht sicher, ob der Moment vorbei ist. Jedenfalls...

BG Kritik: Ich und Earl und das Mädchen


Ist noch im Kino.

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Ich habe überlegt, ob ich es einbringen sollte, da es eigentlich i.d.R. entweder unnötig ist oder unmöglich wirklich nachvollziehbar zu vermitteln. Als Vermittlungsversuch daher: Im Sommer dieses Jahr hatte ich selbst ganz real ein sehr ähnliches Thema bei mir in der Familie. Die Besetzung passt nicht, also wen es trifft, aber das Thema einer solchen Krankheit und dem irgendwie Unvermeidlichem, welches einhergeht, hing einige Monate als dunkler Schatten in meinem Leben und hat sich naturgemäß noch nicht vollständig verflüchtigt. Ich hatte vor dieser Geschichte schon Interesse an diesem Film, aber eine gewisse Skepsis kam dennoch auf. An der Stelle hilft die Umbesetzung aus Alter, Geschlecht und Beziehungsstand wahrscheinlich. Ich wollte mir das in gewisser Weise einfach zumuten. Um einen Film wie "Halt auf freier Strecke" werde ich für die nächste Zeit noch einen weiten Bogen machen. Die männliche Hauptfigur dieses Films, der als emotionaler Verbündeter und als hilfloser Beobachter dieser schrecklichen Krankheit beiwohnt, ist nicht die interessanteste Figur der Welt. Und der Film vergisst, wie es scheint, mitunter welche Geschichte überhaupt erzählt wird. Aber ich kann und will nicht verhehlen, wie vertraut mir einige Gedanken und Gesten kamen und wie treffend ich den finalen Grundgedanken fand, mag er im Film noch so durchwachsen umgesetzt worden sein. In seiner latent ziellosen, irgendwie verquasten, verwirrten und streng genommen effektlosen Art besteht für mich doch ein großer Effekt und einer großer Nutzen.
Ich sage das alles nicht, um bedauert zu werden und auch nicht, um einen unblockbaren Joker zur Verifizierung meiner Meinung zu haben, sondern um meiner Kritik einen gewissen Kontext zu geben. Irgendwie gilt das ja immer, da vollkommene Objektivität bekanntermaßen eine Illusion ist, aber hier fand ich es doch angebracht darauf hinzuweisen, dass ich vermutlich extra kritisch oder vielleicht auch extra gnädig zum Film bin, dass ich vielleicht besonders empfänglich für die Versuche der Geschichte war oder ob diese zum aktuellen Zeitpunkt vielleicht gar keine Chance hatte, näher an mich heranzukommen. Das ist so formuliert irgendwie so gut wie gar keine Aussage, aber gesagt haben wollte ich es dennoch. Vielleicht auch, um auf diesen Weg in die Runde zu fragen, was die Leistung von Filmen zu diesem Thema sein kann, was möglich ist und wo die Grenzen liegen.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Habe den Film länger vor mir her geschoben, weil ich fest damit gerechnet habe, ihn ganz furchtbar zu finden, weil ich den ersten Film des Regisseurs schon über alle Maßen schrecklich fand, und weil die Trailer mir zwar irgendwie gefielen, aber die Chancen, dass das ein erzwungen skuriller (im englischen würde man das schlimme Wort "quirky" verwenden) Sundance-Indiekitsch ist, der sich zwar ohne Ende an Wes Anderson bedient, aber im Gegensatz zu dem keinerlei Sinn für gar nichts hat. Tja. Habe ihn nun gesehen, bei den den Film eröffnenden Stop-Motion-Sequenzen dachte ich schon an das Schlimmste, und Sundance-Indiekitsch ist er zwar schon, aber gemocht habe ich ihn trotzdem. Vor allem das letzte Drittel des Films ist so gelungen emotional, trotz seinem sehr auffälligen visuellen Stil, so aufrecht traurig und berührend, dass man dem Film die "Hübsches Mädchen muss Todkrank werden, damit weißer junger Mann erwachsen werden kann"-Trope doch recht schnell verzeiht. Vor allem weil das sterbende Mädchen zwar schon irgendwie eine Nebenfigur ist, die sich entwickelnde Freundschaft zwischen ihr und Hauptfigur Greg so realistisch und charmant ist, dass einem der Storyverlauf im letzten Drittel wirklich sehr Nahe geht.

Wie in seinem ersten Film, hat Regisseur Alfonso Gomez-Rejon den Hang zur Überinszenierung, und auch wenn man sich hier ein zwei Stilspielereien und Zooms hätte sparen können (Den übererklärenden Voice Over und die unnützen Titelkarten sowieso), fand ich sein Auge für ungewöhnliche und wirkungsvolle Kompositionen und Kamerabewegungen hier meistens sehr gelungen. Gerade die wunderbar inszenierte, räumliche Distanz beim ersten Aufeinandertreffen von Greg und Rachel fand ich sehr schön, und die unauffällig schnittlose, wunderbar "geblockte" Einstellung bei einem Streit gegen Ende gibt der Szene erst seine emotionale Wirkung. Die Darsteller machen das aber auch sehr gut, Mit-Titelfigur Earl bekommt aber leider arg wenig zu tun.

Kritiker David Ehrlich nannte den Film ein "Das Schicksal ist ein mieser Verräter für Criterion Collection-Fetischisten" und das ist schon erschreckend nah an der Wahrheit. Der Film ist vollgepackt mit Referenzen an klassisches Arthouse-Kino, meistens beschränkt sich das zwar auf recht plattes Film-Namedropping und Soundtrack-Einspielen (letztes funktioniert aber meistens überraschend gut), aber in Zeiten, wo jede Form der Spielberg, Carpenter und John Hughes-Referenz im (Coming of Age-)Kino durchgearbeitet ist, ist das durchaus mal etwas Originelles und gibt dem Film eine, zumindest für mich, recht ansprechende Atmosphäre. Auch wenn die Anspielungen nie mehr als reine Ästhetik sind, und Richard Ayoades Nouvelle Vague-Liebeserklärung Submarine das Ganze etwas subtiler und cooler gemacht hat, gefiel mir dieser recht eigenwillige Nerd-Charakter des Films, wo einfach mal Taxi Driver mit Audiokommentar im Hintergrund einer Szene auf dem Fernseher läuft.
 
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