Story XLIII - Die Flucht

Clive77

Serial Watcher
Ich musste es tun. Weg von allem. Ich hielt es nicht mehr aus. Jeden Tag das Gleiche.
Aufstehen. Frühstück. Blöde Kommentare von meinen Mitbewohnern. Kai sagen, dass ich nichts von ihm will und er ein toller Freund ist. Jessi sagen, dass ihr Oberteil sie nicht dick macht. Ron sagen, dass er sein Referat an der Uni schon schafft. Dann ab zur Arbeit. Acht Stunden Büro. Nach Hause. Haushalt nach Plan. Kai sagen, dass er nicht traurig sein soll und nur die Augen nach anderen Frauen aufhalten soll. Jessi sagen, dass Kai sie schon irgendwann bemerkt. Ron sagen, dass es beim nächsten Mal besser wird. Abendessen. Telefonat mit Mama. Ich erkläre ihr, dass ihr neuer Freund ein Arsch ist und sie ihn verlassen soll, statt mich jeden Abend heulend anzurufen, während er in irgendeiner Bar sitzt und sich die Birn zu kippt.
Ich hielt es nicht mehr aus. Meine ganze Energie, meine Kraft. Alles habe ich für andere aufgebraucht.
Jetzt sitze ich in meinem kleinen Auto. Die Fahrt dauert nur 2 Stunden. Ich habe nur einen Rucksack mit. Das nötigste. Ausweis, Krankenkarte, Sparbuch. Ich war immer sehr sparsam, schließlich hatte ich keine Zeit, Geld für mich auszugeben. Ich musste ja für andere da sein und das Leben anderer gestalten.
Jedenfalls reicht dieses kleine Vermögen aus. Ich habe mir heimlich eine Wohnung etwas außerhalb von Berlin gemietet. Onlinebewerbung bei einem neuen Auftraggeber. Ich beginne ein neues Leben.
Der Job beginnt erst in 2 Wochen. Genug Zeit mir neue Sachen zu kaufen und meine Wohnung einzurichten. Vielleicht sogar mich mit meinen neuen Nachbarn anfreunden. Aber nicht zu sehr. Ich brauche meine Energie für mich. Ich starte ein neues Leben. Und niemand hat es bemerkt.
Morgen früh werden sie den Brief finden. Vielleicht melde ich mich nach ein paar Monaten und gebe ihnen meine neue Adresse. Nur für Briefe. Nicht mehr.
Es ist jetzt 4.30 Uhr nachts. Die Wohnungsübergabe findet um 8 statt. Aber ich konnte nicht schlafen. Ich musste einfach schon los. Seit Tagen bin ich aufgeregt und voller Vorfreude. Dabei war es sehr schwierig, meine Rolle vor den anderen weiter zu spielen. Ich brauchte noch mehr Kraft als sonst. Und nun bin ich wirklich fertig. Meine Augen werden müde. Nicht mehr lange und ich beginne ein neues Leben. In Freiheit.

„RON! RON!“ Jessi rannte nervös durch die Wohnung und stürmte in Rons Zimmer.
„Weißt du wo Christin ist?“
„Keine Ahnung..man es ist halb sieben...findest das nicht bisschen früh?“
„Ich brauche dringend ihren Rat!“ winselte Jessi.
„Das Shirt ist kacke, jetzt lass mich. Ich habe nen beschissenen Tag vor mir!“
Jessi rollte mit den Augen und wollte aus dem Zimmer stürmen, aber im Türrahmen stand Kai mit einem Blatt Papier in der Hand und großen Augen.
„Hey Leute...ähm...Christin hat uns was geschrieben...sie...sie ist weg!“ stammelte er.
„WEG?!“ krächzten Jessi und Ron fast im Chor.
„Zeig her!“ rief Jessi und griff Kai den Zettel aus der Hand. Dann fing sie an, laut zu lesen.

Hallo Leute,

ich möchte niemandem weh tun. Deswegen wollte ich eure Gesichter nicht mehr zum Abschied sehen und lieber ein paar Zeilen schreiben. Ich möchte noch ein letztes Mal, meine Kraft für dieses Leben aufbringen. Ich will euch nicht ständig aufbauen müssen und dadurch Einfluss auf euer Leben nehmen.

