Filmfestivals 2016 - Thread

TheRealNeo

Well-Known Member
Auch hier entstehen ja kaum Diskussionen über die Filme, da die wenigsten die Möglichkeit haben auf die Festivals zu gehen und - das wissen nur wenige - bei den großen Festivals ja nur wirklich die Berlinale auch ein Publikumsfestival ist. Ansonsten sind die Sichtungen der Filme ja beschränkt für die Presse/Filmschaffende.

Deshalb kann man den Thread mehr nutzen um z.B. auf Festivalfilme hinzuweisen welche im Laufe des Jahres auch dem Rest der Öffentlichkeit durch Kinorelease o.ä. zugänglich werden.

Aktuell läuft ja die Berlinale, wo ich ggf. oder auch gerne andere auf Filme hinweisen können. :smile:
 

TheRealNeo

Well-Known Member
24 WOCHEN (Deutschland 2016, R: Anna Zohra Barrached)

Den Anfang macht der einzige deutsche Wettbewersbeitrag.

Berrached erzählt von der erfolgreichen Kabarettistin Astrid Lorenz (Julia Jentsch), die mit ihrem zweiten Kind schwanger ist und eines Tages erfährt, dass es mit einem Down-Syndrom zur Welt kommen wird. Wie stark das Kind behindert sein wird, können die Ärzte nicht sagen. Bis zur vierundzwanzigsten Schwangerschaftswoche hat Lorenz das Recht, es abtreiben zu lassen. Doch Astrid und ihr Freund Markus (Bjarne Mädel) beschließen, dass sie das Kind haben wollen. (spiegel.de)

Trailer

Es spricht natürlich Bände, wenn es nur ein Film in den Wettbewerb schafft, aber gleichzeitig ist ja auch Festivalleiter Dieter Koslick immer bedacht auf Abwechslung im Programm.
Hier neben Julia Jentsch (DIE LETZTEN TAGE DER SOPHIE SCHOLL) ist u.a. Bjarne Mädel dabei, den die meißten hier wahrscheinlich als Ernie aus STROMBERG kennen oder aus DER TATORTREINIGER, hier in einer ernsteren Rolle.
 

TheRealNeo

Well-Known Member
WIR SIND DIE FLUT (Deutschland 2016, R: Sebastian Hilger)

SCIFI-Drama aus Deutschland! Läuft ausser Konkurrenz. Premiere ist am Freitag.

Vor 15 Jahren ist vor der Küste von Windholm das Meer verschwunden, an einem Morgen, einfach so. Die Ursache ist bis heute ungeklärt.

Micha (Max Mauff) und Jana (Lana Cooper), zwei junge Physiker aus Berlin machen sich auf, der naturwissenschaftlichen Anomalie auf den Grund zu gehen. Micha hat nach Jahren der Forschungsarbeit, die er in das Projekt bereits gesteckt hat, von der Universität eine Absage für die weitere Untersuchung erhalten und fährt ohne offizielle Erlaubnis nach Windholm, um seine Hypothese auf eigene Faust zu überprüfen. Jana hat ihn vor einem Jahr mit dem Projekt sitzen gelassen und ist nach Portugal abgehauen, nun schließt sie sich ihm spontan an, um mit ihm zu reden.

In Windholm werden die jungen Wissenschaftler mit dem kläglichen Rest einer Dorfgemeinschaft konfrontiert, die ihr eigenes Trauma zu verarbeiten hat. An dem Tag, an dem das Meer verschwand, hat es ihre Kinder mit sich genommen. Das behaupten die Dorfbewohner. Doch sind die Kinder damals wirklich ertrunken? Ihre Leichen wurden nie gefunden. (rbb-online.de)


Trailer
 

Joel.Barish

dank AF
Ja, so funktioniert das mit den jährlichen Festivals sicherlich besser. Gute Sache.

