Doctor Who (2005) S10E06 - Extremis

Clive77

Serial Watcher
In der Folge "Extremis" der UK-Serie Doctor Who wird der Doctor vom Papst um Hilfe gebeten. Es geht um einen alten Text, der seine Leser in den Selbstmord treibt. Aber das ist natürlich nicht alles.

The Vault
Wenn Steven Moffat die Feder schwingt, kann man sich oft auf etwas Großes gefasst machen. In der Vorschau zu "Extremis" konnten wir bereits Missy (Michelle Gomez) erblicken. Ihr Handlungsstrang hat allerdings (noch) nichts mit dem neuen Abenteuer des Doctors (Peter Capaldi) zu tun. Vielmehr bekommen wir in mehreren Rückblicken gezeigt, wie sie im Tresorraum gelandet ist. Zumindest sollten jetzt keine Zweifel mehr daran bestehen.
Die Handlung beginnt auf einem fernen Planeten vor sehr langer Zeit, wo sich Rafando (Ivanno Jeremiah) und andere auf die Kunst der Hinrichtung spezialisiert haben. Dort steht nun eine besondere Exekution an, denn ein Time Lord soll sein Leben lassen, wozu auch eine spezielle Maschine entwickelt wurde, die nicht nur den Tod einleitet, sondern auch den lästigen Regenerationszyklus beseitigt. Der Körper wird anschließend in dem uns bekannten Tresorraum gelagert und für 1000 Jahre überwacht - sicher ist sicher.
Aber wird der Doctor seinen langjährigen Gegenspieler und „Freund“ nun tatsächlich hinrichten? Das ist die Frage, die Spannung generieren soll, dies aber nur in begrenzter Form vermag. Schließlich wissen wir bereits, dass die gefangene Person im Tresorraum keineswegs tot ist. Somit ist es nur wenig überraschend, wenn Missy sich wieder erhebt, nachdem der Doctor den vermeintlich tödlichen Hebel umgelegt hat. Zuvor hat sie bereits auf ihn eingeredet und um ihr Leben gefleht und auch Nardole (Matt Lucas), der hier dazustößt und dem Doctor das Tagebuch von River Song überreicht und daraus zitiert, wird den Doctor dahingehend beeinflusst haben, die Hinrichtung nicht durchzuziehen.
Was übrig bleibt ist eine dennoch gelungene Vorgeschichte zum Tresorraum und zum Eid des Doctors, seine Gefangene für 1000 Jahre zu überwachen - denn diesen Teil hat er vor durchzuziehen. Mit Blick auf das Ende dieser Episode und der andauernden Blindheit, die ein ernstzunehmendes Handicap ist, wird er aber seinen Eid bald brechen müssen. Mal schauen, ob Missy sich dann wirklich als Freund erweist.

Veritas
Das eigentliche Abenteuer spielt in der Gegenwart und entpuppt sich später als Simulation. Keine unserer Figuren war hier in Gefahr, obgleich die natürlich vorhanden ist. Den Invasoren kann man jedenfalls zu ihrer Entscheidung beglückwünschen, zunächst mehrere Tests durchzuführen, ehe sie wirklich zuschlagen. Da steigt die Aussicht auf Erfolg und der Doctor wirkt am Ende auch recht ratlos, wie er die Invasion verhindern soll - der Gedanke, Missy vorzeitig freizulassen, ergibt da schon Sinn. Einen Vorteil hat unser Time Lord allerdings. Er ist nun dank seines simulierten Selbst vorgewarnt und weiß, was sich da anbahnt.
Ganz nüchtern gesehen ließe sich das Abenteuer im Nachhinein als Zeitverschwendung betrachten, denn keine unserer Figuren (abgesehen vom Doctor) ahnt, dass es überhaupt stattgefunden hat. Die Umsetzung ist aber sehr genial, vor allem was die Idee des alten Buches mit dem Titel „Veritas“ angeht. Ein Buch, welches seine Leser dazu veranlasst, Selbstmord zu begehen. Erinnert ein bisschen an das fiktive „Necronomicon“ von H. P. Lovecraft, welches seine Leser in den Wahnsinn treibt und ähnlich gefährlich ist. Da liegt der Gedanke nahe, dass es sich bei „Veritas“ um eine ähnliche Schrift handelt, die sich mit Magie, Dämonen und dergleichen beschäftigt, zumal wir auch einige dämonisch anmutende Kuttenträger zu sehen bekommen.
Aber da werden wir auf eine falsche Fährte gelockt, wozu auch das herrlich unheimliche Szenario in den tiefen und geheimen Katakomben unter dem Vatikan beiträgt. Was uns aber Hinweise auf die Auflösung der Geschichte (und somit auch die Wahrheit) gibt, sind die ganzen technologischen Geräte, die uns im Folgenverlauf präsentiert werden. Die passen nämlich nicht zur Vorstellung, es mit Magie zu tun zu haben, was aber andererseits den Spaß am Rätselraten deutlich erhöht.
Was könnte also geistliche Figuren wie Piero (Fransesco Martino) und Wissenschaftler wie Nicolas (Laurent Morel) gleichermaßen dazu veranlassen, Selbstmord zu begehen? Die Erkenntnis, dass sie keine realen Figuren sind. Das Buch berichtet von der Simulation und der Zahlentest bestätigt die Annahme - da liegt Selbstmord als Fluchtversuch quasi auf der Hand. Super Mario würde es wohl ähnlich handhaben, wenn er wüsste, dass er nur eine Figur in einem Computerspiel ist.

