Clive77
Serial Watcher
Als sie aus dem Auto ausstieg, hörte sie bereits den Lärm spielender Kinder, die auf dem großen Gelände herumtollten und sich des Lebens freuten.
Sie war sich nicht ganz sicher, was sie genau erwartet hatte, vielleicht mehrere kleine Blockhütten, aber die Größe dieses Komplexes hatte sie weit über ihre Vorstellungen hinaus überrascht. Sie holte noch einige Dinge aus ihrem Auto, schloss den Wagen ab und ging über den großen Sandparkplatz auf den Bereich zu, von dem sie annahm, es sei das Hauptgebäude.
Im Eingangsbereich hingen unzählige Zeichnungen von Kindern unterschiedichen Alters. Manche waren fröhlich und zeigten verschiedene Menschen auf Wiesen mit bunten Blumen, während andere abstrakte Formen in grellen Farben darboten. Einige der Bilder jedoch hatten nichts von der fröhlichen Heiterkeit üblicher Kinderbilder an sich, und zeigten teils verstörende Szenarien mit blassen Gestalten mit große dunklen Augen, Monstern oder düsteren Wäldern.
Ein mit matten Farben getuschtes Bild erregte ihre Aufmerksamkeit ganz besonders. Es zeigte ein Gebilde, groß und rund, aber keine perfekte Kugel, sondern mit vielen Erhebungen und Beulen versehen, gemalt in unterschiedlichen Grün-, Grau- und Schwarztönen mit einer Reihe von feuerrote Augen.
"Das Bild wurde von Emily Thiest gemalt. Sie war vor etwa 9 Jahren bei uns."
Erschrocken fuhr sie herum. Die Frau, die scheinbar aus dem Nichts gekommen und neben ihr aufgetaucht war, sprach ruhig weiter, ohne den Blick vom Bild zu nehmen.
"Es ist interessant. Was soll es darstellen? Ihre Krankheit?"
"Nicht ganz", sagte die Frau und schüttelte ihren Kopf. "So hat sie der Schmerz ausgesehen. Sie hatte ihn bildlich dargestellt um ihm ein Gesicht zu geben."
"Hat sie...? Ich meine, ist sie...?"
"Tot? Nein. Nein, sie war ein tapferes kleines Ding. Heute ist sie sechzehn und führt ein gesundes Leben. Aber die Krankheit hatte ihr viel Kraft gekostet, und ihr einen Teil ihrer Kindheit gestohlen."
"Krebs macht auch vor Kindern nicht halt."
"Nein, und leider haben nicht alle soviel Glück wie Emily."
Die Frau machte eine kurze Pause, in der sie weiter gedankenversunken den Blick über die Bilder an der Wand schweifen ließ. Dann schüttelte sie kurz den Kopf.
"Entschuldigen Sie bitte, wie sagten Sie nochmal, war ihr Name? Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?"
Nein, ich muss mich entschuldigen... Ich hatte bereitsvor einigen Tagen angerufen. Ich bin Dr. Gaby Deek, und ich bat-"
"Ja natürlich", wurde Gaby von ihr unterbrochen. "Wir hatten miteinander telefoniert! Sie wollten mit Taissia sprechen. Aber ich fürchte, sie werden den Weg umsonst gemacht haben. Zwar wird sie sie gerne empfangen, aber machen Sie sich keine Hoffnungen, dass sie ihre Fragen beantworten wird. Taissia hatte unmissverständlich gesagt, dass sie keine Interviews mehr geben wird."
"Nun ja, es ist auch kein wirkliches Interview. Vielmehr handelt es sich um eine Forschungsarbeit, bei der ich die eine oder andere Frage an sie habe."
"Hm", machte die Dame und zog eine Augenbraue hoch. "Wie gesagt, ich bringe sie gerne zu ihr, aber ich kann nichts versprechen."
"Dankeschön", sagte sie mit einem freundlichen Lächeln und folgte dann der Dame vom Empfang, die sie über das Foyer durch verschiedene Seitenflure zum großen Außenbereich führte.
Das Außengelände war im Grunde ein großer Spielplatz für alle Altersgruppen, der direkt am Waldrand lag, welcher dieser Einrichtung ihren Namen gegeben hatte.
Schon nach wenigen Metern sah sie Taissia, wie sie zusammen mit den Betreuern dieser Einrichung den Kindern bei einer steilen Kletterwand Hilfestellung gab. Obwohl ihr Erscheinungsbild absolut nicht mehr dem entsprach, das man einst aus den Medien kannte, hatte Gaby sie sofort erkannt.
