Supernatural S11E04 - Baby

Clive77

Serial Watcher
Die Folge "Baby" der US-Serie Supernatural ist etwas ganz Besonderes. Der Fall der Woche wird uns aus einer sehr ungewöhnlichen Sicht erzählt, es gibt eine neue Kreatur, mehrere gut eingefangene Momente zwischen den Brüdern und bei alledem wird der Staffelbogen nicht aus den Augen verloren.

Probably nothing, right?
Was machen Sam (Jared Padalecki) und Dean (Jensen Ackles), wenn es keine neue Spur in Richtung The Darkness, Metatron (Curtis Armstrong) oder Rowena (Ruth Connell) gibt? Richtig, sie halten Ausschau nach einem neuen Fall und reisen dafür zuweilen quer durchs Land – auch wenn es sich dabei nicht unbedingt um etwas Übernatürliches handelt. Probably nothing, right?
Als Zuschauer ist man an dieser Stelle schon gewohnt, dass nicht jede Woche große Sprünge in Sachen Staffelhandlung gemacht werden. Füllfolgen werden diese Art von Episoden oft bezeichnet und wenn die Machart hier nicht so Besonders gewählt worden wäre (mehr dazu aber erst später), dann hätten wir in der Tat diese Woche nichts weiteres als eine solide Füllfolge bekommen.
Es gibt eine neue Kreatur, die es zunächst zu identifizieren und aufzufinden gilt. Anfängliches Rätselraten gehört ebenso dazu wie ein paar kleinere Überraschungen, bevor Sam und Dean wissen, dass sie es mit einer Mischung aus Vampir und Ghul zu tun haben. Doch selbst wenn man den Fall der Woche losgelöst von der originellen Machart betrachtet, finden sich einige tolle Momente darin.
Wie zum Beispiel die Referenz auf die Alpha-Spezies, von denen wir schon länger nichts mehr gehört haben. Wir erinnern uns zwar noch dunkel an den Alpha-Vampir (Rick Worthy), aber der hat sich in "There Will Be Blood" mit den Worten „see you next season“ verabschiedet, ohne sein Versprechen je einzuhalten. Jetzt bekommen wir endlich einen Hinweis, dass die Macher die Alphas noch nicht vergessen haben – auch wenn der Auftritt des Ghoulpire-Alphas Deputy Donelly (Teach Grant) ebenso kurz ausfällt wie der der Jefferson Starships in "Mommy Dearest". (Die Bezeichnungen sind an dieser Stelle natürlich bewusst so gewählt – Dean hat den Bogen da schon gut raus.)
Während der Fall selbst sonst dem üblichen Schema folgt und eine annehmbar große Bedrohung in den Vordergrund stellt, die zudem noch schwer zu besiegen ist - wie köstlich waren bitte die Szenen mit dem abgetrennten Kopf, der weiterlebt oder Deans Kampf mit Lily Markham (Sarah-Jane Redmond)? - lernen wir allerdings auch noch ein wenig darüber, was The Darkness für die Monster bedeutet. Die fühlen sich nämlich ebenfalls bedroht, was dazu führt, dass eine sonst nur im tiefsten Untergrund aktive Spezies wie der Ghoulpire plötzlich versucht, seine Anzahl zu erhöhen und damit Risiken eingeht, die er sonst lassen würde. Und hier wohl auch besser gelassen hätten, denn mit dem Tod von Deputy Donelly dürfte die Spezies auch schon wieder hinüber sein. Happy End für alle bislang rekrutierten Menschen wie Lily (o.k. – ihr Mann bleibt natürlich trotzdem tot, aber immerhin waren ihre Kinder noch wohlauf).

The Darkness
Die Dunkelheit schwingt diese Woche zwar eher im Hintergrund mit, ist aber im Gegensatz zu anderen Füllfolgen präsenter. Denn diesmal sind es nicht bloß kleinere Erwähnungen zu Beginn und Ende der Episode, die uns kurz daran erinnern, welchen Gegner es für die Staffel nun zu besiegen gilt.
Sam und Dean führen ein ausgiebiges Gespräch über The Darkness – eine weitere, sehr positive Überraschung dieser Folge. Ein Teil dieser Überraschung ist die Rückkehr von Matt Cohen als Papa Winchester in jüngerer Form (auf Jeffrey Dean Morgan warten wir leider abermals vergeblich), der Sam in einem Traum beziehungsweise in einer Vision erscheint. Diese Vision ist dann auch der Aufhänger für das größere Gespräch zwischen Sam und Dean, welches einige von Sams Geheimnissen ans Tageslicht bringt – aus freien Stücken, denn er hätte Dean auch nichts von seinen Visionen erzählen können.
Obwohl Dean erstaunt ist, was ihm sein Bruder da alles verheimlicht hat, macht er ihm aber keine Vorwürfe. Der Dialog verläuft entspannt und – trotz der brisanten Thematik – sehr angenehm. Kein großes Trara darum, weshalb da irgendwas verheimlicht wurde – bloß zwei Brüder, die sich über ihre Träume austauschen, dem Problem der Dunkelheit entgegenblicken und genau wie wir darüber rätseln, ob Sams Visionen Nachrichten von Gott oder Teufel sind. Oder gar Nebenwirkungen der verschwiegenen Infektion.
Unterm Strich bekommen wir hier eine ausgesprochen gute BM-Szene (wir erinnern uns: „boy melodrama“, nicht „bowel movement“), in der die Winchesters über die Dunkelheit nachgrübeln. Etwas ernüchternd ist da allenfalls, dass neue Erkenntnisse ausbleiben. God helps those who help themselves – an sich nichts neues. Oder vielleicht doch ein versteckter Hinweis, dass der Allmächtige noch einen Auftritt bekommt?

