Supernatural S11E05 - Thin Lizzie

Clive77

Serial Watcher
In der Folge "Thin Lizzie" der US-Serie Supernatural gehen die Winchesters mysteriösen (Axt-)Vorfällen im Lizzie Borden Haus in Fall River, Massachusetts, nach. Was wie ein Fall der Woche beginnt, entwickelt sich in den Staffelbogen hinein.

Lizzie Borden
Der Fall „Lizzie Borden“ geht auf das Jahr 1892 zurück, als der Vater und die Stiefmutter von Lizzie Andrew Borden in Fall River, Massachusetts, ermordet wurden – mit einer Axt. Lizzie wurde als Hauptverdächtige damals vor Gericht gestellt und schließlich freigesprochen. Bis heute wird darüber spekuliert, wer die Morde begangen hat, auch wenn in der Folklore natürlich nur eine Person verantwortlich gemacht wird. Der Fall wurde aber niemals gelöst. Mehr dazu auf der deutschen oder englischen Wiki-Seite. Interessant übrigens, dass es das Lizzie Borden Haus tatsächlich zu besichtigen gibt und als Bed & Breakfast fungiert – aber das nur am Rande.
Es bietet sich selbstredend an, die Geschichte hier in einem Fall der Woche zu verarbeiten. Entsprechend erwartet der Zuschauer zu Episodenbeginn, eine mehr oder weniger gewöhnliche Geistergeschichte präsentiert zu kommen, zumal uns bereits der Vorspann vergangene Geister-Abenteuer von Sam (Jared Padalecki) und Dean (Jensen Ackles) in Erinnerung ruft.
Dem ist aber glücklicherweise nicht so. Wie unsere Jäger selbst recht schnell in Erfahrung bringen, haust kein Geist in dem alten Anwesen. Es wurde vielmehr zu einer Touristenattraktion umgewandelt, die ihren Bewohnern mit gewöhnlichen Mitteln das Gruseln lehren will. Aber wie kam es dann zu den aktuellen Morden?

Amara
Die Antwort auf diese Frage wird uns durch Amara (Yasmeene Ball) näher gebracht, die mittlerweile wieder aus der Hölle zurück ist und ihren Seelenhunger unter den Menschen stillt. Ball vermag es dabei, in ihrer Rolle als heranwachsende Dunkelheit zu überzeugen. Einerseits wirkt sie recht unschuldig bei dem, was sie mit Len (Jared Gertner) oder Sydney (Tess Atkins) anstellt. Andererseits ist da dieses unheimliche Gefühl, einem wachsenden Übel dabei zuzuschauen, wie es immer mächtiger wird, um … ja, was überhaupt?
Genau das Fehlen der Antwort auf diese Frage ist es, was uns zuweilen eine Gänsehaut beschert. Wir wissen noch nicht, worauf Amaras Entwicklung hinausläuft. Wir wissen nur, dass sowohl Himmel als auch Hölle sowie zahlreiche übernatürliche Kreaturen die Dunkelheit fürchten – und dass Amara sich auf ein baldiges Treffen mit Dean freut. Ihre Absichten bleiben aber weiterhin im Dunkeln, was vielleicht ein wenig enttäuschend ist, uns aber andererseits mit Spannung auf die große Enthüllung warten lässt.
Monieren könnte man hier aber, dass wir nicht erfahren, wie Amara mittlerweile zu Crowley (Mark Sheppard) steht. Hat er sie zurück an die Oberfläche geschickt, damit sie ihm seine Dämonen nicht wegfrisst? Oder hat sie von sich aus die Hölle wieder verlassen und agiert nun unabhängig vom King of Hell? In dieser Richtung wären ein paar Erklärungen durchaus wünschenswert gewesen, denn Crowley wird wohl kaum zusammen mit Cas (Misha Collins) auf der Couch sitzen und The Wire schauen.