Als sie sie bemerkte, begrüßte sie Gaby nicht wie erwartet mit einem verärgerten Blick, sondern lächelte sie an und winkte ihr zu, kurz bevor sie ihnen entgegenkam.
"Dr. Deek?", fragte sie offenbar ein wenig überrascht.
Gabe nickte lächelnd.
"Ich hatte sie nicht so früh erwartet. Außerdem dachte ich, sie wären älter. Und ein Mann."
"Das ist mir ehrlich gesagt noch nie passiert", gab Gaby mit einem Lachen zu.
"Hm", machte Taissia und zuckte mit den Schultern, bevor sie Gaby dann in eine ruhigere Ecke führte, wo sie ungstört reden konnten. Zwar konnte man noch immer die spielenden Kinder hören, aber hier kam selten jemand vorbei. Unterwegs war Taissia noch schnell in die Küche gehüpft und hatte zwei Gläser, sowie einen Krug mit kaltem Wasser herausgeholt. Nun saßen sie sich an einem der großen runden Tische gegenüber und Taissia schenkte ihr ein Glas ein.
"Danke"
"So, was führt sie denn nun zu mir?"
Gaby drehte das Glas in ihren Fingern, während sie nach den passenden Worten suchte.
"Nun, es geht um die Geschehnisse von vor zwei Jahren. Ich habe da ein paar Fragen an sie."
Taissia seufzte.
"Ich fürchte, dann habe Sie den langen Weg umsonst gemacht. Wie ich schon damals sagte, werde ich keine Interviews mehr geben. Es wurde in den Medien schon genug breitgetreten, und ich mövhte nicht, dass das Interesse jetzt wieder aufflammt, nachdem sich die Wogen endlich geglättet haben. Und bisher bin ich damit sehr gut gefahren."
"Nein, nein, rief Gaby und hob abwehrend die Hände. "Ich komme von keinem dieser Klatschblätter, ich brauche ihre Hilfe für eine Forschungsarbeit."
Taissia legte den Kopf schief, als müsste sie überlegen, dann nickte Gaby nur zu.
"Ich habe mit Leuten gesprochen, denen ähnliches wiederfahren ist. Alles was sie in unserem Gespräch sagen, wird absolut vertraulich behandelt. Ihre Angaben wären anonym."
"Mein Name würde nirgendwo auftauchen?"
"Und auch sonst nichts, was Rückschlüsse auf ihre Identität zuließe. Ich möchte einfach nur wissen, was damals passiert ist."
Taissia hatte den Blick abgewendet und nagte gedankenverloren an ihrer Unterlippe. Gaby konnte sehen, wie sie mit sich haderte und hoffte, dass sie ihre Erlebnisse mit ihr teilen würde.
"Also gut", sagte Taissia schließlich, wobei man aus ihrer Stimme noch immer leichte Zweifel heraushörte, und setzte sich aufrecht hin. "Was genau wissen sie?"
"Nur die groben Details."
Taissia saß ihr still gegenüber und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Gaby konnte förmlich sehen, wie die Gedanken hinter ihrer Stirn arbeiteten.
"Meine Ärzte sagten mir schon damas, ich solle kürzer treten. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits zweimal vor Erschöpfung zusammengebrochen, eimal davon mitten auf der Bühne. Bei der Boulevard-Presse meinte jemand, es sei inszeniert um mich mehr ins Rampenlicht zu drängen, und schon zogen alle nach."
Sie nippte an ihrem Glas und machte eine kurze Pause.
"Es war abgemacht, dass ich die Tournee noch zuende führe. Nur noch zwei Auftritte, der letzte davon in London. Aber dazu kam es nicht mehr. Ich weiß nicht mehr viel, nur soviel, dass ich wohl großes Glück hatte, dass so viele Leute, darunter drei Sanitäter, bei mir waren. Ich erinnere mich nicht mehr daran, was dort bei den Proben geschah, nur dass mir etwas schwindelig wurde. Man sagte mir, ich kippte einfach tot um. Herzstillstand, verursacht durch eine Herzmuskelentzündung."
"Ihr Herz hatte für über drei Minuten ausgesetzt, nicht war?"
"Beinahe vier."
"Eine unwahrscheinlich lange Zeit."
"Man sagte, ich hatte großes Glück, dass man mich zurückholen konnte."
"Das kann man wohl sagen, und auch, dass sie es ohne auffallend bleibende Schäden überstanden haben."
