The Blacklist S04E03 - Miles McGrath

Clive77

Serial Watcher
In der Folge "Miles McGrath" der US-Serie The Blacklist wird die Suche nach Alexander Kirk und Agnes fortgesetzt. Derweil erfahren wir mehr über Lizzies Mutter, erleben verschiedene Reaktionen des FBI-Teams auf ihre (Liz‘) Rückkehr und bekommen zu sehen, dass eine totgeglaubte Figur noch lebt.

The Revenant
Totgeglaubte leben länger. Die Screentime von Mr. Kaplan (Susan Blommaert) ist zwar nicht besonders groß, aber sie ist definitiv am Leben und wurde von jemandem gefunden. Ein Jemand, der keinen Notarzt verständigt, sondern die schwer verwundete Kate mittels einer improvisierten Trage fortbringt.
Verschiedene Fragen stellen sich sogleich. Wer ist der mysteriöse Retter? Wird Mr. Kaplan nach ihrer Genesung die Seiten wechseln und versuchen, sich an Red (James Spader) zu rächen? Nachvollziehbar wäre es. Und warum zeigt man uns jetzt schon, dass sie den vermeintlich tödlichen Schuss überlebt hat? Überraschungstechnisch wäre es schließlich effektiver, wenn sie mitten in der Staffel plötzlich wieder auftaucht (und nebenbei vielleicht in einer Art Rückblick schildert, wie sie überleben konnte).
Außerdem müssen sich die Macher in Zukunft etwas vorsehen, wenn sie eine der bekannteren Figuren (scheinbar) über die Klinge springen lassen. Lizzies (Megan Boone) „Tod“ liegt noch nicht lange zurück und kurz überlegt, ist es schon sehr lange her, dass jemand aus dem etablierten Team wirklich ins Gras gebissen hat (müsste gegen Ende der ersten Staffel gewesen sein als Meera Malik (Parminder Nagra) das Zeitliche segnete).

More Serial Than Ever
Zum dritten Mal in Folge fungiert der Blacklister der Woche, in diesem Falle Miles McGrath (Tate Ellington), als eine Schlüsselfigur im größeren Handlungsbogen um Alexander Kirk (Ulrich Thomsen). Auf Dauer kann sich dieses Vorgehen zwar leicht abnutzen, aber bislang macht die vierte Staffeln einen guten Job damit, die Namen der Blacklist sinnvoll in die Episoden einzubauen.
Auffällig ist allerdings schon jetzt, dass es bislang noch keinen Fall der Woche gab, der außen vorsteht (oder scheinbar außen vorsteht, weil nur Red vom gelösten Fall profitiert). Das wird sich in Zukunft vermutlich wieder ändern, wobei Fälle der Woche (um das einmal zu betonen) nicht unbedingt etwas Schlechtes sein müssen. Aber die Art und Weise, wie die aktuelle Staffel hier vorgeht, weiß deutlich besser zu gefallen als die alte Gangart. Mal schauen wie lange sich das hält.

FBI
Erwartungsgemäß wird die Rückkehr von Elizabeth in die FBI-Zentrale gemischt von unseren Protagonisten aufgenommen. Aram (Amir Arison) drückt hier genau das aus, was Harold Cooper (Harry Lennix) im Staffelauftakt bereits äußerte: Er ist froh, dass Liz noch lebt. Aber er hasst es, dass sie ihren Tod vorgetäuscht hat und ihn ahnungslos trauern ließ. Während aber bei Aram, Cooper und Ressler (Diego Klattenhoff) deutlich wird, dass die Freude überwiegt, rückt Samar (Mozhan Marnò) nicht von ihrem Standpunkt ab und will sich sogar versetzen lassen.
Es war wieder einmal erfreulich zu sehen, dass unsere verschiedenen Charaktere Zeit benötigen, um die letzten Ereignisse zu verarbeiten und nicht direkt wieder zum Alltag übergehen. Zwar nimmt auch Samar an den Einsätzen dieser Woche teil, aber das hat rein professionelle Gründe. Lediglich gegen Ende der Episode, als sie ihr Versetzungsgesuch fertig getippt hat und bloß noch abschicken muss, scheinen ihr Zweifel zu kommen - wie es auch sein sollte, denn mit einer Versetzung kehrt sie nicht nur Liz den Rücken, sondern auch allen anderen im Team – ein deutlich schwererer Schritt.
The Blacklist ist zwar keine Reihe, die verstärkt auf charakterliche Entwicklungen setzt – die Keens und Reddington mal außen vorgelassen – aber es ist immer wieder schön, dass die Nebenrollen oft genug zum Zuge kommen. Überraschung der Woche in dieser Hinsicht war sicher der weibliche Besuch bei Aram, der das Telefonat mit Samar vorzeitig zu einem Ende führt – hat der Mann also doch Erfolg bei den Damen (auch wenn ihm ein Abend mit Samar sicher lieber wäre).

