Doctor Who S35E01 - The Magician's Apprentice

Clive77

Serial Watcher
Mit der Folge „The Magician’s Apprentice“ (geschrieben von Steven Moffat) beginnt die neunte beziehungsweise 35. Staffel der UK-Serie Doctor Who. Viel Zeit zum Durchatmen bleibt dem Zuschauer hier nicht, denn mit Davros, Missy und den Daleks kehren gleich mehrere Erzfeinde des Doctors zurück. Da es sich hier um den ersten Teil einer Doppelfolge handelt, gibt es zudem einen Cliffhanger, der sich gewaschen hat.

Davros. My name is Davros.
Schon gleich die Eröffnung kommt mit einem Knall daher. Wir landen auf einem Schlachtfeld, mitten in einem Krieg, der von zwei Parteien geführt wird. Während die einen mit Pfeil und Bogen antreten, verfügen die anderen über eine Technologie, die aus einer fernen Zukunft zu stammen scheint. Der erste effektive und unheimliche Moment erwartet uns mit dem Minenfeld, welches aus Händen (mit Augen) besteht, die ihre Opfer in die Tiefe ziehen.
Das „Hand-Minenfeld“ ist dabei nur eine kleine Beigabe, aber zeigt uns erneut, wie kreativ die Macher der Serie sein können, wenn es gilt, den Zuschauer bei seinen Urängsten zu packen. Wir fiebern sogleich mit dem kleinen Jungen (Joey Price) mit, der sich inmitten der Hände wiederfindet. Plötzlich ertönt eine Stimme und wir sehen den Sonic Screwdriver – der Doctor (Peter Capaldi) ist zur Rettung eingetroffen. Aber als der Junge seinen Namen – Davros – bekannt gibt, ist nicht nur der Doctor schockiert.
If someone who knew the future pointed out a child to you and told you that that child would grow up totally evil [...] could you then kill that child?" – diese Frage stellte einst Tom Baker als vierter Doctor. Und genau diese Frage ist es, die nun den zwölften Doctor beschäftigt. In „Genesis of the Daleks“ hätte der vierte Doctor die Chance gehabt, die Daleks für immer zu vernichten (was übrigens im Verlauf der Serie tatsächlich schon mehrfach passiert ist, aber die Salzstreuer nie davon abgehalten hat, wieder aufzutauchen). Er tat es nicht, obwohl die Timelords ihn dazu drängten. Er meinte damals, er wäre nicht besser als die Daleks, wenn er diesen Genozid durchführen und die gesamte Spezies auslöschen würde. Wie wird unser Doctor sich entscheiden? Wird er den jungen Davros erschießen und damit den gesamten Verlauf der Dalek-Geschichte verändern? Alles auslöschen, was über Jahrzehnte in der Serie durch die Daleks passiert ist? Wohl kaum. Tut er es aber nicht, dürften Missy (Michelle Gomez) und Clara (Jenna Coleman) Geschichte sein. Vermutlich wird es eine Lösung dazwischen geben, aber ob die sich als befriedigend erweisen wird, bleibt abzuwarten.

Skaro
Es ist schon länger her, dass wir dem Heimatplaneten der Daleks beziehungsweise einst der Thals und Kaleds, die einen sehr langen Krieg miteinander führten, zu sehen bekamen. Eigentlich sollte der Planet dem Time War zum Opfer gefallen sein. Eigentlich. Aber genau so, wie Davros (Julian Bleach) und der Master (jetzt Missy) immer wieder auftauchen, obwohl sie im vermeintlich letzten Auftritt gestorben sind, erscheint nun auch Skaro wieder auf der Bildfläche.
Man muss diese erneuten Auftritte von vermeintlich besiegten Gegnern (und zerstörten Planeten) nicht mögen. Wie soll Davros seinen letzten Auftritt in „Journey’s End“ überlebt haben? Und wurde Missy nicht im letzten Staffelfinale ausgeschaltet? Wir bekommen keine Erklärung. Missy sagt lediglich: „Death is for other people, dear.“ – und trifft damit ziemlich genau den Kern im Umgang mit den größeren Erzfeinden des Doctors. Sie tauchen immer wieder auf. Punkt.
Monieren lässt sich da viel eher, dass es den Anschein hat, hier erneut die Geschichte von „Genesis of the Daleks“ in leicht anderer Verpackung erzählt zu bekommen – nur dass es nicht um die Entstehung der Daleks geht, sondern um die „Entstehung“ von Davros. „Who made Davros?“ – diese Frage kann gleichzeitig eine Antwort sein: „[Doctor] Who made Davros!“. Ob es tatsächlich darauf hinausläuft, dass der Doctor für Davros Werdegang verantwortlich ist, bleibt noch abzuwarten, erscheint nach dieser Episode aber recht wahrscheinlich. Sollte der Doctor aber für die Entstehung von Davros verantwortlich sein (und somit gleichzeitig für die Entstehung der Daleks), fühlt sich das falsch an. Was kommt dann als nächstes? Stellt sich irgendwann heraus, dass er auch indirekt die Cybermen ins Leben rief? Das wird allmählich alles zuviel.