The Darkness is coming
Der Hauptaspekt der Episode liegt diese Woche auf zwei Nebenfiguren – Len und Sydney – die durch Amara ihrer Seelen beraubt wurden. Während beide Charaktere die Auswirkungen spüren, könnten die Reaktionen aber kaum unterschiedlicher sein.
Auf der einen Seite haben wir Len, der von der Geschichte um Lizzie Borden begeistert ist und nach seinem Treffen mit Amara spürt, dass eben diese Begeisterung ihn verlassen hat. Seine Menschlichkeit ist dahin. Er weiß aber noch, wie er empfinden müsste, was richtig und was falsch ist. Was hier zunächst nach einem Fehler im Skript aussieht (sein erstes Treffen mit Dean), entpuppt sich später als ein Versuch, erneut auf Amara zu treffen, um im Endeffekt seine Seele zurückzuerhalten – was aber nicht möglich ist. Len bleibt uns während der Episode als eine gutgesinnte und auf nerdige Art liebenswerte Figur erhalten, was man unter anderem auch daran sieht, dass der einzige Mord, den er begeht, zur Rettung der Winchesters ausgeführt wurde. Len geht am Ende sogar soweit, dass er die Mordreihe auf sich nimmt, um im Gefängnis zu landen – aus Angst davor, dass er wie Sydney werden könnte.
Auf der anderen Seite haben wir Sydney, die durch den Verlust ihrer Seele eine Art Befreiungsschlag verspürt und jetzt die Dinge unternimmt, die sie mit so etwas wie einem Gewissen nie durchgeführt hätte. Sie ist dabei mit Blick auf ihre Hintergrundgeschichte eine eher tragische Figur und zählt nicht zu den reinrassigen Bösewichten, die ihre Taten nur begehen, weil sie … böse sind. Derartige Gegenspieler gibt es nicht sehr oft in der Serie, und in diesem Fall kann noch als Pluspunkt verzeichnet werden, dass der Zuschauer sie nicht gleich als Mörderin in Verdacht hat. Da hätte man eher auf Mrs. Kemper (Glynis Davies) getippt, auch wenn deren Rolle als Red Hering wiederum leicht offensichtlich war.
Insgesamt bekommen wir hier anhand von Len und Sydney gezeigt, wie unterschiedlich sich ein Seelenverlust auswirken kann. Und natürlich erinnert uns die gesamte Thematik auch an die sechste Staffel, als Sam ohne Seele unterwegs war – womit erneut ein Bogen zu vergangenen Abenteuern geschlagen wird und derartige Referenzen stets einen Mehrwert für die treuen Zuschauer bedeuten. In Bezug auf Sydney können wir uns allerdings fragen, ob Amara vielleicht genau dieses Verhalten bei (allen) Menschen bezwecken will und dahingehend Len vielleicht nur ein Fehlschlag war. Insofern könnte Sydneys glühende Verehrung von Amara ein Hinweis darauf sein, was die Dunkelheit bei den Menschen bezwecken will.

Winchesters
Zu guter Letzt noch ein paar Worte zu Sam und Dean. Anfangs stand noch der Humor im Vordergrund mit Sam als Serienkillerfan („It’s not a fetish…“) und Dean als jemanden, der das Bed & Breakfast am liebsten gleich wieder verlassen hätte („Bottled toilet water? Why do you keep spraying it?“). Später werden die Brüder dann auf den Stand der Zuschauer gebracht, denn bislang wussten sie noch nicht, dass Amara mittlerweile als Heranwachsende unterwegs ist. Sie haben jetzt also eine ungefähre Vorstellung davon, wie schnell sich The Darkness entwickelt.
Eine größere, dramaturgische Unterhaltung zwischen den beiden bleibt allerdings aus. Dean hätte die Gelegenheit gehabt, von seiner ominösen Verbindung zur Dunkelheit zu berichten und nimmt die Möglichkeit nicht wahr. Das ist insofern schade, weil Sam bereits seine Geheimnisse gebeichtet hat – da wäre Dean nun „an der Reihe“ und so Hinweise wie das Kainsmal (welches Dean als Zeichnung bei Len entdeckt und damit erst auf Amara kommt), hätten sich doch gut dafür angeboten, dass auch der ältere Bruder mal wieder reinen Tisch macht.
Es war allerdings sehr gut mit anzusehen, dass neben den Brüdern auch Baby wieder ohne eine Schramme unterwegs war.

Fazit: Unterm Strich eine überraschend gute Episode. Größere Enthüllungen blieben zwar aus, was vor allem in Bezug auf Amara gilt, aber das Thema über seelenlose Menschen macht "Thin Lizzie" – auch wegen guter Gastdarsteller - zu einer besseren Folge, als es die 08/15-Geistergeschichte vermag. Bislang schlägt sich die elfte Staffel sehr gut und macht deutlich Lust auf mehr.

7,5/10
 
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