Story XLI - Töte ihn!

Clive77

Serial Watcher
Er wusste nicht, wie ernst er seinen Auftrag nehmen sollte. Aber gut, sein Geschäft bestand darin, Leute auszuschalten und er würde auch diesen Auftrag annehmen – bisher hatte er noch nie eine ernstzunehmende Mission abgewiesen und seine Erfolgsquote lag bei fast 100 Prozent (Bin Laden hatte er schon im Visier als die Amis kamen und seine Show ruinierten).
Dabei war er sich überhaupt nicht sicher, ob er den Auftrag annehmen sollte. Mit Religion hatte er nie viel am Hut und das Wort „Hölle“ war ihm scheißegal. Es gab allerdings eine Bedingung, die ihm Unbehagen bereitete. Ein wichtiges Detail seiner Mission bestand darin, dass er seinen Tod nicht nur als Risiko verbuchen, sondern dem Sensenmann diesmal wirklich ins Auge sehen musste. Ja, der Auftrag hatte ein verdammt hohes Risiko und wenn er an die erste Kontaktaufnahme mit dem Auftraggeber dachte, fragte er sich, weshalb er es jemals in Erwägung gezogen hatte, die Mission als „ernsthaft“ zu betrachten.
Aber die Argumente von Objekt 2017 waren recht überzeugend. Und er hatte die Flügel gesehen und berührt. Es bestand kein Zweifel daran, dass gewisse Geschichten, die manche Leute als religiösen Humbug bezeichnen würden, in Wirklichkeit zutrafen. Blieb ihm also eine Wahl? Nein, nicht wirklich. Er konnte, nein, musste alles daran setzen, diesen einen Auftrag erfolgreich zu beenden. Soviel war ihm klar. Sonst würde ihn ein ähnliches Schicksal erwarten, wie dem Großteil seiner Kunden und obendrein auch dem Großteil seiner Berufskollegen. Er hatte hier die Chance, seine vergangenen Taten nichtig zu machen, eine Chance, mit einem einzigen Schlag ein Dilemma zu beenden, was die Menschheitsgeschichte seit Jahrhunderten, nein, Jahrtausenden bewegte. In gewissem Maße konnte er kaum glauben, dass es nun an ihm lag, diese Hürde zu nehmen und eine Tat zu begehen, die legendäre Ausmaße annehmen würde (sofern er denn tatsächlich Erfolg hätte).

Er nahm also die verfluchte Speerspitze an sich, die einst angeblich einen gewissen Jesus von Nazareth am Kreuze gekratzt hatte, und stieß sie sich ins Herz.
Die Schmerzen waren unvergleichlich. Er hatte schon öfter einiges einstecken müssen, aber was er jetzt durchlebte, zerriss ihn geradezu. Er merkte noch, wie sein Verstand ihn verließ und die unerträglichen Schmerzen von der Dunkelheit übermannt wurden. Dunkelheit, Selbstmord, Hölle

“Hölle“ ist nur ein Wort. Die Realität ist viel, viel grausamer.

Oh, wen haben wir denn hier? Einen Auftragskiller! Da haben wir einiges in Vorbereitungen für dich, mein Freund…

Sieh’ dir diese Flügel an. Glaubst du wirklich, dass sie eine Attrappe sind? Berühre sie! Fühle sie! Hast du so etwas schon einmal gesehen? Hast du so etwas schon einmal berührt? Kannst du wirklich an dem zweifeln, was ich dir Vorschlage?

Wir werden bei den Fußnägeln anfangen. Siehst du den Spiegel da oben? Du kannst zuschauen, wie wir deinen Körper Stück für Stück zerlegen. Oh, nein, die Augen zu verschließen nützt dir gar nichts. Hier, warte, ich schneide dir die Augenlider ab. *Schnipp und schnapp, da sind sie ab* Siehst du es jetzt?

Du wirst stark bleiben müssen. Wenn du erstmal da unten bist, wirst du einiges durchstehen müssen. Ich sage nicht, dass es einfach wird. Aber ich habe einen Plan.

Etwas kalt ohne Fußnägel, oder? Aber du weißt noch nicht, was Kälte wirklich bedeutet. So wirklich kalt wird es erst ohne Haut und das ist genau die Stelle, wo wir jetzt weitermachen.

Wenn du dort angekommen bist, sei dir bewusst, dass dein Körper egal ist. Die Seele ist das, was zählt. Und du suchst doch nach Vergebung, oder? Du hast die Flügel berührt, also weißt du, welcher Preis dich erwartet. Hör’ mir jetzt genau zu.