* Ring – Ring *

„Ich geh schon ran, ich kenne den Brief schon.“ sagte Kai und verließ den Raum.

Jessi las weiter:

Ihr schafft das Alles auch ohne mich. Trefft eure Entscheidungen und macht einfach euer Ding. Egal was andere von euch halten oder was ihr meint für andere tun zu müssen. Seit frei. Auch ich möchte nun frei sein. Ohne Zwänge und Regeln anderer.
Jessi du bist wunderschön, egal wie du aussiehst, dir fehlt nur mehr Vertrauen zu dir selbst.
Ron du schreibst tolle Referate und du schaffst dein Studium locker. Du kannst einfach nur nicht gut, vor anderen reden.
Kai. Jessi fährt voll auf dich ab.
Das waren meine letzten Ratschläge für euch.
Und jetzt macht was daraus. Ohne euch die Antworten bei anderen zu suchen. Macht euer Ding. Sucht die Antworten bei euch. Kein Mensch ist perfekt, aber wer will das schon.
Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder.

Eure Christin


Jessi stand mit offenem Mund da. Ron blickte hoch und starrte auf Kai mit dem Telefonhörer in der Hand. Jessi drehte sich zu ihm um.
„Kai, was ist?“
Er stand mit tränenden Augen in der Tür und seine Unterlippe zitterte.

„Es geht um Christin...sie...sie fuhr gegen einen Baum...sie ist tod!“ schluchzte er.

Jessi fiel der Zettel aus der Hand.

Dann flüsterte sie:

„Sie..sie hat sich...umgebracht?!“


Ich möchte noch ein letztes Mal, meine Kraft für dieses Leben aufbringen.
 

MamoChan

Well-Known Member
Ich konnte nicht anders und habe doch noch spät am Abend angefangen zu lesen. Vielleicht ist es doch ein bißchen zu spät, denn irgendwie weiß ich nicht, was ich zu dieser Geschichte schreiben soll. Neben unzähligen Fehlern fallen mir noch die ganzen fehlenden Wörter auf. Zur Geschichte selbst... Tja, Shit happens. Dumm gelaufen. Aber irgendwie will das alles in meinen Augen noch nicht zusammenpassen. Der Hintergedanke ist ganz gut, aber die Ausarbeitung wirkt auf mich nicht rund. Schwer in Worte zu fassen, vielleicht muss ich doch nochmal eine Nacht drüber schlafen.
 

soserious

Well-Known Member
Wuhu, auch nicht schlecht!

Ging mir etwas zu schnell, hätte man deutlich noch länger schreiben können. Den Ansatz finde ich super, noch ein klein wenig ausbaufähig :smile:
 

Joker1986

0711er
Gute Geschichte mit einem überraschenden und traurigen Ende.
Hätte - wie soserious schreibt - sicherlich auch länger sein können, andererseits ist die Geschichte erzählt und die kürze macht das Ende noch brutaler.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Eine nette Geschichte, die ausbaufähig ist. Mein größtes Problem in diesem Fall ist, dass ich für die Hauptfigur nur wenig Verständnis habe. Nicht weil sie eine Frau und alleinerziehende (?) Mutter ist, sondern weil ich nicht verstehe, weshalb sie sich vorher so verhalten hat. Warum hat sie die Dinge, die sie im Abschiedsbrief an ihre Leute richtet, nicht schon früher zu ihnen gesagt? Warum sagte sie ihnen nicht, dass sie es als Belastung empfindet, wenn ihre Kinder zu ihr kommen und ihren Rat oder ihren Zuspruch brauchen? Anstatt alles in sich hineinzufressen und später Selbstmord zu begehen, hätte sie wirklich schon viel früher anfangen sollen, ihrer Familie zu sagen, dass sie ihr auf die Nerven gehen und sie keinen Bock hat, sich darum zu kümmern. Vielleicht wäre es besser rübergekommen, wenn die Story länger und ausführlicher wäre, damit die Leser sich besser in die Hauptfigur hineinfühlen können (für mich muss eine Hauptfigur nicht immer sympathisch oder vorbildlich sein, aber eben nachvollziehbar). So liest sich das Ganze für mich ehrlich gesagt wie diese klassische Märtyrer-Litanei: "Ich opfere mich für alle auf, und alle kommen mit ihren Problemen immer wieder zu mir, und was ist der Dank dafür?" Die Frau arbeitet Vollzeit, kümmert sich um den Haushalt und um die Familie. Scheint also eine starke Persönlichkeit zu sein, aber nicht stark genug, um ihre Meinung zu sagen? Zumal ihre Kinder anscheinend schon erwachsen sind und nicht so bemuttert werden müssen.
Und wer ist Kai? Hoffentlich nicht auch ein Sohn von der Frau, denn Inzest finde ich nicht so schön :wink:

