The Last Ship S03E01 - The Scott Effect

Clive77

Serial Watcher
Mit der Folge "The Scott Effect" startet die US-Serie The Last Ship in ihre dritte Staffel. Mehrere Monate sind seit dem letzten Staffelfinale vergangen und die Handlung führt nach Südostasien, wo eine mögliche Mutation des Virus sich als resistent gegen das Heilmittel erweist.

Neue Prämisse und Altlasten
An sich hätte das zweite Staffelfinale einen recht runden Abschluss zur Serie liefern können. Die meisten Probleme wurden gelöst, das Heilmittel kann verteilt und die Nation(en) wieder aufgebaut werden. Nach "A More Perfect Union" mit seinen Happy Endings blieben nicht mehr viele Fragen offen. Wie also in der dritten Staffel weitermachen? Zeigen, wie der Wiederaufbau gestaltet wird oder wie Präsident Michener (Mark Moses) eine neue Regierung auf die Beine stellt? Klingt nicht gerade nach dem, was man von der Serie erwarten würde.
Da war es schon ein guter Schachzug, den dritten Staffelauftakt eine große Zeitspanne später einsetzen zu lassen. Der Wiederaufbau ist bereits in vollem Gange, es gibt eine neue Regierung und in den ersten Minuten hält Michener eine Ansprache an die Nation, die neben dem üblichen Pathos uns Zuschauern erklärt, wie die Lage jetzt aussieht.
Ein wichtiges Detail nennt er dabei auch. Dr. Rachel Scott (Rhona Mitra) ist tot. Womit dieser Cliffhanger eine schon fast unwürdige Auflösung erhält. Immerhin war sie eine der Hauptfiguren und hätte als solche einen würdigeren Abschied verdient als ihr Portrait auf Rabattmarken. Aber nicht nur Michener stellt Rachels Tod als feste Tatsache dar. Auch für Tom Chandler (Eric Dane), dessen Meinungsverschiedenheiten mit Rachel stets etwas Pepp in die Serie brachten, und den Rest der Protagonisten ist Dr. Scott tot. Zweifel bestehen also kaum daran, dass Rhona Mitra sich nicht mehr blicken lassen wird.
Dennoch stellt sich die Frage, ob Rachels Tod nicht vielleicht doch bloß ein scheinbarer ist. Dafür spräche beispielsweise, dass sie – wie Tom übrigens auch erwähnt – deutlich machte, dass das Virus nicht mutieren könne (warum auch immer). Jetzt wird uns aber nach dem Vorspann gezeigt, wie das Heilmittel versagt. Also doch eine Mutation? Oder hat da jemand Hand angelegt? Und wie will man diese neue Bedrohung ohne Wissenschaftlerin bekämpfen? Dr. Scott mag zwar nicht die einzige sein, die hier helfen könnte, aber es bleibt das Gefühl zurück, dass wir vielleicht doch etwas mehr als Rabattmarken von ihr zu sehen bekommen. Was meint ihr?
Die neue Prämisse liegt nach dem Auftakt sowie dem neuen Vorspann jedenfalls auf der Hand. Es gilt, das Versagen des Heilmittels zu untersuchen und im Zuge dessen auch den chinesischen Präsidenten Peng Wu (Fernando Chien) unter die Lupe zu nehmen. Denn während in den Staaten nun alles verhältnismäßig gut läuft, lässt sich natürlich nicht ignorieren, wenn auf der anderen Seite der Welt die Pandemie von vorne losgeht.

USS Nathan James
An Bord unseres „letzten Schiffes“ hat sich einiges verändert. Mike Slattery (Adam Baldwin) ist jetzt der Kapitän und es gibt auch neue Gesichter unter der Crew zu verbuchen. Die Mission, die die USS Nathan James hat, ist die Verteilung des Heilmittels. In diesem Fall in Vietnam und eingangs wird auch noch darauf hingewiesen, dass auf See nicht nur Fischer aktiv sind, sondern auch Piraten ihr Unwesen treiben. Womit diverse Seegefechte mit Sicherheit nicht ausbleiben werden.
Slattery und der Rest der Crew scheinen jedenfalls recht entspannt zu sein. Der Auftrag ist schließlich simpel und von einer großen Bedrohung fehlt (noch) jede Spur. Da folgt man auch gerne der Einladung zu einer Feier, auch wenn die nicht gerade so ausfällt, wie Slattery sich das vorgestellt hätte. Ziemlich amüsant, wie er ständig auf die Uhr schaut und am liebsten sofort abhauen möchte, während die Crewmitglieder und auch die vietnamesischen Berater ihren Spaß haben.
Für Danny Green (Travis Van Winkle) gibt es zudem noch die Aussicht auf ein baldiges Wiedersehen mit seiner Familie, bevor das Chaos losbricht und der Nachtclub unter Beschuss genommen wird. Es sind wirklich die letzten zehn Minuten der Episode, die hier punkten können. Vorbei ist das gemütliche Dasein. Ab jetzt wird wieder scharf geschossen und abgesehen von Green und Carlton Burk (Jocko Sims) gibt es einige Geiselnahmen und Verluste zu verbuchen.
Währenddessen sieht sich Cameron Burk (LaMonica Garrett) der Herausforderung gegenüber, die Nathan James unter seinem Kommando zu haben und nicht so recht zu wissen, wie er mit der Lage umgehen soll. Für uns als Zuschauer ist jedenfalls klar, dass sich da einige chinesische Fischerboote verdächtig verhalten haben und in der Sache involviert sind. Womit sich gleich ein deutliches Bild von Peng ergibt, den man sogleich als Verantwortlichen heranziehen könnte.