Colony Sarff
Während der Doctor sich nach der Eröffnung erstmal für lange Zeit nicht in der Episode blicken lässt, machen wir Bekanntschaft mit Colony Sarff (Jami Reid-Quarrell), einer weiteren unheimlichen Kreatur (Anmerkung: „Sarff“ kommt aus dem Walisischen und bedeutet soviel wie „Schlange“), die im Auftrag von Davros den Doctor sucht. Davros liegt nämlich im Sterben und ersucht ein letztes Treffen mit dem Doctor.
Sarffs Suche zeigt uns dabei viele Dinge, von denen wir bereits gehört oder sie gesehen haben: Das Maldovarium, The Shadow Proclamation und Karn, wobei der Heimatplanet der Schwesternschaft bereits im Prolog zur Folge gezeigt wurde und wir diesen jetzt erst verstehen. Dabei treffen wir auf viele bekannte Gesichter und Kreaturen, aber das Fanherz schlägt erst so richtig hoch, als gegen Ende die Einspielungen der alten Doctoren kommen und Davros sein Anliegen präsentiert.
Es sind oftmals diese Momente, wenn vergangene Abenteuer des Doctors präsentiert werden, die uns klar machen, wie groß die Serie und ihre Mythologie mittlerweile geworden ist. Was Davros da auf seinem Bildschirm ablaufen lässt, sind Jahrzehnte. Wir sehen / hören Szenen aus „Genesis of the Daleks“, „Resurrection of the Daleks“, „Revolution of the Daleks“, „Remembrance of the Daleks“ und „The Stolen Earth“. Dabei besteht zwar jedes Mal die Gefahr, dass zu häufig an vergangene Zeiten erinnert wird und diese Einspielungen sich allmählich abnutzen, aber hier passt es ausgesprochen gut zur Episode.

Clara & Missy
Clara hat schon länger nichts mehr vom Doctor gehört. Aber als sämtliche Flugzeuge still im Himmel stehenbleiben, wird sie wieder aktiv und trifft im U.N.I.T. Hauptquartier auf Kate Stewart (Jemma Redgrave), um zur Lösung des Rätsels beizutragen.
Coleman macht ihre Sache gewohnt gut, aber was die Figur Clara betrifft, gibt es leider einiges zu meckern. Während sie in der letzten Staffel verstärkt für eine menschliche Sichtweise auf die Dinge zuständig war und vor allem durch emotionale Momente ihre Anwesenheit an der Seite des Doctors als wichtig deutlich machte, ist sie in „The Magician’s Apprentice“ schon fast zum Übermenschen geworden. So lässt sie dann auch die U.N.I.T. Leute ziemlich alt aussehen, wenn sie mal eben die richtigen Schlüsse zieht und auch den Aufenthaltsort des Doctors ausfindig machen kann – oder mit anderen Worten: Eine Lehrerin lässt hier das gesamte U.N.I.T. Team wie Idioten aussehen.
Glücklicherweise dauert es nicht lange bis Missy auf der Bildfläche erscheint und Clara ein wenig in die Schranken weist – auch wenn die verbalen und für uns teilweise witzigen Schläge bei ihr kaum Spuren hinterlassen. Im Gegenteil, Clara schlägt sich im Austausch mit Missy unerwartet gut – etwas zu gut, um wirklich überzeugend zu sein.
Michelle Gomez auf der anderen Seite stiehlt als Missy dafür Clara oft die Show. Sei es am Anfang als sie ihre Beziehung zum Doctor durch ein vorübergehendes Paar erklärt oder später als sie durch tanzen herausfindet, dass sie sich nicht auf einer Raumstation, sondern auf Skaro befinden. Gomez kann hier auf ganzer Linie überzeugen und hat sichtlich Spaß an ihrer Rolle.
Gelungen ist zudem, wie hier Missys Beziehung zum Doctor dargestellt wird. „An enemy is just a friend you don’t really know yet.“ – sagt der Doctor über Davros im Prolog. Den Master kennt er schon länger, und es ist nebenbei bemerkt nicht das erste Mal, dass Master, Doctor und Begleiter zusammenarbeiten - obwohl Missy in die Reihe seiner Erzfeinde gehört. Dieser Twist – das Team-Up von Missy und Clara, die später auch noch den Doctor begleiten – ist somit zwar nicht neu, aber der etwas andere Blick auf diese alte Feindschaft, die hier kurzzeitig beiseite gelegt wird, hinterlässt einen deutlichen Eindruck beim Zuschauer. So ist es nicht Clara, die das „confession dial“ (= Testament des Doctors) bekommt, sondern Missy. „Familie“ oder „Spezies“ geht eben doch vor.
Apropos „confession dial“ – ob wir wohl erfahren werden, was der Doctor dort beichtet? Oder wird es ähnlich wie die Frage nach seinem Namen nicht wirklich aufgelöst werden? Dieses kleine Gerät dürfte jedenfalls noch größere Bedeutung erlangen, womit wir nun auch zum Doctor kommen.

