Story XL - Das Paket

Woodstock

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Anmerkung des Autors:

Aus dem Anfang der folgenden Geschichte ist eine Gesinnung rauszulesen, die nicht die des Autors wiederspiegelt.



Er rannte die Treppe rauf. Seine Lunge brannte. Fünfter Stock. Hier würde er es versuchen. In diesem Stockwerk war irgendwo eine der Wohnungen, von denen man ihm versichert hatte, dass sie leer stehen. Unter der Türmatte fand er wie angegeben den Schlüssel. Er schloss hinter sich ab. Das Licht ließ er aus. Die Staatsbeamten, die ihn verfolgten, würden sicher nicht alle Wohnungen durchsuchen, aber vielleicht würden sie neugierig werden bei der einzigen Wohnung, in der um drei Uhr nachts noch Licht brannte.
Er ging in eines der hinteren Zimmer, das Schlafzimmer, und setzte sich an die hintere Wand, wo er teilweise vom Bett verdeckt wurde. Er überprüfte seinen Rucksack, ob das Paket noch da war, dass er abliefern sollte. Der Anführer seiner Brigade hatte ihm eingeschärft, dass das Paket unbedingt sein Ziel erreichen musste. Die Zukunft aller Brüder und Schwestern würde davon abhängen.

Nach allem, was man ihm beigebracht hatte, was ihm erzählt wurde und was er gelesen hatte, war die Zukunft seine Brüder und Schwestern schon seit 200 Jahren ständig in Gefahr. Die Brüder und Schwestern stammten aus dem Gebiet, dass zu den Ländern Syrien, Irak, Iran und Afghanistan gehört hatte. Das Gebiet trug schon lange einen anderen Namen, der ihm aber nicht einfallen wollte, da es bei seinesgleichen nicht gerade populär war, den Namen zu kennen. Es war um 2015 rum gewesen, dass seine Leute aus den Gebieten nach Europa ausgewandert waren. Sie hatten sich in allen möglichen Ländern niedegelassen. Von Portugal bis zur Ukraine, von Italien bis Skandinavien. Sie waren überall verstreut. Anfangs war alles friedlich. Irgendwann sollen dann alle gleichzeitig zugeschlagen haben. In ganz Europa habe es Anschläge gegeben. Hier gingen Bomben hoch, dort schossen Männer mit Waffen Einheimische nieder und wieder woanders mordeten Männer und Frauen mit Machten. In allen Ländern brach Panik aus. Polizeistationen und Militäranlagen wurden eingenommen. Es sah so aus, als könnten Sie ihren Plan, Europa durch Einwanderung zu unterwandern und dann unter ihre Kontrolle zu bringen, erfolgreich umsetzen. Aber dann hatten die Streitkräfte Europas doch zurück schlagen können. Hatten die Invasoren besiegt und die Überlebenden auf den Platz verwiesen, den sie heute in der Gesellschaft einnahmen.

Er hörte Stimmen im Stockwerk. Mehrere Männer, die miteinander sprachen. Dann flog die Tür zur Wohnung auf. 'Verdammt. Sie haben mich gefunden.' Er zog seine Waffe. Er musste das Paket schützen. Wenn's sein müsste, mit seinem Leben. Er hörte langsame, leise Schritte, durch die Wohnung gehen. Sie suchten sie ab. Mit der Waffe im Anschlag lehnte er sich auf das Bett. Die Schritte kamen näher. Plötzlich wurde er geblendet. Er schoss mehrmals in die Richtung des Lichts. Dann spürte er einen Schmerz in der Brust bevor ihm eine zweite Kugel die rechte Augenhöhle wegriss und er zu Boden sackte.

