In den Tiefen des Infernos ~ Werner Herzog

Revolvermann

Well-Known Member
Eine Dokumentation über Vulkane von Werner Herzog aus dem Jahr 2016.

Ich muss sagen, dass dieser Film mich ziemlich weggeblasen hat. Wie man bei dem Regisseur vermuten könnte, vermittelt er eine Sichtweise die nichts mit trockenen Naturdokus gemein hat.
Der Vulkan wird als Symbol der Naturgewalten beleuchtet. Als Gott, der Leben entstehen lässt und es auch wieder nimmt. So werden kleine Stämme gezeigt, die den Vulkan tatsächlich als ihren Gott sehen. Oder auch welchen Einfluss Vulkane auf ganz aktuelle Staaten, wie z.B. Nordkorea haben.
Es werden Bilder, wie z.B. die von der Vulkaninsel Island gezeigt, in der gewaltige Ausbrüche ganze Städte unter sich bergraben haben. Mit wunderschönen Aufnahmen, die so beeindruckend und so apokalyptisch anmuten, als stammen sie direkt von einer mittelalterlichen Abbildung der Hölle. Auf der anderen Seite verfolgt man die Arbeit von Archäologen in Äthiopien, die Knochen der ersten Menschen ausgraben. Knochen die sich nur dank dem Vulkangestein dort bergen lassen und das auch nur zufällig in genau der heutigen Epoche. Wahrscheinlich wegen eines gigantishcen Ausbruches, der unsere komplette Art vor Jahrtausenden fast ausgerottet hätte. Heute können wir nur deshalb erkennen, woher wir stammen. Diese unglaublich lebensfeindliche Zerstörung, gibt uns einen Wink woher wir kommen. Wer wir sind.
Grandiose Bilder, interessante Fakten und viel Platz zum sinnieren und staunen. Herzog hat es mal wieder geschafft und zeigt unter anderem auch mal wieder, was für ein lieblos zusammengeschusterter, pseudowissenschaftlicher Verschwörungsscheiß, nachts auf N24 als Dokumentaion durchgeht. Natürlich nicht nur und nicht nur dort aber das hier ist "Filme machen".

9/10

Dank an Argento, der mich nachdrücklich auf diese Netflix Produktion aufmerksam gemacht hat.
 

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Ich finde es im Film besonders bemerkenswert, wie der Wandel von einer Vulkandokumentation fließend in ein Porträt Nordkoreas und wieder zurück gelingt. Dazu dann noch die beruhigende "Lehrer"-Stimme von Herzog und man hat schlicht einen Film, der in seinem Informationsgehalt, nur vom Unterhaltungsfaktor übertroffen wird.​
 

Mestizo

Got Balls of Steel
Moderiert Herzog den auch in der deutschen Fassung? Finde sein derben Akzent im Englischen eher anstrengend, als beruhigend.
 

Revolvermann

Well-Known Member
@ Mestizo
Er moderiert auch in der deutschen Fassung. Auf deutsch.

@ TheReelGuy
Absolut. Erinnerte mich kurzzeitig an die ebenfalls bei Netflix vorhandene Doku "The Propaganda Game" über Nordkorea, die ich vor kurzem sah. Von einem Spanier, falls ich mich nicht täusche. Nicht so gut wie die hier aber trotzdem sehenswert.
Herzogs Stimme ist anfangs immer etwas gewöhnungsbedürftig, finde ich. Allerdings nicht zu verwechseln mit "langweilig". Im Gegenteil. Nach einer gewissen Eingewöhungsphase entwickelt sich sogar eine Art Sog.
 

Argento

Well-Known Member
Ich kann Revolvermann nur zustimmen.

Knappe Aufarbeitung:
Werner Herzog ist einer der Künstler, die mich schon mein ganzes Leben begleiten und mein Leben bereichern. Aus der Außenpersepektive betrachtet wahrscheinlich viel zu früh gesehen, da zu jung, gehören AGUIRRE und FITZCARRALDO zu den wichtigsten und prägenden Filmen meiner filmischen Sozialisation. Die Herzog'sche Getriebenheit, seine Leidenschaft, sein Mut, sein Wahnsinn und die Notwendigkeit, die seinen Werken inhärent ist, beeindrucken mich zutiefst. Sein Werk erstaunt, beglückt und verwirrt mich. Er selbst sieht sich übrigens gar nicht als Künstler; nennt sich selbst immer schlicht einen Soldaten.

Dasjenige, was er abseits seiner Spielfilme schöpft, wird gemeinhin oft als Dokumentation bezeichnet. Der Einfachheit halber spricht natürlich nichts dagegen, dergleichen so zu handhaben, aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass Herzog selbst diese Einordnung strikt ablehnt. Denn das, was oft als Dokumentation bezeichnet wird, ist eben - bei genauer Betrachtung - niemals eine solche und erfüllt auch nicht deren Anforderungen. Herzog selbst betont immer wieder, dass seine "Dokumentationen" immer mit einem starken Stilisierungs- und Gestaltungswillen einhergehen. Demzufolge ist in jenen Filmen immer auch sehr viel inszeniert.

Nun zu INTO THE INFERNO:
Die Herzog'sche Inszenierung ist - wie immer - elektrisierend. Die harmonische Beziehung, die Musik, Bilder und Kommentar eingehen entfalten nicht selten eine Sogwirkung. Herzog - dergleichen braucht man kaum betonen - kommentiert seinen Film selbst. Wie immer ist seine Tonalität und dasjenige, was er sagt, im besten Sinne hypnotisch.

Herzogs Werk ist auch nur auf den ersten Blick ein Film über Vulkane. Es ist - wie Revolvermann sehr richtig anmerkt - ein Film über die Menschheit. Ein Film über den Menschen. Kurz: Ein Film über uns, der uns viel über uns selbst erzählen kann.

Ich sah INTO THE INFERNO umgehend, nachdem dieser veröffentlicht wurde. Er hallt noch immer nach.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Herzogs Akzent ist Beste! Hab dem bisherigen Konsens hier außerdem glaube ich kaum nach was hinzuzufügen, der Film ist wirklich super. Schreibe vielleicht noch mal ein paar Sätze dazu, wenns an die Jahresbestenlisten geht. :squint: Bis dahin: Kann Revolvermanns und Argentos Beiträgen nur schwerstens beipflichten.
 

TheGreatGonzo

Not interested in Naval Policy
Mestizo schrieb:
Habs ja verstanden, jeder steht auf Herzogs Akzent außer meiner Wenigkeit. :biggrin:
Da hilft nur Konfrontationstherapie. Ich empfehle das knapp 2 stündige Interview mit Herzog aus Marc Marons WTF-Podcast (Kann man aber auch so hören, weil gut). :biggrin:
 
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