"Ja."
Gaby hatte sich während Taissias Schilderung flüchtig Notizen gemacht, aber nun legte sie ihre Aufzeichnungen vor sich auf den Tisch und beugte sich ein Stück vor.
"Doch das ist nichts, was man nicht auch schon aus der Presse erfahren hat. Mein Interesse hingegen gilt dem, was nach ihrem Zusammenbruch geschah."
Taissia guckte Gaby fragend an.
"Was meinen Sie?"
"Sie haben etwas gesehen, nicht wahr?"
Gaby sah sie eindringlich an, und für einige Momente konnte Taissia ihrem Blick standhalten, doch dann verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, lehnte sich zurück und drehte demonstrativ den Kopf zur Seite um die in der Ferne spielenden Kinder zu beobachten. Gaby schwieg, ließ ihren Blick aber stur auf Taissia gerichtet. Bis diese dann ihren Widerstand aufgab und lautstark ausatmete als die Spannung in ihrem Körper nachließ. Taissia sah auf und schenkte Gaby ein breites Lächeln.
"Also schön... Ja, da war etwas."
Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte wohl nach. Dannblickte sie Gaby direkt in die Augen.
"Zuerst war da Dunkelheit, mehr nicht, aber dann sah ich es. Das Licht. Es war unbeschreiblich, zuerst war es schwach, dann drängte es die Dunkelheit immer mehr zurück. Ich flog durch einen Tunnel, genau auf das schönste Licht zu, das ich jemals gesehen habe."
Sie schlang die Arme um ihren Körper und schloss lächelnd die Augen bevor sie fortfuhr.
"Und dann spürte ich eine Gegenwart. Jesus erschien mir, reichte mir die Hand und sagte zu mir, es würde alles gut werden, dann spürte ich die Gegenwart von allen geliebten Menchen, die ich jemals verloren hatte. Sie waren alle da um mich willkommen zu heißen."
Taissia lächelte noch immer, als sie ihre Erzählung längst beendet hatte.
"Jesus also...", murmelte Gaby leise, lehnte sich zurück und betrachtete ihre Notizen. Dann stützte sie sich mit dem Gesicht auf ihre Hände und sprach zu Taissia: "Das ist eine schöne Geschichte. Aber ich glaube Ihnen kein Wort."
...
Sie war sich nicht ganz sicher, was sie genau erwartet hatte, vielleicht mehrere kleine Blockhütten, aber die Größe dieses Komplexes hatte sie weit über ihre Vorstellungen hinaus überrascht. Sie holte noch einige Dinge aus ihrem Auto, schloss den Wagen ab und ging über den großen Sandparkplatz auf den Bereich zu, von dem sie annahm, es sei das Hauptgebäude.
Im Eingangsbereich hingen unzählige Zeichnungen von Kindern unterschiedichen Alters. Manche waren fröhlich und zeigten verschiedene Menschen auf Wiesen mit bunten Blumen, während andere abstrakte Formen in grellen Farben darboten. Einige der Bilder jedoch hatten nichts von der fröhlichen Heiterkeit üblicher Kinderbilder an sich, und zeigten teils verstörende Szenarien mit blassen Gestalten mit große dunklen Augen, Monstern oder düsteren Wäldern.
Ein mit matten Farben getuschtes Bild erregte ihre Aufmerksamkeit ganz besonders. Es zeigte ein Gebilde, groß und rund, aber keine perfekte Kugel, sondern mit vielen Erhebungen und Beulen versehen, gemalt in unterschiedlichen Grün-, Grau- und Schwarztönen mit einer Reihe von feuerrote Augen.
"Das Bild wurde von Emily Thiest gemalt. Sie war vor etwa 9 Jahren bei uns."
Erschrocken fuhr sie herum. Die Frau, die scheinbar aus dem Nichts gekommen und neben ihr aufgetaucht war, sprach ruhig weiter, ohne den Blick vom Bild zu nehmen.
"Es ist interessant. Was soll es darstellen? Ihre Krankheit?"
"Nicht ganz", sagte die Frau und schüttelte ihren Kopf. "So hat sie der Schmerz ausgesehen. Sie hatte ihn bildlich dargestellt um ihm ein Gesicht zu geben."
"Hat sie...? Ich meine, ist sie...?"
"Tot? Nein. Nein, sie war ein tapferes kleines Ding. Heute ist sie sechzehn und führt ein gesundes Leben. Aber die Krankheit hatte ihr viel Kraft gekostet, und ihr einen Teil ihrer Kindheit gestohlen."