24 Wochen; na ja, schön Julia Jentsch mal wieder in was Handfestem zu sehen. Ist ne Weile her. Sie gehört zu einer Generation von Schauspielerinnen (mit u.a. Katharina Schüttler, Sandra Hüller, Johanna Wokalek, Karoline Herfurt) die in den letzten zehn Jahren eigentlich jedes Jahr mindestens einen herausragenden Film/eine besondere Rolle haben müssten, aber froh sein müssen, wenn's einmal innerhalb dieser zehn Jahre geklappt hat. Denn die Verfehlungen des deutschen Films beschränken sich ja nicht nur auf die Welt des Genre- und Unterhaltungsfilms, sondern auch was den ernsten Film bzw. so genannten europäischen Arthousefilm betrifft. Aber na ja. Das dieser hier eine Produktion fürs Kleine Fernsehspiel des ZDF ist, sieht man leider sofort. Was nicht schlecht sein muss, dem Ganzen aber sofort Grenzen setzt. Und sicherlich kann man einen Plot wie diesen auch noch wesentlich seichter und tränenreicher aufziehen, aber wirklich neugierig macht der Trailer nicht. Leider.

Wir sind die Flut; erfreulich "anders", aber wirkt irgendwie auch wie aufgesetzte Phrasendrescherei. Ich weiß nicht, ob das nur der Trailer suggeriert, aber diese "als das Meer verschwand" Metapher scheint mir etwas übermotiviert. Und ja, einige Bilder erinnern sicherlich nicht zufällig an "Interstellar". Hier ist die Neugierde durchaus geweckt, wenn auch mit einer gewissen Skepsis. Aber die Musik - das kann doch nur Max Richter sein, oder? Neo, du kennst dich da doch aus.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Darf man hier auch schreiben, wenn man einen Film selbst gesehen hat? Habe 24 Wochen nämlich gesehen und wollte sowieso an anderer Stelle etwas dazu schreiben, aber da es hier ja grade fast so etwas wie eine Diskussion gibt packe ich das mal hier rein. Was ich nach, oder auch während dem Film, ganz interessant finde, ist die Frage, wie sehr sich ein Film gegen Kritik immun macht, wenn er ein schwieriges und wichtiges Thema anpackt, dessen sich kaum ein Film annimmt, und das dann auch noch eine filmische Aufarbeitung von Erlebnissen der Regisseurin ist? Ich denke man kann 24 Wochen kaum vorwerfen, dass er sich schlecht mit dem Thema, wann und wie kann ich mich als Mutter und Eltern dazu entscheiden, eine Schwangerschaft abzubrechen? Wann kann man urteilen, ob das Leben eines ungeborenen Menschen nicht lebenswert ist, befasst. Das ist definitiv ein bestens recherchierter Film, der sich auch traut wahnsinnig unangenehm und nicht wertend zu sein. Und trotzdem gibt es einiges, dass ich am Film zu bemängeln habe. Bei der jegliche Spur von Originalität vermissenden Inszenierungen mit seiner langweilig Realismus-implizierenden dauernden Handkamera kann man anfangen, ist dann aber auch nicht ganz so wichtig. Was mir noch viel weniger gefiel, ist wie einfach es sich der Film zuweilen macht. Das Thema heiligt dann vielleicht auch doch nicht alle Mittel des filmischen Erzählens, und was einem im unglaublich unsubtilen letzten Drittel an Dramatik und Emotionen präsentiert wird wirkt sicher, ist aber auch mit Vorschlaghammer vorgesetzter Betroffenheitskitsch. Natürlich kann man irgendwann kaum anders als schwer schlucken, wenn eine Abtreibung komplett auf die Leinwand gebannt wird. Ob das aber hätte sein müssen? Das Phrasenschwein freut sich, aber weniger ist manchmal eben doch mehr. Und das steht dann auch im argen Gegensatz zu so befremdlich unnötigen wie selbstgefälligen Gastauftritten von zB Dieter Nuhr und anderen "Personen, der Öffentlichkeit," die sich hier selbst spielen um wohl etwas Realismus in die ein bisschen in der Medienlandschaft angesiedelten Geschichte zu bringen, aber eher aus dem eigenen Realismusanspruch reißen, als ob man Pastewka oder Curb Your Enthusiasm anschauen würde, aber rein gar nichts zum Film beitragen. Das hier einige Ärzte und Pfleger ebenfalls sich selbst spielen erschien mir auch so zwiespältig, wie auf gewisse Art selbstgefällig. Und zwiespältig lies mich der ganze Film zurück, und ich bin mir nicht sicher, wie sehr ich meine Kritik am Film wirklich negativ werten möchte. Und dann komme ich irgendwann auch wieder zur Anfangsfrage zurück.
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Zu deiner ersten Frage: Natürlich! Wie kann man mehr einen Festivalfilm unterstützen bzw. das Interesse schüren, wenn nicht durch eine Sichtung.