Das klingt vermutlich etwas kaltblutig von mir, aber es geht hier ja um eine fiktive Geschichte mit fiktiven Figuren, also bitte nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Wie gesagt, in etwas längerer Fassung könnte die Story viel besser rüberkommen. So ist sie aber schon vorbei, bevor ich ein Mitgefühl für die Protagonistin entwickeln kann - schade. Insgesamt ist sie ja nicht schlecht, aber leider auch nicht wirklich gut.
Trotzdem danke für diesen Beitrag und ich hoffe, dass Du (Die Autorin oder der Autor) bei den nächsten Runden auch mitmachst.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Die 3 sind nicht ihre Kinder, sondern ihre Mitbewohner. :wink:
Sehe es ansonsten aber wie du. Mehr Handlung hätte den Suizid vielleicht nachvollziehbarer gemacht.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Oh, dann habe ich es völlig falsch verstanden. Wieso dachte ich, dass Jessi und Ron die Kinder von Christin sind? Wurde irgendwo eine WG erwähnt und ich habs übersehen? Oder hatte ich diesen Eindruck einer Familie deshalb, weil Christin sich für alle verantwortlich, wie eine Mutter fühlt und verhält? :check:
Ja, ein wenig ausführlicher wäre wirklich besser gewesen. Nicht unbedingt mehr Handlung, aber etwas mehr Hintergründe etc. wäre besser gewesen. Vielleicht mehr Dialoge und Situationen, aus denen die Verhältnisse zwischen den WG-Bewohnern ersichtlich werden, ohne es als "allwissender Erzähler" einfach zu schreiben. Lieber es "zeigen" statt es in ein Paar Sätzen direkt zusammenzufassen :wink:
 

MamoChan

Well-Known Member
Puh, und ich dachte gerade, dass ich die Geschichte völlig falsch interpretiert hatte. :ugly: Ich konnte nämlich nirgends Hinweise finden, dass es sich um eine Mutter handeln könnte, die ihre Familie verlässt.
 

Clive77

Serial Watcher
Vom Ansatz her eine gute Idee. Aber definitiv zu kurz, um Christins Handeln nachvollziehen zu können oder gar mit ihr mitzufiebern. Gerade die Motivation für ihren Umzug kann ich nicht so recht verstehen. Die Probleme, die sie mit ihren Mitbewohnern hat, erscheinen mir weniger als echte Probleme, sondern eher als Lappalien. In meinen Augen hätte sie da zunächst einmal mit ihren Mitbewohnern drüber diskutieren und ggf. heftig streiten müssen, um tatsächlich den Schritt zu unternehmen und alle zurückzulassen. Besonders verwirrend ist dabei, dass die Job- und Wohnungssuche ja schon länger vor sich gehen musste und es somit nicht eine kurze, irrationale Entscheidung ist, nach Berlin bzw. außerhalb davon zu ziehen.
Das Ende war natürlich fies und trifft den Leser kalt. Hat mir gefallen, auch wenn es natürlich noch besser gewesen wäre, wenn ich für Christin da mehr Mitgefühl gehabt hätte.

Zum Stil: Fehler sind mir garnicht mal viele aufgefallen, aber viele Sätze sind kurz und wirken irgendwie abgehackt (teilweise haben die "Sätze" nur ein Wort), was das Lesen weniger angenehm gestaltet. Passt zwar so gesehen zu einer Geschichte der Marke "kurz und knackig", aber ich bin kein Freund davon.
 