"Ist er erledigt, Andi?" fragte ein Mann in Kampfmontur und Basecap.
"Jap, hab ihn gut erwischt. Der steht nicht wieder auf." antwortete der Schütze, nahm sein zum Kopftuch gefaltetes Bandana ab und wischte sich die Stirn damit ab.
"Und was ist mit, Benni?" erkundigte sich ein dritter Mann mit Stetson.
Andi bückte sich zum letzten Mann des Quartetts, der auf dem Boden lag. Neben ein paar Treffern im Oberkörper hatte er ein weiteres Loch knapp unter seinem Stirnband.
"Den hat es leider auch erwischt."
"Verdammt. Das hätte nicht passieren dürfen."
"Stimmt. Aber das ist jetzt erstmal Nebensache. Thomas, überprüfe, ob er das Paket bei sich hat."
Thomas holte den Rucksack, öffnete ihn und entnahm ihm einen Aktenkarton. "Sieht gut aus. Vielleicht sollten wir einen Blick reinwerfen, um sicher zu gehen, dass es nicht nur ein Köder ist. Andi? Dennis?"
"Nein, auf keinen Fall. Unser Befehl lautet, das Paket abzufangen und zum Hauptquartier zu bringen." Dennis war gerade dabei gewesen, sein Bandana wieder zurecht zu rücken und stand ob Thomas Frage noch immer mit den Händen am Kopf da.
"Doch, ich denke, dass Thomas Recht hat. Wir sollten uns vergewissern."
Dennis sah ihn ungläubig an und erhielt ein leichtes Nicken als Antwort. Etwas resignierend sagte er: "Na gut......na gut, dann mach den KArton auf und sieh nach."
Thomas nahm den Deckel an, nahm die oberste Akte raus und blätterte sie durch.
"Was zum.....was verdammte Scheiße ist das?"
"Genau das, wonach es aussieht." Thomas sah noch im Augenwinkel den Lauf von Andis Waffe bevor dieser abdrückte.
Nachdem sein toter Körper zu Boden gegangen war, fragte Dennis ihn: "Musste das jetzt sein? Vielleicht hätten wir mit ihm reden können."
"Glaubst du wirklich, dass er uns angehört und dann unserem Vorhaben zugestimmt hätte?"
"Nein. Nein, wahrscheinlich nicht. Aber warum hast du dann Omar erschossen? Wir hätten Thomas dann doch gleich erschießen und unser Vorhaben zusammen mit Omar durchziehen können."
"In der Situation? Omar wusste nichts von uns und unserer Gruppe. Er hätte vielleicht gar nicht realisiert, dass wir einen eigenen Mann mit Absicht erschossen haben und hätte einfach weiter auf uns geschossen."
"Ja. Ja, okay. Du hast Recht. Aber was nun? Was steht nun genau in den Akten? Was du zu Thomas gesagt hast, bevor du ihn erschossen hast, klang so als wüsstest du es."
"Ralf und ich sind vor langer Zeit auf ein Dokument gestoßen. Allein hätte es keine Beweiskraft gehabt, aber was drin stand, hat uns einen Eindruck verschafft, aus dem wir einen Schluss darüber gezogen haben, was genau der Allgemeinheit verschwiegen wird. Deswegen haben wir die Gruppe überhaupt erst gegründet. Sieh dir die Akten an und sag mir deine Meinung."
Dennis blätterte durch ein paar Akten, las hier und da etwas und sah dann zu Andi auf.
"Wenn ich das hier richtig rauslese, werden wir seit Generationen belogen."
"Genau das haben Ralf und ich uns auch gedacht. Korrigiere, wenn ich mich irre, aber nach dem was du gelesen hast, sieht es doch folgender Maßen aus:

Etwa 2015 sind tatsächlich ein paar Millionen Syrier, Iraner, Iraker und Afghanen aus ihren Länder nach Europa ausgewandert. Aber nicht etwa, um eine geheime Invasion zu starten, sondern, weil ihr Leben von einer oder mehrerer fanatischer Gruppen in ihren Ländern bedroht wurden, die bürgerkriegsartig durch die Länder zogen und andersgläubige ermordeten."
"Ja, genau. Hier wird eine Gruppe namens Taliban erwähnt. Und eine weitere namnes IS. Wofür das steht, habe ich noch nicht gelesen."
"In Europa ging es nun damit weiter, dass die Flüchtenden in Begrenzte Gebiete gehalten wurden. Überall gab es Einheimische, die sich von den überwiegend friedlichen Flüchtlingen bedroht fühlten; Brandanschläge auf Unterkünfte der Flüchtlinge verübten, einzelne von ihnen auf der Straße totprügelten und so weiter.
Als dann schließlich einige wenige Kriminelle Flüchtlinge an Frauen vergingen, andere überfielen und ähnliches kochte die Stimmung insgesamt über. Immer mehr Einheimische, ob nun in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Ungarn oder wo auch immer griffen Flüchtlinge an. Irgendwann schlugen die Flüchtlinge, quasi in die Ecke gedrängt, geballt zurück, so dass schließlich die Streitkräfte der Länder eingreifen mussten. Die meisten Flüchtlinge wurden getötet."
"Ja. Und dann griffen Europas Streitkräfte Syrien und die anderen Länder an. Vernichteten die Taliban und IS und besetzten die Länder."
"Und dann sorgten sie dafür, dass die Geschichte umgeschrieben wurde. Nun waren es die bösen Syrier, Iraker, Iraner und Afghanen, die Europa per Einwanderung einnehmen wollen."