Ich denke ein Film kann nur durch seine Thematik nicht immun gegen Kritik werden, denn am Ende geht es trotzdem erstmal wieder darum was er dafür für filmische Mittel einsetzt und wie er das macht. Gelingt dies oder nicht? Ich finde das kann man schon unabhänging vom Thema des Films bewerten. Bei SCHINDLER'S LIST würde man bei der schwarz-weißen Farbgestaltung bei der Bewertung natürlich die Thematik mit einschließen beispielsweise, aber genauso, wenn nötig, Kritik daran äussern können.
Willst du dem Film keine negative Kritik geben oder negative Punkte aufführen, da es dir scheint, dass er ein wichtiges Thema aufgreift, was den Film unbedingt sehenswert macht?

Hast du den Film auf der Berlinale gesehen oder hat der auch andernorts schon Previews o.ä.? :smile:
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Ja, habe den auf der Berlinale gesehen.

Negative Punkte bringe ich ja an, und die haben mir dann in der Form auch wirklich nicht gefallen, aber wie du sagst, finde ich trotzdem, dass die Thematik allein den Film schon sehenswert macht, ein bisschen zumindest, weil das etwas ist, worüber man nicht gerne redet, und auch keine Filme macht. Gesprächsstoff bietet der Film sicher, und das ist ja manchmal auchs chon einiges wert.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Ja, habe noch Fuocoammare gesehen, eine italienische Dokumentation über die Insel Lampedusa, geografisch die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge, die aus Afrika kommen. Der Film stellt dabei zwei Handlungsstränge gegenüber, einen sehr herzigen über einen Jungen, der dort aufwächst und einen über den täglichen Flüchtlingszustrom. Die Mischung ist etwas eigenartig, aber der Film schafft es recht gut witzig und unterhaltsam als auch schockierend und tragisch zu sein, auch wenn man irgendwie auf eine Pointe wartet, die nicht kommt.

Hätte gerne noch mehr gesehen, meine Planung war aber etwas schlecht. Bei einem potentiellen nächsten Mal weiß ich dann eher, wie man gut an Karten kommt (Tipp: Nicht am Eröffnungstag anreisen). :squint:
 

TheRealNeo

Well-Known Member
TheRealNeo schrieb:
WIR SIND DIE FLUT (Deutschland 2016, R: Sebastian Hilger)

SCIFI-Drama aus Deutschland! Läuft ausser Konkurrenz. Premiere ist am Freitag.

Vor 15 Jahren ist vor der Küste von Windholm das Meer verschwunden, an einem Morgen, einfach so. Die Ursache ist bis heute ungeklärt.

Micha (Max Mauff) und Jana (Lana Cooper), zwei junge Physiker aus Berlin machen sich auf, der naturwissenschaftlichen Anomalie auf den Grund zu gehen. Micha hat nach Jahren der Forschungsarbeit, die er in das Projekt bereits gesteckt hat, von der Universität eine Absage für die weitere Untersuchung erhalten und fährt ohne offizielle Erlaubnis nach Windholm, um seine Hypothese auf eigene Faust zu überprüfen. Jana hat ihn vor einem Jahr mit dem Projekt sitzen gelassen und ist nach Portugal abgehauen, nun schließt sie sich ihm spontan an, um mit ihm zu reden.