"Krebs macht auch vor Kindern nicht halt."
"Nein, und leider haben nicht alle soviel Glück wie Emily."
Die Frau machte eine kurze Pause, in der sie weiter gedankenversunken den Blick über die Bilder an der Wand schweifen ließ. Dann schüttelte sie kurz den Kopf.
"Entschuldigen Sie bitte, wie sagten Sie nochmal, war ihr Name? Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?"
Nein, ich muss mich entschuldigen... Ich hatte bereitsvor einigen Tagen angerufen. Ich bin Dr. Gaby Deek, und ich bat-"
"Ja natürlich", wurde Gaby von ihr unterbrochen. "Wir hatten miteinander telefoniert! Sie wollten mit Taissia sprechen. Aber ich fürchte, sie werden den Weg umsonst gemacht haben. Zwar wird sie sie gerne empfangen, aber machen Sie sich keine Hoffnungen, dass sie ihre Fragen beantworten wird. Taissia hatte unmissverständlich gesagt, dass sie keine Interviews mehr geben wird."
"Nun ja, es ist auch kein wirkliches Interview. Vielmehr handelt es sich um eine Forschungsarbeit, bei der ich die eine oder andere Frage an sie habe."
"Hm", machte die Dame und zog eine Augenbraue hoch. "Wie gesagt, ich bringe sie gerne zu ihr, aber ich kann nichts versprechen."
"Dankeschön", sagte sie mit einem freundlichen Lächeln und folgte dann der Dame vom Empfang, die sie über das Foyer durch verschiedene Seitenflure zum großen Außenbereich führte.
Das Außengelände war im Grunde ein großer Spielplatz für alle Altersgruppen, der direkt am Waldrand lag, welcher dieser Einrichtung ihren Namen gegeben hatte.
Schon nach wenigen Metern sah sie Taissia, wie sie zusammen mit den Betreuern dieser Einrichung den Kindern bei einer steilen Kletterwand Hilfestellung gab. Obwohl ihr Erscheinungsbild absolut nicht mehr dem entsprach, das man einst aus den Medien kannte, hatte Gaby sie sofort erkannt.
Als sie sie bemerkte, begrüßte sie Gaby nicht wie erwartet mit einem verärgerten Blick, sondern lächelte sie an und winkte ihr zu, kurz bevor sie ihnen entgegenkam.
"Dr. Deek?", fragte sie offenbar ein wenig überrascht.
Gabe nickte lächelnd.
"Ich hatte sie nicht so früh erwartet. Außerdem dachte ich, sie wären älter. Und ein Mann."
"Das ist mir ehrlich gesagt noch nie passiert", gab Gaby mit einem Lachen zu.
"Hm", machte Taissia und zuckte mit den Schultern, bevor sie Gaby dann in eine ruhigere Ecke führte, wo sie ungstört reden konnten. Zwar konnte man noch immer die spielenden Kinder hören, aber hier kam selten jemand vorbei. Unterwegs war Taissia noch schnell in die Küche gehüpft und hatte zwei Gläser, sowie einen Krug mit kaltem Wasser herausgeholt. Nun saßen sie sich an einem der großen runden Tische gegenüber und Taissia schenkte ihr ein Glas ein.
"Danke"
"So, was führt sie denn nun zu mir?"
Gaby drehte das Glas in ihren Fingern, während sie nach den passenden Worten suchte.
"Nun, es geht um die Geschehnisse von vor zwei Jahren. Ich habe da ein paar Fragen an sie."
Taissia seufzte.
"Ich fürchte, dann habe Sie den langen Weg umsonst gemacht. Wie ich schon damals sagte, werde ich keine Interviews mehr geben. Es wurde in den Medien schon genug breitgetreten, und ich mövhte nicht, dass das Interesse jetzt wieder aufflammt, nachdem sich die Wogen endlich geglättet haben. Und bisher bin ich damit sehr gut gefahren."
"Nein, nein, rief Gaby und hob abwehrend die Hände. "Ich komme von keinem dieser Klatschblätter, ich brauche ihre Hilfe für eine Forschungsarbeit."
Taissia legte den Kopf schief, als müsste sie überlegen, dann nickte Gaby nur zu.
"Ich habe mit Leuten gesprochen, denen ähnliches wiederfahren ist. Alles was sie in unserem Gespräch sagen, wird absolut vertraulich behandelt. Ihre Angaben wären anonym."