Nardole und Bill
Während der Doctor seine Aufmerksamkeit dem Buch widmet, dürfen Nardole und Bill (Pearl Mackie) diverse Portale durchschreiten, um des Rätsels Lösung auf die Spur zu kommen. Ein gelungenes Teamup, bei dem Nardole die Führung übernehmen darf und nicht nur für humorvolle Einlagen sorgt. "Nardole, are you secretly a badass?"
„Badass“ geht natürlich zu weit, aber Nardole macht eine wichtige Entdeckung, die uns den entscheidenden Hinweis gibt und ihn verschwinden lässt. Es war wirklich toll, ihn hier mal in einer aktiveren Rolle zu sehen und nicht nur als den Mann, der für die besten Witze sorgt. Das Zusammenspiel mit Bill hat auch gut funktioniert, wenngleich da noch ein wenig Luft nach oben bleibt.
Apropos Bill. Die bekommt mit Penny (Ronke Adekoluejo) ein love interest, was abseits des Abenteuers (welches sie mittlerweile gewohnt gut meistert) auf eine neue persönliche Entwicklung hindeutet. Ob sich daraus mehr entwickeln wird als ein Date, bleibt aber noch abzuwarten. Zumal Bill erst am Ende erfährt, dass Penny nicht außerhalb ihrer Liga angesiedelt ist. Typisch Moffat übrigens, den Anlass für das Date ans Ende der Episode zu setzen und damit eine Schleife zu kreieren (wenn Bill erst am Folgenende vom Doctor erfährt, dass sie Chancen bei Penny hat, warum gab es dann schon zu Episodenbeginn ein Date? - besser nicht drüber nachdenken).

Der Doctor
Das Handicap macht unserem Doctor hier deutlich zu schaffen, auch wenn er dank Sonnenbrille nicht vollkommen blind durch die Gegend stolpert. Seine stark beschränkte Sicht wird allerdings sehr gut für das Abenteuer genutzt. Ein paar amüsante Szenen hier und dort, weil er nicht sieht, was oder wen er vor sich hat und natürlich das große Problem, dass er das Buch nicht lesen kann und deshalb eine riskante Aktion unternimmt (die aber wohl aufgrund der Simulation ohne Konsequenzen bleiben wird). Visuell wurde das für uns Zuschauer aber gut gelöst. Das verschwommene Sichtfeld, nachdem er seinen kleinen Apparat benutzt hat, gab einen guten Eindruck von seinem Dilemma. Und am Ende auf ein Hörbuch zurückzugreifen beziehungsweise sich den Text vorlesen zu lassen, hatte auch was.
Interessant auch der Hinweis von Nardole, dass er Bill nicht in sein Handicap einweiht, weil es erst dann wirklich real werden würde - ob wir da später noch drauf zurückkommen? Aber wichtiger ist wohl die Frage, ob der Zustand tatsächlich dauerhaft bestehen bleibt. Diese Woche konnte sein Manko gut genutzt werden, aber für den gesamten Rest der Staffel? Schwer vorstellbar. Merkwürdig auch, dass Bill (also, ihre simulierte Version) noch nichts bemerkt hat. Da gab es doch mehrere Situationen, in denen sie zumindest Verdacht hätte schöpfen müssen.
Sicher scheint aber, dass dem Doctor vorerst kein Weg zur Verfügung steht, um sein Augenlicht wiederzubekommen. Sonst müsste er jetzt nicht in Erwägung ziehen, seinen Eid zu brechen und Missy vorzeitig freizulassen. Naja, schauen wir mal, wie er sich nächste Woche schlägt.