Sittich

Well-Known Member
Die Geschichte war neben den anderen, teils recht ausufernden Geschichten auf jeden Fall sehr angenehm zu lesen. Kurz und auf den Punkt, ohne viel Drumherum. Wie bei der Stelle aus dem Brief,

Clive77 schrieb:
Kai. Jessi fährt voll auf dich ab.
bei der ich schmunzeln musste. :squint: Das Ende gefiel mir auch. Ich bin nur verwirrt, weil Tyler und Manny in ihren Beiträgen von Selbstmord sprechen (und ihnen keiner widerspricht). Es wird doch zu Beginn recht eindeutig klar gemacht, dass die Protagonistin umfassende Pläne für ihren Umzug gemacht hat. Für mich war der Tod ein Unfall. Von daher kann man vielleicht gnädiger sein, was ihre Motivation für ihren hastigen Abschied (aus dem Leben der anderen, nicht aus dem Leben insgesamt) angeht, aber hier bin ich auch bei den meisten Kommentaren: Das hätte man noch ein wenig ausführlicher schildern können.
 

Sittich

Well-Known Member
Das erste Zitat aus der Geschichte stammt von Jessi, die nur weiß, dass Christin gegen einen Baum gefahren ist. Dass sie direkt von Selbstmord ausgeht, soll den ganzen Umständen nur eine noch tragischere Note geben, denke ich. Jetzt müssen die drei nicht nur damit umgehen, dass sie ihre wichtigste Bezugsperson verloren, sondern dass sie sie vermeindlich auch noch in den Selbstmord getrieben haben. Wobei das wenig Bestand hat, weil sich die Selbstmordtheorie meiner Meinung nach nicht lange halten würde.

Das zweite Zitat aus dem Brief kann man so interpretieren, ja. Deswegen wurde er sicherlich nochmal ans Ende der Geschichte gesetzt. Ich würde das aber auch eher so interpretieren, dass sie mit dem Brief ein letztes Mal versucht, den Dreien die richtige Richtung zu weisen, bevor sie sich ihrem neuen Leben widmet.

Wie gesagt spricht doch der gesamte Beginn gegen die Selbstmordtheorie. Aber ich bin gespannt, was der Autor dazu sagt.
 

Clive77

Serial Watcher
Ich glaube auch, dass da zuviel in den "umgebracht"-Satz reininterpretiert wird. Dagegen spricht ja ganz klar, dass sie sich eine neue Wohnung und einen neuen Job gesucht hat. Außerdem liest sich der letzte Moment der Reise so, als wenn sie gleich am Steuer einschlafen würde - was zu einem tödlichen Unfall führt.
 

Joker1986

0711er
Jap, bin da auch bei Sittich.
Für mich war das beim ersten lesen ganz klar ein Unfall.
Erst die Kommentare über den Selbstmord haben mich zweifeln lassen.
Aber nach nochmaligem Durchlesen ist es für mir immer noch ein Unfall... :check:
 

Woodstock

Verified Twitter Account ☑️
Habe es auch als Unfall verstanden aber insgesamt fehlte mir der Geschichte ein wenig mehr Ausführung. Eine richtige Beziehung zur Hauptfigur konnte ich leider nicht aufbauen, weswegen der Tod mich nicht wirklich kümmerte.
 

Rhodoss

Well-Known Member
Also die Story war von mir und meine erste Kurzgeschichte überhaupt. Hatte zu erst einen dreiseitigen Entwurf und das war mir zu lang. Die Wirkung sollte kurz und knackig sein. Hab dann alles gelöscht und neu geschrieben und dabei anscheinend einfach zu wenig reingenommen.
Danke für die vielen tollen Tipps von euch.
Die Idee dahinter war, dass jemand einen Unfall haben sollte und es für alle Angehörigen und Bekannten aussehen sollte wie suizid. Etwas weiter ausgebaut, wäre es vielleicht wirklich besser geworden. Vielleicht überarbeite ich die Sache mal.
Bin je nach Thema bestimmt bei der nächsten Aktion dabei.
 

Joker1986

0711er
Rhodoss schrieb:
Die Idee dahinter war, dass jemand einen Unfall haben sollte und es für alle Angehörigen und Bekannten aussehen sollte wie suizid.
Das hat ja aber eigentlich funktioniert... gab ja einige Leser, die das als Suizid wahrgenommen haben
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Japp, ich bin auch vom Suizid ausgegangen.

Dafür, dass es deine erste Geschichte ist, ist sie dir gut gelungen :wink: Mach beim nächsten Mal auch mit.
 
Oben