"Mein Name würde nirgendwo auftauchen?"
"Und auch sonst nichts, was Rückschlüsse auf ihre Identität zuließe. Ich möchte einfach nur wissen, was damals passiert ist."
Taissia hatte den Blick abgewendet und nagte gedankenverloren an ihrer Unterlippe. Gaby konnte sehen, wie sie mit sich haderte und hoffte, dass sie ihre Erlebnisse mit ihr teilen würde.
"Also gut", sagte Taissia schließlich, wobei man aus ihrer Stimme noch immer leichte Zweifel heraushörte, und setzte sich aufrecht hin. "Was genau wissen sie?"
"Nur die groben Details."
Taissia saß ihr still gegenüber und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Gaby konnte förmlich sehen, wie die Gedanken hinter ihrer Stirn arbeiteten.
"Meine Ärzte sagten mir schon damas, ich solle kürzer treten. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits zweimal vor Erschöpfung zusammengebrochen, eimal davon mitten auf der Bühne. Bei der Boulevard-Presse meinte jemand, es sei inszeniert um mich mehr ins Rampenlicht zu drängen, und schon zogen alle nach."
Sie nippte an ihrem Glas und machte eine kurze Pause.
"Es war abgemacht, dass ich die Tournee noch zuende führe. Nur noch zwei Auftritte, der letzte davon in London. Aber dazu kam es nicht mehr. Ich weiß nicht mehr viel, nur soviel, dass ich wohl großes Glück hatte, dass so viele Leute, darunter drei Sanitäter, bei mir waren. Ich erinnere mich nicht mehr daran, was dort bei den Proben geschah, nur dass mir etwas schwindelig wurde. Man sagte mir, ich kippte einfach tot um. Herzstillstand, verursacht durch eine Herzmuskelentzündung."
"Ihr Herz hatte für über drei Minuten ausgesetzt, nicht war?"
"Beinahe vier."
"Eine unwahrscheinlich lange Zeit."
"Man sagte, ich hatte großes Glück, dass man mich zurückholen konnte."
"Das kann man wohl sagen, und auch, dass sie es ohne auffallend bleibende Schäden überstanden haben."
"Ja."
Gaby hatte sich während Taissias Schilderung flüchtig Notizen gemacht, aber nun legte sie ihre Aufzeichnungen vor sich auf den Tisch und beugte sich ein Stück vor.
"Doch das ist nichts, was man nicht auch schon aus der Presse erfahren hat. Mein Interesse hingegen gilt dem, was nach ihrem Zusammenbruch geschah."
Taissia guckte Gaby fragend an.
"Was meinen Sie?"
"Sie haben etwas gesehen, nicht wahr?"
Gaby sah sie eindringlich an, und für einige Momente konnte Taissia ihrem Blick standhalten, doch dann verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, lehnte sich zurück und drehte demonstrativ den Kopf zur Seite um die in der Ferne spielenden Kinder zu beobachten. Gaby schwieg, ließ ihren Blick aber stur auf Taissia gerichtet. Bis diese dann ihren Widerstand aufgab und lautstark ausatmete als die Spannung in ihrem Körper nachließ. Taissia sah auf und schenkte Gaby ein breites Lächeln.
"Also schön... Ja, da war etwas."
Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte wohl nach. Dannblickte sie Gaby direkt in die Augen.
"Zuerst war da Dunkelheit, mehr nicht, aber dann sah ich es. Das Licht. Es war unbeschreiblich, zuerst war es schwach, dann drängte es die Dunkelheit immer mehr zurück. Ich flog durch einen Tunnel, genau auf das schönste Licht zu, das ich jemals gesehen habe."
Sie schlang die Arme um ihren Körper und schloss lächelnd die Augen bevor sie fortfuhr.
"Und dann spürte ich eine Gegenwart. Jesus erschien mir, reichte mir die Hand und sagte zu mir, es würde alles gut werden, dann spürte ich die Gegenwart von allen geliebten Menchen, die ich jemals verloren hatte. Sie waren alle da um mich willkommen zu heißen."
Taissia lächelte noch immer, als sie ihre Erzählung längst beendet hatte.
"Jesus also...", murmelte Gaby leise, lehnte sich zurück und betrachtete ihre Notizen. Dann stützte sie sich mit dem Gesicht auf ihre Hände und sprach zu Taissia: "Das ist eine schöne Geschichte. Aber ich glaube Ihnen kein Wort."
...