In Windholm werden die jungen Wissenschaftler mit dem kläglichen Rest einer Dorfgemeinschaft konfrontiert, die ihr eigenes Trauma zu verarbeiten hat. An dem Tag, an dem das Meer verschwand, hat es ihre Kinder mit sich genommen. Das behaupten die Dorfbewohner. Doch sind die Kinder damals wirklich ertrunken? Ihre Leichen wurden nie gefunden. (rbb-online.de)


Trailer

Nach der gestrigen Premiere konnte ich bei kino-zeit nun eine eher ernüchternde Kritik finden: Hier

"Könnte es am Anfang noch eine Folge von Akte X sein, nimmt die Geschichte im weiteren Verlauf immer mehr lyncheske Züge an. Warum tun sich deutsche Filmemacher eigentlich oft so schwer damit, einen einfachen Genrefilm zu drehen? Wie auch immer die Antwort lautet, es ist jedenfalls sehr schade, denn die Prämisse von Hilgers zweitem Spielfilm ist spannend und hätte Potenzial gehabt. Was genau ist da schiefgegangen?"
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Gestern Abend wurden nun auch die Preise verliehen.

Den goldene Bären erhielt der italienische Dokumentarfilm FUOCOAMMARE (Feuer auf See) von Gianfranco Rosi, den Gonzo ja bereits weiter oben kurz vorgestellt hatte. Hier noch ein Trailer.
Der silberne Bär, welcher gleichzeitig der Große Preis der Jury ist und dem zweitbesten Fillm gewidmet wird, ging an TOD IN SARAJEVO (Smrt u Sarajevu / Mort à Sarajevo) von Danis Tanović (gewann 2002 bereits den Oscar für den besten fremdsprachigen Film mit NO MAN'S LAND). Der Film spielt nur in einem Hotel und versucht mit den Räumen und den Personen, die in ihnen leben ein ganzes Panorame einer Gesellschaft wiederzugeben.
Ausschnitte findet man hier: Tod in Sarajevo - Clips
Der Alfred-Bauer-Preis, benannt nach dem ersten Leiter der Berlinale bekommt diesen silbernen Bären der Film, der laut der Jury neue Perspektiven der Filkunst eröffnet. Dessen Zuspruch erhielt dieses Jahr Lav Diaz' Monumentalfilm "A LULLABY TO THE SORROWFUL MYSTERY" (Hele Sa Hiwagang Hapis) von der Jury um Meryl Streep. Der Film machte schon vorab wegen seiner exorbitanten Lauflänge von acht Stunden Schlagzeilen. In dem philippinischen Schwarzweißfilm wird den Geschichten und Mythen rundum die Revolution auf den Philippinen in 19. Jahrhundert nachgegangen.
Den silbernen Bären für die beste Regie erhielt die Französin Mia Hansen-Løve (DER VATER MEINER KINDER) für ihren Film L'AVENIR. Der Film erzählt von einer Frau, die von ihrem Mann für eine Jüngere verlassen wird, aber nach der Trennung ihre neue Freiheiten und Möglichkeiten zu schätzen lernt. Trailer
Hauptdarstellerin Isabelle Huppert galt auch als Favoritin für den silbernen Bären für die beste Darastellerin, musste sich aber am Ende Trine Dyrholm (WHO AM I, IN EINER BESSEREN WELT...) für ihre Leistung als Weltverbesserin Anna in Thomas Vinterbergs DIE KOMMUNE (Kollektivet). Trailer
Der silberne Bär für den Besten Darsteller ging an Majd Mastoura, der in dem in dem tunesischen Wettbewerbsbeitrag HEDI (Inhebbek Hedi) einen jungen Mann mimte, der versucht sich den Zwängen und Konventionen eines vorbestimmten Lebens einer traditionellen tunesischen Familie zu entziehen. Ausschnitt
Abschließend gab es noch den Silbernen Bären für das beste Drehbuch, welchen Tomasz Wasilewski für Zjednoczone Stany Miłosci mit nach Hause nehmen durfte und für eine "Herausragende künstlerische Leistung": Mark Lee Ping-Bing für die Kamera in CHANG JIANG TU.
 
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