Supernatural S12E09 - First Blood

Clive77

Serial Watcher
Mit der Folge "First Blood" meldet sich die US-Serie Supernatural aus der langen Winterpause zurück. Die Winchesters sitzen in einem geheimen Gefängnis fest, während Cas zusammen mit Mary einen Weg sucht, die beiden zu finden und zu befreien.

"What we have here is a failure to communicate. We‘re not trapped out here with you. You‘re trapped out here with us."

Eine etwas andere Episode…
Was einem zunächst in den Sinn kommt, wenn man "First Blood" gesehen hat, ist wohl die Ansicht, dass es sich um eine recht ungewöhnliche Folge der Reihe handelt. Von den übernatürlichen Elementen fehlt fast durchgehend jede Spur. Es gibt keinen Fall, keinen bösen, magischen Gegner, den es zu bezwingen gilt und im Grunde genommen ist die Situation, in der sich Sam (Jared Padalecki) und Dean (Jensen Ackles) anfangs befinden, vergleichsweise banal.
Bevor es um die eigentliche Kritik geht sei daher angemerkt, dass die Ansatzpunkte der Episode in ihrer ungewöhnlichen Art durchaus etwas Erfrischendes zu bieten haben. In der ersten Hälfte der Folge wohnen wir somit einem ruhigen Drama bei, welches sich oftmals an der Grenze zur Langeweile befindet, während die zweite Hälfte uns die Flucht der Brüder vor ihren Häschern zeigt und dabei auch vermehrt humoristische Merkmale (oft in Form von Filmreferenzen) dominieren.
Eine derartige Folge gab es zuvor noch nicht und das ist an sich eine gute Sache. Für die 250. Folge der Serie lässt sich vielleicht auch ein kleines bisschen was außer der Reihe erwarten. Zwar lag in einigen Episoden durchaus mal hier und dort der Fokus ein wenig auf den Konflikten der Winchesters mit den Behörden – aber im Grunde genommen waren das stets nur kurze Randerscheinungen, während hier eine aussichtslose Lage geschaffen wird, die permanenterer Natur sein soll(te).
Allerdings fangen dort dann auch die Probleme der Folge an, die sich leider nicht von der Hand weisen lassen.

…die unter ihrem Potenzial bleibt
Fangen wir vorne an. Die Winchesters werden also nicht auf gewöhnliche Art und Weise festgenommen, was ihnen das Recht auf ein Telefonat, einen Anwalt und dergleichen einräumen würde, sondern von Rick Sanchez (Stephen Lobo) in eine geheime Einrichtung gebracht, wo sie zunächst von „Camp“ (Norman Browning) verhört werden – aber schweigen. Geschuldet ist das alles der Situation am Ende der letzten Folge und mit Blick darauf, dass das Leben des Präsidenten bedroht war, könnte man die ungewöhnliche Natur der Festnahme (ohne jegliche Rechte der Gefangenen) durchaus nachvollziehen – lieber alles im stillen Kämmerlein klären, statt den Fall an die große Glocke zu hängen.
Ein wenig Potenzial wird aber auch hier schon verschenkt. Denn Rick, der durch sein Auftreten im Midseasonfinale noch verdächtig wirkte, entpuppt sich nicht als eine besondere Figur. Er ist kein Dämon, gehört nicht den britischen Men of Letters an und hat auch sonst keine besonderen Eigenschaften. Wer also davon ausgegangen ist, dass den Winchesters nun ein Aufenthalt außergewöhnlicher Art in einem magischen Verlies droht, muss dann doch erkennen, dass sie bloß irgendwo in Einzelhaft gesteckt (und noch nicht einmal gefoltert) werden.
So richtig stutzig wird man aber, wenn Castiel (Misha Collins) selbst mit der Hilfe von Mary (Samantha Smith) nicht in der Lage ist, die beiden zu finden. Vielleicht sollten die Macher uns einmal erklären, über welche Eigenschaften unser Engel noch verfügt und welche sich nicht mehr in seinem Repertoire befinden. Es lässt sich schließlich noch verkraften, dass Crowley (Mark Sheppard) für die beiden keinen Finger rühren will und Castiels Hilfegesuch mit einer amüsanten Erklärung ablehnt. Dennoch ließe sich annehmen – auch in Anbetracht der Zeit, die da verstreicht bis Dean sich bei ihm meldet – dass er oder Mary auf eine Idee kommen würden, wie sie Sam und Dean ausfindig machen können.
Auf der anderen Seite hätten Sam und Dean auch diverse Optionen, die sie ungenutzt lassen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Gebet in Richtung Engel oder irgendeinem magischen Spruch/Ritual, um auf sich aufmerksam zu machen? Zugegeben, abgesehen vom eigenen Blut stehen den beiden keine „Zutaten“ für sowas zur Verfügung, aber in anderen Situation ließ sich damit schon viel bewerkstelligen und mit dem ganzen Wissen, was sich die beiden in den zwölf Staffeln angeeignet haben, ließe sich doch erwarten, dass sie irgendetwas unternehmen könnten. Und zwar nicht das, was sie schließlich unternehmen.