Baby
Über die wohl wichtigste „Person“ dieser Folge haben wir bislang noch nicht gesprochen. Es gehört schon einiges an Mut und Experimentierfreudigkeit dazu, eine Episode aus der Sicht eines Autos zu erzählen. Langer Rede kurzer Sinn: Hut ab! Eine tolle Idee, die nahezu perfekt umgesetzt wurde.
Jede Szene findet im Impala statt. Wirklich jede. Der Regie, der Kamera, dem ganzen Supernatural-Team wird hier Unglaubliches abverlangt. Schließlich gilt es, die gesamte Geschichte nachvollziehbar zu gestalten – ohne dabei je das altbekannte Auto zu verlassen. Ungewöhnliche Blickwinkel sind dabei an der Tagesordnung, aber auch viel der beliebten Musik bekommen wir zu hören – wir sind sogar dabei, wenn Sam und Dean zu Bob Seger singen.
Eine ganz große Huldigung der heimlichen „Schwester“ der Winchesters – schließlich sind die Abenteuer der Brüder ohne „Baby“ kaum vorstellbar. Da schmerzt es schon ein bisschen, wenn das Auto im Verlauf der Folge immer mehr Schaden nimmt. Aber wir können uns sicher sein, dass Dean im Anschluss für alle nötigen Reparaturen sorgen wird.
Durch die zahlreichen Perspektiven aus dem Inneren des Impalas erhält die gesamte Episode eine andere Atmosphäre. Oft fühlen wir uns näher am Geschehen, sehen den Brüdern zum Beispiel dabei zu, was in den vielen Stunden auf den Straßen Amerikas alles so passieren kann. Stellenweise wird vielleicht ein wenig übertrieben und wenn schon gleich mehrere „günstig im Auto platzierte Gegenstände“ im Folgenverlauf benötigt werden (Haarnadel, Handtasche, Messer), wirkt das eventuell leicht aufgesetzt. Aber im Großen und Ganzen ließe es sich kaum besser machen. Und so Dinge wie der Witz mit dem Valet-Mädchen Jessie (Danyella Angel) passten trotz aller Übertreibung doch prima ins Bild.
Neben den amüsanteren Szenen (Castiels (Misha Collins) Anruf!) wurden auch die actionreichen und dramatischen (oben genannte BM-Szene) Anteile hervorragend eingefangen. Auch wenn die Idee, eine ganze Folge im Auto zu verbringen, nicht gerade als ein gut mögliches Konzept für eine Episode klingt, wird es hier nie langweilig. Außerdem hatte es den Anschein, dass das Verhältnis der Brüder zueinander im Auto weit entspannter ist, als wenn sie im Bunker über irgendetwas brüten. Einziges Manko: Sam als Frauenheld – auch wenn es amüsant gemeint war – kommt nicht so ganz glaubwürdig rüber.

Fazit: Ein riskantes aber gelungenes Experiment. Selten war ein Fall der Woche so originell wie hier gestaltet, denn die Machart alleine ist schon das A und O der Episode. Da blickt man gerne darüber hinweg, dass es zur Dunkelheit kaum neue Erkenntnisse gibt oder die Ghoulpires als Einmalgegner fungieren. Selbst gewisse Übertreibungen, die sich durchaus negativ interpretieren ließen, können nicht daran kratzen, dass die elfte Staffel hier mit ihrer bislang besten Episode glänzt.

9,5/10
 

Clive77

Serial Watcher
Och, die Musical-Folge letzte Staffel fand ich ähnlich gut. Kommt ehrlich gesagt auch nur selten vor, dass mich eine Füllepisode (was anderes war es ja im Prinzip nicht) so mitgerissen hat.
 

Woodstock

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War es wirklich eine Füllerepisode? Hat Sam nicht mit Gott gesprochen. Der eine spricht mit der Dunkelheit und der andere mit dem Licht "Und es war Licht!" :wink:
 

Mr.Anderson

Kleriker
Habe mir die Folge dann gerade mal angesehen. Die Sache aus Babys Sicht zu erzählen war gut umgesetzt, war aber leider nicht die Idee der Supernaturalmacher. Zufälligerweise haben sie den gleichen Film wie ich gesehen und die Idee gut geklaut. Der Film, von dem die Idee stammt, heißt VANish und kam Anfang des Jahres in die Videotheken. Der Film wird ausschließlich aus dem Inneren eines Vans erzählt. Ebenso wie Baby leidet der VAN im Laufe des Films erheblich und wird auch mehr und mehr mit Blut durchtränkt.

Wer mal sehen will, wie die Supernaturalmacher auf ihre Idee kamen, kann sich ruhig mal den, innerhalb von 13 Tagen abgedrehten, Film ansehen.
 
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