Anmerkung des Rezensenten
An dieser Stelle möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass ich nachvollziehen kann, weshalb TNT den Staffelauftakt verschoben hat. Die Szenen in dem vietnamesischen Nachtclub wollte ich nach den Nachrichten über die jüngsten Ereignisse in Orlando auch nicht sehen wollen. Fiktive Serie hin oder her, lag dieser Teil des Serienplots doch sehr dicht an einer realen Geschichte, die sich nur als widerlich und unmenschlich bezeichnen lässt. Mir ist dabei bewusst, dass es sich bei The Last Ship „nur“ um eine Serie handelt und dieser Plot schon lange vor besagten Ereignissen geschrieben wurde und wie gesagt ein fiktiver Teil einer fiktiven Serie ist. Dennoch dreht sich mir der Magen um, wenn ich diese Szenen sehe und die Hintergründe von Orlando dabei vor Augen habe. Dabei spielt es auch keine Rolle, welche Motive der Attentäter hatte und ob die sich mit den Serienattentätern überschneiden (was sie nicht tun). Es ist schlicht eine Frage der Sensibilität, ob man eine derartige Folge ausstrahlt, nachdem ein so schreckliches Ereignis geschehen ist - oder eben nicht.

Mission to China
Die Haupthandlung des Staffelauftakts betrifft den ehemaligen Kapitän der USS Nathan James, Tom Chandler, der sich jetzt Chief of Naval Operations nennen darf – aber auf eigenen Wunsch noch immer Captain ist. Mit Valerie (Tania Raymonde) im Gepäck macht er sich auf Geheiß von Michener auf, um Peng einen Besuch abzustatten und in Erfahrung zu bringen, was für ein Spiel dieser spielt – denn die Heilmittelverteilung läuft eher schlecht als recht (was den titelgebenden „Scott Effect“ zur Folge hat).
Tom verhält sich dabei nicht gerade sehr diplomatisch („I’m a military man – I don’t imply“), dafür aber sehr deutlich. Dem Zuschauer wird sogleich vermittelt, dass Peng zum neuen Bösewicht aufgebaut wird. Irgendwie passend, wenn man bedenkt, dass in den ersten beiden Staffeln die Russen als Bösewichte herhalten mussten. Jetzt sind eben die Chinesen beziehungsweise deren Präsident der Buhmann. Ob in Staffel vier dann wohl endlich wieder die Deutschen dran sind?
Ironie mal beiseitegelegt ist schon irgendwie klar, dass es jetzt ein neues Problem braucht. Aber hätte oder würde es nicht auch reichen, wenn das Heilmittel schlicht versagt? Anscheinend nicht, denn ohne bestimmte Feindbilder kommt man nicht aus. Dabei wäre es doch ohne weiteres möglich gewesen, Peng als sehr bemüht um die Verbreitung des Heilmittels darzustellen und ihn mit Chandler am gleichen Strang ziehen zu lassen – irgendwelche Untergrundorganisationen wie beispielsweise die Immunen aus der letzten Staffel hätten als Gegner auch funktioniert. Aber naja, immerhin werden uns die Vietnamesen als ein Party-freudiges Volk vorgestellt. Und wer weiß, vielleicht entpuppt sich Peng ja doch noch als ein Guter, aber das wäre eine echte Überraschung nach diesem Auftakt und vor allem, nachdem er Tom gegenüber direkt die Vietnamesen anschwärzt.
Auffällig in diesem Handlungsstrang ist natürlich Toms alte Flamme Sasha Cooper (Bridget Regan), die als Übersetzerin fungiert. Da fliegen beim Wiedersehen der beiden schon ein paar spürbare Funken, womit Sasha sicher noch eine größere Rolle in dieser Staffel spielen wird. Den Anfang dafür hat sie schon gemacht, denn Tom nimmt gegen Ende nicht den Flieger nach Hause, sondern will sich nach Vietnam durchschlagen, um die vermissten Crew-Mitglieder der Nathan James aufzuspüren. Sasha wird ihm dabei helfen und vielleicht auch mitkommen. Abwarten.
Weitere Funken fliegen beim Aufeinandertreffen von Valerie mit Wolf Taylor (Bren Foster). Allerdings scheint sich hier nicht mehr viel anzubahnen, nachdem das Flugzeug, in dem Valerie saß, in den letzten Szenen in Flammen aufging und uns einen Cliffhanger beschert. Sehr schade, denn Valerie war schon in den letzten Episoden der zweiten Staffel eine gute Bereicherung und es sah ganz danach aus, als wenn sie in die Schuhe von Rachel schlüpfen könnte – als Ersatz der Doktorin durch eine Hackerin. Andeutungen gab es jedenfalls genug – angefangen von den Videosignalen, die sich nicht übertragen lassen bis hin zum Schluss als sie die Piloten auffordert, umzudrehen. Ob sie tatsächlich tot ist, wird sich natürlich erst in der nächsten Folge zeigen. Aber es ist nur schwer vorstellbar, dass sie – wie auch immer – überlebt hat.

Fazit: Solider Auftakt, der es lange Zeit sehr ruhig angehen lässt und erst in den letzten zehn Minuten an Tempo und Action gewinnt. An Pathos und „typischen Feindbildern“ hat die Serie nichts verloren, aber was Anderes ließ sich auch nicht erwarten. Gespannt sein darf man hingegen auf den weiteren Verlauf, denn die Ereignisse in Asien sind alles andere als uninteressant. Außerdem gab es wieder einen Cliffhanger und dann ist da noch die Sache mit dem entführten Teil der Crew. Mal schauen, was die weiteren Folgen da bieten können.

7/10
 
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