Billy
Der Deal mit Billy (Lisa Berry) war so ziemlich das Letzte, womit sich rechnen ließ und keine gute Lösung. Also, rechnen ließ sich damit schon als die beiden tot in ihren Zellen lagen. Aber dass sie bereit waren, einen solchen Handel einzugehen und dass ihnen tatsächlich die Einzelhaft (nach wieviel? Sechs Wochen?) derart zusetzt, ist schon weit hergeholt.
Da hätte man sich einen anderen Weg gewünscht oder aber eben eine längere Aufenthaltsdauer der Brüder in Haft, die sich über ein paar Folgen erstreckt und uns verdeutlicht, dass den beiden die lange Gefangenschaft wirklich an die Nieren geht. Hier war das (mit Blick auf den Deal) viel zu kurz. Wobei damit nicht gemeint ist, dass wir den beiden dann wochenlang zugesehen hätten, wie sie in ihren Zellen hocken. Vielmehr hätte es sich angeboten in der Zwischenzeit zu verfolgen, was Castiel und Mary anstellen. Hätten die ein gutes Team abgegeben? Und überhaupt, was hier am Rande von den beiden gezeigt wurde, hätte gerne eine größere Ausführung haben können. Castiel, wie er (vergeblich) versucht, einen Fall zu lösen oder Mary, die tatsächlich ein Vampirnest ausnimmt. Das waren Ansatzpunkte, die man für 1-2 Episoden gerne hätte verfolgen können, während Sam und Dean langsam aber sicher zur Verzweiflung finden und sich schließlich an Billy wenden. Denn mal ehrlich; nach allem, was die beiden schon durchgemacht haben (Sam im Käfig, Dean im Fegefeuer – um nur zwei Beispiele zu nennen) wirkt die Einzelhaft mit Vollpension und Rasierapparat doch recht harmlos.
Aber hätte, wäre, wenn… zurück zu Billy. Wenn wir einmal akzeptieren, dass Sam und Dean tatsächlich der Verzweiflung nahe sind, kommt der Handel in den Bereich des Möglichen. Und glücklicherweise wurde die Situation am Ende nicht genutzt, um Mary schnell wieder aus der Serie zu schreiben – das wäre wirklich ein Worst Case Szenario gewesen. Stattdessen sorgt Cas dafür, dass der Handel (durch Billys Ableben) gebrochen wird. Wie die „kosmischen“ Konsequenzen der Tat (und des Bruchs des Deals) aussehen werden, bleibt noch abzuwarten. Aber zur Abwechslung sind es einmal nicht Sam oder Dean, die hier eine folgenschwere Tat begehen, sondern Castiel. Wir können somit gespannt darauf sein, was unseren Protagonisten damit in Zukunft blüht – hoffentlich etwas Spannenderes als die britischen Men of Letters.

British Men of Letters
Mick (Adam Fergus) konnte nun doch ein paar Jäger ausfindig machen (erstaunlich, war das doch noch zu Beginn der Staffel ein großes Problem, welches der Folter von Sam bedurfte) und bietet diesen eine Zusammenarbeit an. Am Beispiel von Wally (Donavon Stinson) sehen wir allerdings, dass die Amis von den Briten nichts wissen wollen. Unabhängigkeit geht eben vor, auch wenn die angebotenen Mittel sicher verlockend klingen.
Durch Mary wird Mick allerdings jetzt die Tür geöffnet, denn Mama Winchester war (zurecht, will man meinen) sichtlich beeindruckt von den Möglichkeiten, die den Briten zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite sah es auch fast so aus, als wenn Mick und Mr. Ketch (David Haydn-Jones) davon beeindruckt wären, dass Sam und Dean den guten alten Lucifer in seine Schranken verwiesen haben. Ob jetzt aber daraus eine fruchtbare Zusammenarbeit entsteht, lässt sich bezweifeln.
Denn – und das ist wohl bislang das größte Manko der Briten – das feine Äußere steht im großen Gegensatz zur skrupellosen Vorgehensweise. Wobei man sich tatsächlich fragen darf, wie ein gewisser Arthur Ketch hier in der Lage ist, mal eben eine ganze Einrichtung ins Jenseits zu schicken (und weshalb das ohne Folgen bleiben sollte, denn irgendjemand dürfte doch wohl wissen, dass die Winchesters dorthin transportiert wurden). Und wenn er sowas bewerkstelligen kann, weshalb braucht man dann überhaupt noch amerikanische Verbündete? Bei den ganzen Möglichkeiten und mit Leuten wie Ketch wäre es doch ein Leichtes, ganz unabhängig von anderen die Schutzzone über Großbritannien hinaus auszuweiten und schließlich allen übernatürlichen Elementen den Garaus zu machen. Hmm.
Unterm Strich bleibt die Skepsis gegenüber den Briten bestehen. Sie können bislang keinerlei Sympathiepunkte gewinnen, denn dazu sind sie eindeutig zu mordlustig. Selbst wenn man keine losen Enden hinterlassen will, was sich bei übernatürlichen Gegnern noch (halbwegs) nachvollziehen lässt, wurden hier jede Menge Unschuldige getötet – nicht gerade die feine britische Art.

Fazit: Es gab zahlreiche gute Ansätze und bei Sam und Dean auf der Flucht kam auch des Öfteren gute Laune auf. Aber unterm Strich wurde hier doch arg viel Potenzial verschenkt und die Prämisse geradezu forciert. Die unübliche Herangehensweise kann die Mankos nicht aufwiegen und somit bleibt am Ende nur eine Folge übrig, die lieber einen oder mehrere der angedeuteten besseren Wege eingeschlagen hätte.

4,5/10
 
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