Ist das Aufwärmen alter Geschichten eine Notwendigkeit?

Woodstock

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Bitte zuerst dieses Video von Just Write ansehen (englisch).

Für jeden der kein Englisch kann (lerne es bitte!) und weder "Brave New World", noch "1984" je gelesen hat, fasse ich es (sehr) kurz zusammen.

In Orwells "1984" werden die Medien kontrolliert. Man sieht nur noch Propaganda und jegliche Empathie wird vom Staat gesteuert. Als würde man in den Medien nur Propagandafilme sehen um den Hass auf bestimmte Menschen zu schüren. Alles ist überwacht und die Geschichte der Welt wird jederzeit nach Belieben geändert und das Volk macht mit.

In Huxleys "Brave New World" ist die Kunst praktisch tot. Alles was dem Menschen vorgesetzt wird sind annehmbare Bilder.
Aber die haben doch gar keine tiefere Bedeutung.«
»Sie bedeuten, was sie sind: angenehme Empfindungen für das Publikum.«
»Aber diese Filme - sie sind erzählt von einem Schwachkopf‹.

Beides hat zur Folge, dass das Volk gesteuert werden kann, keine Empathie empfindet und verlernt selbst zu denken.

Beides ist auch heutzutage zu beobachten. Orwell findet sich in den sensationsgeilen, Angstmedien und Fakenews und Huxley in den sozialen Netzwerken, dem Internetmob und Hollywoodblockbustern. Das Video endet mit dem Belegen, dass die Menschen heutzutage merklich immer weniger lesen und behauptet, dass die stärkste Waffe gegen den Totalitarismus die Bildung ist. Diesem Gedanken teile ich seit Jahren und finde ihn im Video gut formuliert.

Die Menschen sollten mehr lesen und die Welt durch andere Augen kennenlernen. Sie sollten lernen und selbst entscheiden welche Meinung sie haben. Sie sollten möglichst Kunst sie genießen, welche tiefere Bedeutung besitzen und nicht nur zum Geldgewinn oder zur seichten Unterhaltung erschaffen wurden.

Die Menschen lesen aber nicht einfach so von selbst, daher spreche ich mich in der Tat für Remakes und Reboots aus. Die Menschen brauchen die alten Botschaften und Geschichten von früher, um ihr Empfindungsvermögen, ihre Empathie und auch ihre Fähigkeit zum eigenständigen Lernen erneut zu gewinnen. Indem man die alten Geschichten aufwärmt und sie einer neuen Generation präsentiert, sorgt man für ein gewisses gleiches Anfangslevel in jeder Generation, so das sie sich weiterentwickeln kann und vielleicht die Welt langsam besser werden kann.

Was meint ihr?
 

Snogard

New Member
Du schmeißt da ein gesellschaftliches Problem mit Remakes und Reboots in einen Topf. Der Spagat leuchtet mir nicht so ganz ein. Wieso sollten Menschen sich dadurch weiterentwickeln und somit die Welt verbessern?!
Zumal die Remakes oder Reboots, welche ich mir die letzten Jahre ansehen musste, nicht einmal ansatzweise die Qualität oder Tiefe des Ursprünglichen erreichen konnten.

Ghostbusters
The Fog
Moby Dick
The Shining
Ben Hur
Dracula
Die Mumie
Die Zeitmaschine
Spartacus
Der rosarote Panther
Der verrückte Professor
Alien
Conan
Poltergeist
Hitcher
Robocop

Nur mal als kleine Auswahl. Ich sehe in keinem der genannten Remakes das Potential zur Weltverbesserung. Bei einigen Streifen wurde tricktechnisch eine Schaufel draufgelegt, sicherlich, aber die inhaltlichen Qualitäten sind doch mehr als unterirdisch. Und von den Reboots möchte ich gar nicht erst anfangen (Spiderman, Fantastic Four........).
 

Revolvermann

Well-Known Member
Das Just Write Video habe ich vor ein paar Wochen gesehen und weil ich gerade Bock drauf hatte im Anschluss "Brave New World", "1984" sowie "Fahrenheit 451" und "Animal Farm" gelesen.
Die beiden Orwell Bücher kannte ich zwar schon aber die lohnen sich auch ein zweites Mal.
Das die beste Waffe bzw. Vorbeugung gegen ein totalitäres Regime oder gegen eine unmenschliche Idiologie, eine gebildete, belesene Gesellschaft ist, sehe ich genauso.

Obwohl ich prinzipell nichts gegen Remakes und Reboots habe, ist das meiner Meinung nach nicht unbedingt sehr wichtig. Man kann genauso gut, wenn nicht besser, neue Geschichten entwickeln.
Die alten Bücher sind gut wie sie sind. Die kann und sollte man auch aktiv jüngeren Menschen empfehlen bzw. seinen Kindern, Neffen ect. ans Herz legen (wie viele, viele andere Bücher auch). Allerdings erst ab einem bestimmten Alter, sonst kann Unverständnis zu Trotz oderLangeweile führen und alles ins Gegenteil verkehren. Damit wärmt man auch nichts auf, denn viele Geschichten sind zeitlos.
Allerdings gibt es auch einige neuere Bücher, die in dieses Spektrum passen und sehr modern sind. "Die Tribute von Panem" und "Harry Potter" werden gern als Kinderkarm abgetan und sie sind ohne Frage auch so konzipiert, dass sie auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Es sind aber beides sehr moderne, temporeiche Geschichten über den Kampf gegen bzw. die Übernahme eines totalitären Regimes. Zudem ist zumindest Potter auch ein herzerwärmendes Stück über Freundschaft, Familie sowie Individualität und Wissensdurst.
Die "Red Rising" Trilogie ist in dem Zusammenhang auch erwähnenswert. Und es gibt mehr.
Diese Bücher sind sicher oft mehr auf Magie oder Action usw. ausgelegt als sagen wir "1984" aber sie haben eine ähnliche Aussage, das Herz am rechten Fleck und sind für eine moderne Jugend vielleicht einfacher nachzuvollziehen. Zumindest vorerst.