Es trat eine Stille zwischen den beiden ein.
"Was machen wir jetzt?" fragte Dennis schließlich.
"Die Akten zur Gruppe bringen, damit unsere IT Jungs sie scannen und über das Internet in die Welt verteilen können."
Wieder eine kurze stille Pause.
"Das wird alles verändern."
"Ja, das wird es." Andi lächelte Dennis an. Ein Lächeln legte sich auch über sein Gesicht. Er packte die Akten in den Karton, den Karton in den Rucksack und dann verließen sie die Wohnung, um die Unterlagen zu ihren Freunden zu bringen. Und um dann die Wahrheit zu verbreiten.
 

Revolvermann

Well-Known Member
Ich finde die Grundidee total gut. Leider wirkt sie in dieser Kürze etwas plakativ. Nur meine bescheidene Meinung. :smile:
Ich finde es übrigens total schwierig die Geschichten zu kritisieren, weil die Autoren das auch lesen. :squint: Da steckt ja auch immer ein gewisses Maß an Arbeit drin und ich möchte am liebsten immer sagen "gut gemacht" damit sich niemand angegriffen oder mies fühlt. :sad:
 

Schneebauer

Targaryen
Puh, plakativ triffts ganz gut. Das schreit mir zu sehr nach Holzhammer. Abgesehen davon, dass dieser "Hey seht her, aktuelles Thema. Verschwärongstheorie! Lügenpresse!" Subtext zu gewollt ist, bin ich sicher, die Geschichte hätte man so auch in einer fiktiven Zeit mit fiktiven Ländern schreiben können. Lässt man diesen politischen Unterton - ob nun Meinung des Autors, oder nicht - mal aussen vor, hat man eine allseits bekannte Idee des Staatskomplotts, die zu kurz und unausführlich ist um wirklich überzeugen zu können. Sorry. :sad:
 

Jizzle

Well-Known Member
Ich find es krass wie sehr die Geschichte nach dem gestrigen Abend wirkt, obwohl sie es nicht sollte. Musste heute Morgen jedenfalls sofort an die Geschichte denken.
 

Sittich

Well-Known Member
Eine kurze Geschichte, die einige Seiten mehr benötigt hätte. So wirkt sie wie von Revolvermann und Schneebauer bereits angesprochen recht oberflächlich. Gut fand ich trotzdem, wie das Thema "Auf der Flucht" bereits mit dem anfänglichen Szenario abgefrühstückt erscheint, bevor noch viel weiter ausgeholt wird und dieses dystopische (?) Szenario aufgebaut wird.

Der Schreibstil war zweckmäßig. Ein paar holprige oder unglückliche Formulieren wie diese

Woodstock schrieb:
Nachdem sein toter Körper zu Boden gegangen war, fragte Dennis ihn: "Musste das jetzt sein? Vielleicht hätten wir mit ihm reden können."
waren dabei, aber im großen und ganzen ließ sich das gut lesen.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Nicht schlecht, aber ich muss mich meinen Vorrednern anschließen: Die Geschichte hätte etwas ausführlicher sein können. Besonders in der zweiten Hälfte liest sie sich eher wie einer Zusammenfassung, wo in ein paar Zeilen eine Entwicklung beschrieben wird, die Jahrzehnte lang gedauert hat.
Ein paar Formulierungen waren wirklich etwas unglücklich, wie zum Beispiel:
Es sah so aus, als könnten Sie ihren Plan, Europa durch Einwanderung zu unterwandern...