Die Kälte wurde unerträglich. Nie zuvor hatte er solche Schmerzen durchleben müssen. Nie zuvor hatte er seinen Körper ohne Haut gesehen. Wie sah noch gleich der Plan aus? Durchhalten? Pah, Objekt 2017 hatte keine Ahnung davon, wie die Dinge hier unten wirklich standen. Wie um alles in der Welt sollte er denn seinen Auftrag erfüllen, wenn er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte?

Das war die Haut. Jetzt gehen wir mal zum Fleisch über. Abnehmen leicht gemacht.

Siehst du es jetzt? Ich weiß, ich weiß, das klingt alles nach Unsinn. Aber es besteht eine echte Chance, dass du es schaffen kannst.

Während ihm mit einer Pinzette das Fleisch von den Knochen gezogen wurde und er den ganzen Vorgang genau mit ansah, spürte er, wie der Schmerz allmählich in den Hintergrund geriet.

Die Seele. Die Seele ist das, worauf du dich da unten konzentrieren musst. Das ist wichtig. Die kann dir nur genommen werden, wenn du es willst. Und ja, er kann sehr überzeugend sein. Mit all den Schmerzen hat er normalerweise leichtes Spiel. Aber bitte, bitte, sei stark und versuche, seinem Vorschlag zu widerstehen.

Na, magst du unser Spielchen mit deinem Körper? Fühlst du, wie die Schmerzen von unerträglich zu unerträglicher empor steigen? Und das Tolle ist: Wir können unser Spiel wiederholen. Wir können deinen Körper sprichwörtlich bis in alle Ewigkeit auseinander nehmen. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Vielleicht verstümmeln wir dich nächstes Mal, bis nur noch der Torso vorhanden ist? Vielleicht zeigen wir dir auch nur, wie dein fleischloser Körper im Spiegelbild aussieht – für die nächsten 1000 Jahre!

Langsam aber sicher kamen die Gedanken zu ihm zurück. Sein grässliches Spiegelbild lachte ihn im fleischlosen Skelett an, aber er begann, sich zu fassen und sich … zu erinnern.

Wenn du den Fesseln entkommen kannst, weißt du jetzt, was zu tun ist. Die Reihenfolge ist wichtig. Denke daran.

Oh, wird dir etwa langweilig? Das kann ich kaum glauben. Ach, „glauben“, ein Wort, was ich normalerweise nie benutze. Aber naja, wenn dir die Schmerzen keine Qualen bereiten, wie sähe es dann mit einer Position bei meinen Angestellten aus? Du liebst es doch, Leute zu töten, oder? Du magst es doch, Menschen zu quälen. Alles, was du mir geben musst, um dein Leiden zu beenden und es an anderen fortzusetzen, ist deine Seele. Die brauchst du auch nicht mehr.

Seine Gedankengänge überschlugen sich. Wie sollte er antworten? Sollte er nicht vielleicht doch die eigene Seele aufgeben? Wie viel war das Ding schon wert? Endlose Qualen in der Hölle sind schließlich kein Vergleich, wenn man selbst am Drücker sitzen kann. Und diese Art von Arbeit war ihm zumindest vertraut (nicht jeder seiner Auftraggeber wollte das Ziel direkt tot sehen).
„Ja, du kannst meine Seele haben. Aber nur unter einer Bedingung.“

Und die wäre?

„Grrglhmpf.“

Wie bitte?

„Grrglhmpf.“

Ach du meine Güte, glaubst du wirklich, dass ich auf diesen alten Trick reinfalle? Aber na gut, ich spiele mal mit. Sei dir aber bewusst, dass deine Fesseln nicht das einzige sind, was mich überlegen macht.

Als er spürte, wie ihm die knochigen Glieder befreit wurden, sprang er auf. Ohne zu zögern rammte er seinen linken Fuß durch den Mittelleib des Teufels und biss ihm anschließend beide Hörner ab. Zuletzt zog er mit aller Kraft am Schwanz des Höllenmonarchen, bis dieser schließlich abriss und verspeiste ihn anschließend. Mission erfüllt.