Ich glaube der Zusammenhang mit Remakes und Reboots verwirrt vielleicht einige Leser hier. Ein Thread über die Wichtigkeit einer belesenen Gelsellschaft oder der Wert von Geschichten allgemein in einem Volk, würde mehr Resonanz erzeugen. Reine Vermutung und keine Kritik.

Allerdings bin ich wie gesagt auch nicht einfach feindlich gegen Remakes und neue Adaptionen eingestellt. Habe die 1984 Version mit John Hurt aus dem jahre 1984 nie gesehen. Will ich aber demnächst mal nachholen.
Von "Brave New Wolrd" oder "Schöne neue Welt" gibt es zwei Fernsehfilme soweit ich weiß. Beide sollen ziemlich mies sein. Da würde ich mich über eine Neuverfilmung sehr freuen.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Schönes Essay-Video und interessanter Thread :squint:

Ich stimme dem Just Write Autoren zu, dass eine gewisse Belesenheit für ein stärkeres Empathievermögen, ein größeres Gesellschaftsverständnis und eine höhere Chance des Hinterfragens sorgt, und auch, was ein bisschen zu kurz kam, dass unsere aktuelle Medienlandschaft zu oft in Faulheit endet. Ich glaube nicht, dass Filme wie San Andreas absichtlich so ecken- und kantenlos inszeniert sind, um uns langsam auf eine totalitäre neue Regierung vorzubereiten, aber dass es meist der kapitalistische Gedanke ist. Unser Hirn funktioniert halt so, dass leichte Stoffe mit klar differenzierbaren Seiten (gut und böse), Sex und schnellem Humor wesentlich leichter verdaulich sind als nachdenklich stimmende, traurige oder emotionale Geschichten, also wird uns das vorgesetzt. Würden die Leute eher Shakespeare und Unser blauer Planet als Bauer sucht Frau und Transformers 4 schauen wollen, würden sie uns das vorsetzen, weil sie uns vorsetzen, was möglichst viele Leute erreicht.

Gestern ein interessantes Video der Today Show gesehen, in dem John Oliver den Hetz- und Verschwörungsmoderator Alex Jones einmal näher beleuchtet hat. Es gibt viele, die eine einfache Weltansicht wollen, in der alle mit anderen Religionen Feinde sind und es eine klare Narrative gibt, dass es uns nur nicht gut geht, weil solche Feinde unsere Regierungen unterwandert haben und Jones predigt genau das mit großem Erfolg. Allerdings geht es auch ihm nur ums Kohle verdienen, weswegen er sich von den Verkäufen seines Onlineshops Rolexuhren leistet.

Wood, ich würde deiner Meinung so halb zustimmen. Ja, ich denke auch, dass gewisse Geschichten zeitlos sind und mit ihren gelungenen Aussagen immer wieder neuen Generationen vorgesetzt werden. Allerdings sehe ich da auch so Probleme. Erinnere ich mich an meine Schulzeit zurück, wurden uns im Deutschkurs fast nur schwierige Stoffe vorgesetzt. Bertold Brecht. Kafka. Goethe. Schiller. Fontane. Ich für meinen Teil kam aus einer sehr belesenen Kindheit, in der es leicht mit Sachen von Twain, Gebrüder Grimm, Dafoe, Stevenson, Lindgren etc losging - und selbst ich hatte in der Schule gewaltige Probleme mit den späteren Stoffen. Dass andere, die als Kind fast nichts gelesen hatten, noch weniger Zugang hatten, war dann nur logisch. Gerade mit 15 rum kommt es auch ganz automatisch zur Selbstfindung, bei der ein gewisser Trotz automatisch ist. Und der führt dann oft eher in Richtung eigener Neuentdeckung von Musik als zu von der Autorität Lehrer vorgesetzten alten Stoffen.

Was denn nun die Remakes betrifft. Ja, einige Stoffe werden uns wohl ewig begleiten, in immer neuen Interpretationen, und manchmal ist es interessant, sie von neueren Künstlern neu interpretiert zu sehen. Aber müssen es gezielte Remakes sein? Können es nicht neue Geschichten mit ähnlichen Aussagen sein? Da bin ich der gleichen Meinung wie Revolver, zb mit Potter.

Ich denke ja, dass sowohl Eltern als auch Lehrer die Mission haben sollten, Kinder so zu erziehen, dass sie eigenständig denken, sich nicht zu leicht irgendwelchen (Interessen)gruppen anschließen und durchaus hin und wieder die Herausforderung mögen, sich mit schwierigen Stoffen zu befassen anstatt sich nur berieseln zu lassen bzw dass sie, sollten sie Kram wie DSDS schauen, präzise wissen, wie diese Show beispielsweise wirkungsvoll Emotionen manipuliert, Narrativen fälscht und beschönigt, wie in erster Linie durch die Anrufe der Zuschauer verdient wird und es eben gar nicht erst im Interesse der Showgestalter liegt, einen dauerhaft gut gesponsorten Popstar aufzubauen. Es ist aber auch fraglos schwierig, vor allem heutzutage, wo man durch das Internet unendlich Medienangebot hat und durch Youtube etc eine Generation ernzeugt wird, die einen sehr kurzen Geduldsfaden hat und sich vielleicht nicht mal so schnell auf 100 Seiten vermeintlich langweiliges Zeug einlassen kann, bevor man so richtig in eine gute Story eintauchen könnte.
 
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