Diary
Tom (Ryan Eggold) und Liz wollen wissen, was das FBI in der Sommerresidenz alles sichergestellt hat und unternehmen zu Beginn der Episode eine kleine Mission, in der Liz das Tagebuch ihrer Mutter Katarina Rostova (Lotte Verbeek) an sich bringen kann. Dieses Büchlein gibt Liz einen wichtigen Einblick in die Vergangenheit, womit sich die Geschichte um Katarina und Raymond ein weiteres Stück komplettiert.
Zunächst einmal sei angemerkt, dass die Entwendung des Tagebuchs – quasi eine kleine Heist-Story innerhalb der Folge – recht unterhaltsam war. Auch die Art und Weise, wie Lizzie dann später ihre Mutter beim Schreiben des Tagebuchs visualisiert und diese sie scheinbar auch wahrnimmt, hatte etwas Ansprechendes. Es wirkte intimer, als wenn wir bloß ein Voice-Over gehört hätten (wobei man sich durchaus fragen kann, wie „normal“ es wohl ist, wenn unsere Hauptfigur sich derart ihrer Einbildung hingibt).
Die große Enthüllung dürfte gewesen sein, dass Katarinas Affäre mit Raymond durch einen Auftrag zustande kam und erst später zu einer echten Liebschaft wurde. Und sie war in der Tat am Zweifeln, ob sie sich mit Raymond und ihrer Tochter auf die Flucht begeben sollte. Kombiniert mit Reds bisherigen Ausführungen (unter anderem auch in 3x19, "Cape May") können wir uns jetzt zusammenreimen, wie die Affäre zustande kam und wie sie vermutlich endete.

Alexander Kirk
Eine weitere große Enthüllung betrifft Alexander Kirk alias Constantin Rostov. Gegen Ende der Episode erfahren wir nämlich, dass Kirk eine tödliche Krankheit hat, der er durch ein eher extremes Mittel beikommen möchte – um seine Lebensdauer um ein paar Jahre zu verlängern. Hierzu benötigt er nicht nur das Virus, welches Miles McGrath für ihn entwenden konnte (aber schließlich in Reds Fingern landete), sondern auch einen Blutsverwandten. Die Suche nach Agnes gewinnt dadurch natürlich an Dringlichkeit.
Andererseits ist es etwas schade, dass Kirk somit vom vermeintlich guten Vater, der seine Familie wiederhaben möchte, direkt wieder auf die Bank der Bösewichte verwiesen wird. Die Frage, ob sich Liz lieber Kirk statt Red als Bezugsperson nehmen sollte, stellt sich somit nicht mehr. Nicht, dass wir das auf lange Sicht nicht auch so erwartet hätten, aber die Macher hätten den Konflikt, den Liz letzte Woche deutlich verspürte, ruhig noch etwas länger halten können.
Was die allgegenwärtige Vater-Frage angeht, wird die übrigens noch immer nicht eindeutig beantwortet. So sagt Red, dass Alexander Kirk glaubt, Lizzies Vater zu sein. Nicht gerade ein Satz, der Klarheit bringt. Aber gut, die Relevanz dieser Frage ist (zumindest in den Augen des Rezensenten, der die Autoren bei dem Satz schmunzelnd vor sich sah) ohnehin nicht mehr sehr groß.
Die gegnerischen Qualitäten von Alexander Kirk werden währenddessen um ein weiteres Stückchen erhöht. Zwar bekommt er das Virus nicht in die Finger, aber dafür sieht er voraus, wer ihm dort am Treffpunkt erwarten würde und meidet es, sich blicken zu lassen. Red wird sich somit noch stärker anstrengen müssen, wenn er Agnes befreien möchte.

Miles McGrath
Ups, jetzt haben wir noch gar nicht über Miles McGrath, Johan Halbeck (Manny Perez) und den Überfall auf den Zug gesprochen. Um es kurz zu halten, hier ein paar Stichpunkte dazu:
Tom Keen wieder im Einsatz zu sehen, auch wenn es dieses Mal nur ein kurzer war, wird nicht langweilig. Da stellt sich die Frage, wie lange er uns noch hier erhalten bleibt. Denn zur Midseason startet die Spin-off Reihe The Blacklist: Redemption, womit er in der Mutterserie vermutlich kaum noch zu sehen ist. Wie man seinen (vorläufigen) Abschied beziehungsweise Übergang gestalten wird, bleibt noch offen. Von daher überraschend, dass er weiterhin so stark ins Geschehen involviert wird.
Miles McGrath als „criminal incubator“ ist eine interessante Idee. Tate Ellington hat die Figur gut genug verkörpert, so dass man sich auf eine spätere Rückkehr von McGrath freuen könnte. Und da der noch nicht tot ist, sondern bloß von Red an die Behörden ausgeliefert wurde, sind spätere Auftritte auch nicht ausgeschlossen. Dürfen gerne kommen.
Die Geschichte um den geheimen CDC-Transport, Johan Halbeck als eine von Reds Bekanntschaften und der Ablauf des Handlungsbogens generell gesehen lässt sich als gute Unterhaltung werten. Vieles wusste zu gefallen, spannungstechnisch war alles o.k., auch wenn es in den üblichen Bahnen verlief und die Ausgangsidee (Stromausfall, damit Virenproben per Zug quer durchs Land transportiert werden) etwas weit hergeholt wirkte. Aber dafür gab es auch eine gute Portion Action, die üblichen kleinen Überraschungen und last but not least den stets überzeugenden Spader.

Fazit: Eine sehr gute Folge, die in fast allen Belangen überzeugen kann. Zu kritisieren gibt es bloß ein paar Kleinigkeiten, während auf der positiven Seite mal wieder deutlich wird, wie stark das gesamte Ensemble an Figuren mittlerweile ist – und fast alle kommen hier zum Einsatz. Obendrein gibt es noch einiges zu Liz und ihrer Familie erzählt, womit wir weitere Puzzleteile erhalten, die sich langsam aber sicher zu einem kompletten Bild zusammenfügen.

8,5/10
 
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