Ist es nicht immer wieder beeindruckend, wie sie versuchen, mich auszulöschen? Ich konnte mich vor Lachen kaum halten. Aber sei’s drum. Natürlich bin ich nicht tot. Das geht auch garnicht, ihr schwachsinnigen Menschen… alles, was hier erreicht wurde, ist nichts. Den Teufel gibt es in 1000 Formen – o.k., 999 wären es jetzt. Aber man, da habt ihr noch eine Menge zu tun, wenn ihr ihn ausradieren wollt. Und Selbstmord? Hah, wie doof muss man sein?
Da war die Pinzette wohl ein ganzes Stück zu groß…

Ende?
 

MamoChan

Well-Known Member
Ein sehr vielversprechender Anfang, und die Grundidee am Anfang hat mir echt gefallen. :top: Aber der Schluss hat mir persönlich so gar nicht zugesagt. Auf mich machte es etwas den EIndruck, als musste der Autor schnell zu einem Ende kommen oder hatte keine Lust mehr.
 

Clive77

Serial Watcher
Das Ende ist wirklich ziemlich platt. Aber die Grundidee, einen Auftragskiller loszuschicken, um den Teufel zu töten, gefällt mir irgendwie. :biggrin:

Ohne dem Autor zu Nahe treten zu wollen:
Ich finde, insgesamt weckt die Geschichte den Eindruck, nicht wirklich als ernstzunehmender Beitrag gepostet worden zu sein. Die humoristischen Einlagen (schnipp schnapp, usw.) passen nicht so recht hinein und mit dem Spoiler am Ende wird obendrein noch einiges kaputt gemacht. Mit einem anderen Ende und einem ernsteren Ton wäre es für mich vielleicht ein Punktekandidat geworden, also rein von der Idee her. So, ich weiß nicht, wirkt das alles leider irgendwie halbgar... :unsure:
 

Sittich

Well-Known Member
Mir hat die Grundidee auch gefallen. Wesentlich länger hätte die Geschichte bei dem eingeschlagenen Ton dann auch nicht dauern müssen, aber gerade am Ende hätten ein paar Sätze mehr nicht geschadet. Vor allem, was das weitere Schicksal des Attentäters angeht. Den Schreibstil fand ich ansonsten gut, wobei mir der Tonfall des Teufels eine Spur zu lax war. Das Thema wurde auf jeden Fall getroffen und taucht sogar fett im Text auf, das gibt Bonuspunkte :wink:

e: Aber warum musste es gerade dieser eine Speer als Selbstmordinstrument sein? Um ihn zu einem besonderen Fall zu machen und direkt vom Teufel "behandelt" zu werden?
 

Schneebauer

Targaryen
Die Idee gefällt mir richtig gut!! :top:

Aber wie meine Vorredner schon anmerkten, passt der humoristischte Ton nicht. Das hat der tollen, düsteren Grundstimmung geschadet. Vom Umfang her war das auch OK. Kurz, aber OK.
 

Jizzle

Well-Known Member
Super Grundidee. Hatte was von End of Day reloaded.

Packender Schreibstil. Kann null nachvollziehen, wie humorlos man sein muss, um knackige Schreibstile zu humorvoll zu finden. Ich finde es hat sehr gut gepasst. Den Spoiler will ich mal schnell vergessen. Er macht vieles kaputt. Weniger wäre hier mehr gewesen, aber dieser unkomplizierte Schreibstil hier ist klasse. Chapeau

Also die Story gehört zu meinen Favoriten.
 

Clive77

Serial Watcher
Das war meine Geschichte. :squint:

Die Grundidee spukte mir schon länger im Kopf rum, aber ich bin trotz der ganzen Deadline-Verlängerungen nie zum Schreiben gekommen und hab' dann kurz vor Abgabetermin unbedingt noch was zusammenschustern wollen, damit es nicht bloß drei Geschichten gibt. Der laxe Ton liegt darin begründet, dass Alkohol im Spiel war. :ugly:
Mein größtes Problem war allerdings, dass ich noch keine Idee hatte, wie die Geschichte enden sollte. Entsprechend abrupt (und einfallslos) hört das Ganze dann auch auf. Aber so ist das eben, wenn man "schnell noch" einen Beitrag abliefern möchte. :unsure:

@Sittich: Ja, der Speer sollte dafür sorgen, dass es eine spezielle Behandlung vom Höllenchef persönlich gibt - allerdings habe ich später dann vergessen, es nochmal gesondert zu erwähnen. :facepalm:

Danke aber auf jeden Fall für die Kommentare und die Punkte. :smile:

Sollte ich demnächst etwas Zeit und Muße finden, mich nochmals an die Geschichte zu setzen, wird das Ende noch überarbeitet (und ggf. etwas vom laxen Ton entfernt). Mal schauen...
 
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