Terror - Ihr Urteil

TheRealNeo

Well-Known Member
Jemand gestern gesehen?

Hochkarätig besetztes "TV-Experiment", das vielleicht in der Werbung etwas sehr auf seinen interaktiven Charakter reduziert wurde, aber eigentlich unabhängig davon ein gelungener Film ist und wenn man von der Abstimmung absieht auch generell zur Diskussion über das Thema einlädt und dafür sehr fruchtbar erscheint.

Der Film basiert, wie das schon seit einem Jahr laufende Theaterstück, auf dem gleichnamigen Buch von Ferdinand von Schirach.

Worum geht es?

"Ein Selbstmord-Attentäter kapert eine Lufthansa-Maschine beim Flug von Berlin nach München und will sie in der voll besetzten Allianz-Arena zum Absturz bringen. Der Offizier des alarmierten Bundeswehr-Kampfjets entscheidet, das Flugzeug abzuschießen. Er tötet 164 Menschen, um 70.000 zu retten. Darf er das? Vor einem Berliner Schwurgericht wird er des 164-fachen Mordes angeklagt." (filmdienst.de)

Der Clou an dem Film ist, dass wie im Theater am Ende die Zuschauer über das Urteil entscheiden. So wurde auch für beide Fälle ein Ende gedreht. In der Mediathek der ARD kann man sich mittlerweile beide ansehen.
Ein paar technische Schwierigkeiten gab es da wohl leider gestern, denn die Homepage zum Abstimmen war teilweise überlastet und ähnliches galt auch für die Telefonleitung.

Die Kritiken zu dem Abend loben den Film, aber nicht das drumherum:

Spiegel
dwdl.de

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Wie ist eure Meinung zum Fall aber auch generell zur Möglichkeit des interaktiven Films?
 

Woodstock

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Die Grundidee hat mir gefallen, die Abstimmung hingegen nicht. Die hat nämlich nicht funktioniert (zumindest bei mir). Die "Hart aber fair" Sendung fand ich sehr unnötig und habe ich auch nicht mehr weiter vefolgt, denn die Meinungen der Gäste findest du immer bei dieser Diskussion.

Die Diskussion innerhalb des Films empfand ich als halbwegs gelungen, wenn auch etwas kurz. Das Endergebnis hat mich persönlich nicht überrascht. Es war eine öffentliche Abstimmung und sollte der Fall tatsächlich mal auftreten, würde man das Ergebnis dieser Umfrage sicher in die reale Verhandlung miteinbeziehen. Das Urteil selbst, kann man als typisch deutsch bezeichnen und erinnert mich an andere Urteile in der Art, wie sie meist nur in Deutschland gefällt werden. Im deutschen Recht fehlen seit Ende 45 die extremen Urteile, welche z.B. in Frankreich, GB oder den USA immer mal wieder gefällt werden. Deutschland ist gerne moralisch führend aber von Prinzipien wird der Boden nun mal auch nicht sauber. Im deutschen, juristischen Farbtopf ist sehr viel grau.
Moralisch ist es falsch Leben gegen Leben abzuwägen aber in der Realität, kommt es nun mal doch auf die Situation an und 164 Menschen sind nun mal weniger als 70.000. Da sind alle anderen Vergleiche, so wahr sie auch sind, pure Theorie. Du willst es nicht tun müssen aber am Ende muss es getan werden, du willst den Befehl nicht geben aber am Ende muss der Schuss eben doch erfolgen. Wenn jemand dann den Schuss, unter diesen Bedingungen, betätigt, darfst du diesen nicht verurteilen, denn sonst wird in Zukunft keiner den Schuss betätigen.

Ich kann dem Argument der Verteidigung durchaus beiflichten. Wenn du nicht schießt, gibst du dem Entführer bzw. Terrorist eine funktionierende Waffe für die Zukunft. Wenn du schießt, dann entwaffnest du auch zukünftige Attentäter, da ihnen diese Vorgehenweise genommen wird.

Der Fall erinnert mich aber an den Folterprozess. Ein Polizist hat gedroht einen Kindesentführer zu foltern, sofern er ihm nicht verrät wo er das -zudem kranke- Kind versteckt hat. Die Drohung führte schlussendlich dazu, dass er es verraten hat aber der Junge war bereits tot. Der Polizist wurde für schuldig befunden aber das Strafmaß vergleichsweise gering angesetzt. Im Grunde gab man ihm zu verstehen, dass er falsch gehandelt hat aber aus den richtigen Gründen und das man ihn verstehen kann.