Finde die Geschichte aber trotzdem nicht schlecht, nur halt ausbaufähig.
 

Clive77

Serial Watcher
Kann mich hier leider auch nur den Vorrednern anschließen. Insgesamt ist der Text zu kurz und ähnelt eher einer Situationsbeschreibung als einer flüssigen Geschichte. Mit mehr Text hätte sich diese Beschreibung sicher unauffälliger in die Story einfügen lassen.
Das Thema ist natürlich brisant und die Grundidee finde ich auch nicht schlecht, aber das Szenario als solches, was hier präsentiert wird, sagt mir leider nicht zu.

Zum Stil haben Tyler und Sittich schon was aufgezeigt. Fand die beiden Stellen auch etwas unglücklich formuliert, aber den Text im Großen und Ganzen sehr ordentlich.

Punkte? Weiß ich noch nicht genau, muss erst noch andere Geschichten lesen.
 

Woodstock

Verified Twitter Account ☑️
Vielleicht nicht ganz mein Szenario und ab und an ist eine Formulierung misslungen aber insgesamt sit die Sotry nicht schlecht!

Wird wahrscheinlich den Wettbewerb gewinnen und ich kann verstehen warum. Mal sehen, ob ich Punkte gebe.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Die Anderen haben eigentlich schon alles gesagt. An und für sich eine nette Idee und was an Geschichte da ist, ist auch nicht schlecht erzählt, aber insgesamt einfach zu wenig. Insbesonders um die Geschichte ordentlich zu entfalten.

Wohl eher kein Kandidat für Punkte.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Da war doch noch was....die hier ist von mir.

Der Grundgedanke (also "geschichtliche Ereignisse" und wie es wirklich war), kam mir schon zu Beginn des Wettbewerbs. Mir fiel nur nichts ein, womit man dem ganzen etwas Leben einhauchen kann, also hatte ich keine Geschichte geschrieben.

Dann hieß es 1,5-2 Stunden vor Abgabeschluss, dass es wohl nur zwei Geschichten sind. Das hätte ich doof gefunden und hab deshalb geguckt, dass ich doch noch was zustande kriege. Das kurze Ergebnis habe ich dann ohne Korrekturlesen gerade noch zeitlich hinbekommen. Ich muss allerdings sagen, dass ich nicht sicher bin, dass mir groß was eingefallen wäre, womit ich sie noch etwas hätte strecken können.

Grund für die Geschichte war, dass man im I-Net ja doch immer mal wieder was von Vergewaltigungen, Angriffen und anderen Dingen liest, die von Asylanten begangen worden sein sollen und wo dann gar nichts dran ist. Gerüchte gestreut von Rechten, die Stimmung gegen die Asylanten machen wollen.

Meine Geschichte sollte das ganze nun auf eine höherer Ebene bringen, quasi auf die Spitze treiben, in der eine Gesellschaft eine Geschichte über ihre Vergangenheit erzählt bekommen hat, die sich in Wahrheit ganz anders zugetragen hat. Wo die "Bösen" aus sich die "Guten" gemacht haben.

Ist das nun in seiner Kürze oder überhaupt plakativ? Vermutlich schon. Stört mich jetzt aber nicht. War ja durchaus gewollt, dass deutlich wird, worauf ich hinaus will.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Ich fand sie nicht plakativ, aber "zusammengefasst", wie eine Synopsis zu einem Roman.
Habe mir schon gedacht, dass es jemand in letzter Minute geschrieben hat. :squint: War aber auf jeden Fall gut, dass du doch noch mitgemacht hast.
Manny schrieb:
Meine Geschichte sollte das ganze nun auf eine höherer Ebene bringen, quasi auf die Spitze treiben, in der eine Gesellschaft eine Geschichte über ihre Vergangenheit erzählt bekommen hat, die sich in Wahrheit ganz anders zugetragen hat. Wo die "Bösen" aus sich die "Guten" gemacht haben.
Quasi wie in Orwells "1984"? :wink:
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
War das so? Ist schon zu lange her. Wenn ich nicht noch so viel anderes lesen wollen würde. würde ich 1984 direkt nochmal lesen.
 
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