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Clive77

Serial Watcher
Rocktor Who
Dass Peter Capaldi in seiner Rolle aufgeht, konnten wir schon in der letzten Staffel beobachten. Aber wie sehr er die Rolle rockt, wird uns hier in einer geradezu aberwitzigen Szene – seinem Auftritt im Mittelalter – gezeigt. Nein, wir befinden uns nicht in „Bill and Ted’s Excellent Adventure“, Dude. Aber viel fehlte dazu nicht mehr.
So kann man es sich also vorstellen, wenn der Doctor ein bisschen „abhängt“. Aber bei all dem Spaß, der uns hier präsentiert wird, verliert man nicht aus den Augen, dass die Lage für den Doctor mal wieder sehr ernst wird. Durch die Übergabe seines Testaments wird erneut darauf verwiesen, dass auch ein Timelord irgendwann sein Ende findet.
Zwar hat das Thema vom Tod des Doctors bereits die fünfte Staffel ausgefüllt und wurde vor garnicht allzu langer Zeit mit dem Abschied von Matt Smith erneut aufgerollt. Aber als Damoklesschwert scheint es weiterhin brauchbar zu sein. Die Frage ist nur, weshalb der Doctor mit einem neuen Regenerationszyklus überhaupt der Meinung ist, dass sein baldiger Tod bevor steht. Oder ist das vielmehr als eine Art Metapher zu verstehen? Vielleicht wird die Frage, die sich der zwölfte Doctor ständig stellt – „Am I a good man (or a bad man)?“ – bald beantwortet, so dass ein wesentlicher Teil von ihm „stirbt“?
Eine erneute Behandlung des Themas in der üblichen Form wäre jedenfalls langweilig, weil bereits mehrfach gesehen. Da muss schon noch was anderes kommen, um uns aus den Socken zu hauen. Das Davros-Dilemma ist da schon vielversprechender und behandelt gerade wieder die moralische Frage nach der Identität des Doctors. Ist er gut oder ist er böse? Rettet er den Jungen, obwohl er weiß, was danach kommt oder tötet er ihn? Und welche Lösung ist überhaupt die gute?
Wir bekommen gezeigt, wie der Doctor den kleinen Davros im Minenfeld zurückließ. An Davros’ Werdegang hat sich dabei nichts geändert, aber die Tatsache, dass der jetzt im Sterben liegende Davros durch seine Daleks Clara und Missy exterminieren lässt – weil er sich an diesen Teil seiner Vergangenheit erinnert, fordert einen erneuten Eingriff des Doctors in besagter Vergangenheit. Es gilt schließlich, den Tod seiner „Freunde“ zu verhindern. Nur wie? Warten wir mal ab, wie viel Timey-Wimey uns in der Fortsetzung präsentiert wird.

Fazit: Nicht alles ist im Auftakt gelungen. Thematisch scheint sich einiges zu wiederholen und vor allem bei Clara beschleicht einen das Gefühl, es wäre besser gewesen, sie doch in der letzten Staffel zu verabschieden. Ihre Auftritte hier passten jedenfalls nicht so recht zu dem, was wir von ihr kennen. Abseits davon versteht der Staffelauftakt es aber prächtig, sowohl ernst als auch humorvoll zu unterhalten – was vor allem Missy und dem Doctor geschuldet ist. Teilweise vielleicht ein bisschen over the top und leicht überladen mit Figuren und Referenzen an vergangene Zeiten – aber gerade solche Folgen machen am meisten Spaß. So kommt es dann auch, dass sich „The Magician’s Apprentice“ wie der Auftakt zu einem Staffelfinale anfühlt, bei dem man die Auflösung kaum abwarten kann und nebenbei mit unheimlichen Momenten, tollen visuellen Effekten, guter Action und einem großen Dilemma daher kommt.

8/10 Zitate, die man sich merken sollte

Your chances of survival are about one in a thousand. So here’s what you do. You forget the thousand, and you concentrate on the one.

I try never to understand – it’s called an open mind.

Einer noch: See that couple over there? You’re the puppy. :ugly:
 
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