Ähnlich ist es hier. Ich denke aber, dass man bei nur zwei Antwortmöglichkeiten nicht alles berücksichtigen kann. "Nicht schuldig" war wohl formuliert und man merkt, dass der Autor diese Entscheidung nachvollziehen kann. Da steckte wesentlich mehr Arbeit drin. Das Urteil "schuldig" halte ich übrigens für einen Witz. Die Begründung und die Formulierung spiegeln das vorangegangene Verfahren, in meinen Augen, nicht wieder. :facepalm: Ein "Schuldig"-Spruch, wäre unter diese Bedingungen auch in der Realität nichts anderes als eine Farce und anfechtungswürdig.
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Wobei es meine Meinung zum Wanken gebracht hat, dass man ja nie davon ausgehen kann, dass es wirklich zum Absturz kommt. In diesem Fall war es ja scheinba "nur" ein bewaffneter Terrorist, der damit schon im Cockpit zahlenmäßig unterlegen war und auch kein weiterer, der die Passagiere zurückhalten könnte. Ein Aufstand der Passagiere - wie er ja laut SMS des Ehemanns der Nebenklägerin geplant war - war somit im Bereich des Möglichen.
Das in diesem Fall das Stadion nicht evakuiert wurde war ja auch eher fahrlässig. War ja eine andere Sachlage als bspw. damals in Paris, wo man sich auch gegen eine entschied und damit das Richtige tat.
 

Bambi

hat verrückte Rehkitzideen
Ich wollte es ja "live" sehen. Muss ich jetzt wohl in der Mediathek nachholen. Hat ja schon wochenlang ziemlich hohe Wellen geschlagen es wurde zum Beispiel angefügt wie sich Thomas de Maizière bei der Theateraufführung entschieden hat, obwohl er es als Jurist eben eigentlich besser wissen müsste.

Woodstock ich glaube du meinst den Fall "Jakob von Metzler" bzw seinen Mörder M.Gäfgen.

Denke auch ich hätte für NICHT schuldig gestimmt. Obwohl es heißt man soll die Opferzahlen nicht gegeneinander aufwiegen weil 1 Menschleben kann genauso viel wert sein wie 1000. Sprich 164 gegenüber 70.000. Da würde man sich im Kreis drehen.

Gab vor Jahren mal ein Buch wollte ich lesen hab es aber irgendwie aus den Augen verloren Weiß leider nicht mehr wie es heißt. Da wurdest du als Leser vor verschiedene Situation gestellt Zum Beispiel ein Schiff geht unter du bist der Bestimmer. Mit der sicheren Methoden rettest du 50% die anderen 50% sterben oder wählst du die riskante Methode mit der du vielleicht 80% retten könntest aber das könnte auch schief gehen und es überleben nur 20%
 

Woodstock

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Das Argument mit den Passagieren die das Cockpit stürmen halte ich für wackelig. Am 11. Sepetember wurde auch eines gestürmt und die Maschine stürzte trotzdem ab. Glücklicherweise nicht auf die Stadt.

Hier hatte man keine Ahnung, ob die Stürmung nur geplat war oder auch durchgeführt worden wäre. Wäre es durchführbar? Außerdem muss man berücksichtigen, ob der Kampf am Board nicht noch Menschenleben gefährden würde, wenn man schon über bewohnten Gebiet flliegt. Das hätte natürlich alles funktionieren können aber Tatsache ist, dass konnte man unmöglich vorher wissen. Das waren zu viele ungewisse Variablen. Das Zeitfenster ins gering. Sollte man den Passagieren die Chance lassen oder nicht? Es ist eine Kommunikationsfrage. Hätten sie die Stürmung durchgeführt, noch bevor sie bewohntes Gebiet erreichen und wie sind ihre Chancen?
 

Dr.Faustus

Well-Known Member
Hier
ist ein guter Kommentar zu Film/Theaterstück und der ganzen Thematik.
Sie ist von Thomas Fischer, ehemaliger Verfassungsrichter.

Habe gestern den Film auch gesehen und sehe ein paar Mängel in der ganzen Aufmachung. Zum einen ist die Abstimmung mit 2 Wahlmöglichkeiten sehr verknappt. Ich persönlich hätte ihn zum Beispiel auf reiner Grundlage des Films schuldig gesprochen, aber ihn nicht bestraft.
Zum anderen ist die Diskussion auch sehr verkürzt und sehr "populistisch" dargestellt gewesen in meinen Augen. Mir fehlten zum Beispiel die Hintergründe zu entsprechenden Gesetzen oder zum Bundesverfassungsgerichtsurteil, dass sicherlich deutlich ausführlicher ist, gerade in der Begründung der Entscheidung, als einfach nur der Fakt, dass sie den Absatz gestrichen haben. Außerdem hatte ich schon das Gefühl, dass der Film den Zuschauer in eine Richtung mit seiner Entscheidung drängt, also nicht vollständig neutral die Argumente abwiegt und darlegt.
 
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