Fazit: Sehr gute Episode, die uns die Vorgeschichte zum Tresorraum offenbart und gleichzeitig auch der Auftakt eines Mehrteilers ist, der nächste Woche fortgesetzt wird. Es ließe sich zwar monieren, dass die Ereignisse dieser Woche im Endeffekt bedeutungslos wirken, dennoch lud das Rätsel um das Buch zum Mitraten ein und bescherte uns ein spannendes, unheimliches und stellenweise sehr amüsantes Abenteuer.

9/10
 

Metroplex

Well-Known Member
9/10?
Kann ich so nicht unterschreiben, für mich war das definitiv die schwächste Episode dieser Staffel.
Die erste Hälfte wirkte ziemlich überhastet und war auch nicht sehr gut geschrieben. Der Kardinal ist "gestorben" weil er "die Wand nach Rissen untersuchen" musste und 5min da herum steht und die Wand abtastet. Das "Augenlicht aus der Zukunft ausleih" Gerät war auch quatsch, ich wette einen digitalen Keks dass das später nie mehr angesprochen wird. Der Projektorraum wird nur gefunden weil die Aliens die Tür unbewacht offen rum stehen lassen usw. Der Doctor lässt sich von den Aliens an einen Stuhl fesseln nur weil er glaubt es handelt sich um den Kardinal usw.

Ah, ja, an den Kulissen wurde diese Woche auch gespart. Der Projektorraum war offensichtlich digital, und als Schweizer war ich besonders beleidigt über die Darstellung des CERN... ein Poster an der Wand auf dem Cern steht und ein zur Kantine umgestalteter Sitzungsraum mit 5 Tischen, sehr schön :clap:

Es gab noch viel mehr was seltsam oder unnötig war, nur schon das Buch selber, Veritas, das ist also hunderte von Jahren alt, jetzt taucht es wieder auf und wir erfahren daraus dass alles nur eine Simulation ist. Vermutlich habe ich da nicht richtig aufgepasst, aber wer hat das nochmal in dieser nicht übersetzbaren Sprache geschrieben? Die Aliens selber? Und dann ist's ihnen aus der Tasche gefallen und wir haben es gefunden?

Irgendwie ist das alles typisch Moffat (obwohl ich so auf Anhieb nicht mal weiss ob er die Folge geschrieben hat), alles wird künstlich "tiefer" dargestellt als es eigentlich ist, ist aber am Ende doch noch belanglos.
Also ich dann nach einer Weile auf die Uhr geschaut habe und gesehen habe dass die Folge nur noch 15 Minuten läuft, hatte ich schon Angst dass wir mal wieder eine Bullshit Auflösung vorgesetzt bekommen. Zum Glück war das dann nicht so, und die Handlung wurde auf eine zweite Episode ausgedehnt. Der Twist hat mir sogar gefallen, mal sehen was die zweite Folge daraus macht.

Ah ja, interessant dass der Sonic Screwdriver wieder da ist! Nicht dass ich gedacht hätte dass er keinen mehr bekommt, aber eine kurze 2 Sekunden Szene wie er ihn aus dem Schrank nimmt oder so wäre schön gewesen.

Fazit: Für mich die schwächste Folge dieser Staffel, welche zum Glück aber bis jetzt die Beste mit Capaldi ist. Ich hoffe dass wir in der nächsten Episode eine befriedigende Auflösung für die Geschichte bekommen werden.
 
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