Wie üblich geschieht ein Großteil der Kino-Auswertung des letztjährigen Aufgebots des Cannes Filmfestivals erst hierzulande ein Jahr später. So auch bei BURNING, der nun im Juni von Capelight in die Kinos kommen wird, nachdem er in Deutschland bisher nur im Rahmen der Fantasy Filmfest White Nights im Januar zu sehen war. Dabei kommt der Film mit reichlich Vorschusslorbeeren daher. Beim Festival in Cannes im letzten Jahr bekam er bei der internationalen Kritikerumfrage im Durchschnitt 3,8 von 4 Punkten, was einen neuen Rekordwert bedeutete und er schaffte es als erster südkoreanischer Film auf die Shortlist mit den letzten neun Filmen, die für eine Oscar-Nominierung für den Besten fremdsprachigen Film in Erwägung gezogen werden, auch wenn es schließlich nicht für eine Nominierung reichte. Doch was steckt nun hinter dem Film, das ihn so besonders und beliebt macht und wie kommt es, dass er im Programm der Fantasy Filmfest White Nights landete?
Um diese Fragen zu beantworten müsste man eigentlich ins Detail gehen, doch eben das würde dem Film am Ende mehr schaden, denn BURNING funktioniert dann gut, wenn man eben so wenig wie möglich über den Film weiß. Das heißt nicht, dass der Film nach einmaligen Schauen seinen Wert verliert und nur über ein oder mehrere Storywendungen funktioniert, denn das Gegenteil ist der Fall. Die Unsicherheit und Unwissenheit des Zuschauers, aber auch der Figuren selbst ist Teil der Narration. In seinen fast zweieinhalb Stunden Laufzeit ist es nur schwer zu erahnen, wie der Film sich weiterentwickeln wird und worauf alles hinausläuft. Der Film hat einen Fokus und eine Agenda, doch tut er einen Teufel diese dem Zuschauer offen zu legen. Der Film will aber nicht nur mit dem Zuschauer spielen, sondern ihn auch herausfordern. Mit der Geschichte um Lee Jong-su (Yoo Ah-in), der nach dem Studium des Kreativen Schreibens an seinem ersten Buch arbeitet und sich mit Nebenjobs über Wasser hält. Er trifft eines Tages eine ehemalige Bekannte aus seiner Nachbarschaft, Shin Hae-mi (Jeong Jong-seo), die er nicht mehr wiedererkennt, da sie nach Operationen ein völlig neues Aussehen hat. Die beiden kommen zusammen und schließlich komplettiert noch Ben (Steven Yeun, bekannt aus THE WALKING DEAD) das Trio. Es mag schon eine Stunde Film vergangen sein, doch der Handlungsverlauf ist weiter offen und soll hier nicht weiter offengelegt werden. Es sei aber ehrlicherweise gesagt, dass mögliche Genreelemente hier wenig bis eigentlich gar nicht fantastischer Natur sind. Will man dem ganzen noch ein Genre-Label, neben dem nichtsssagenden Drama, mitgeben, kann das wohl Thriller sein und selbst das weckt womöglich falsche Erwartungen. Lee Chang-Dongs entschleunigte, eigene Inszenierung mag in Momenten an einen David Lynch erinnern, doch tut man ihm damit keinen Gefallen und ist nicht fair, denn im Grunde ist es eine ganz eigene Herangehensweise. Die Adaption einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami lässt sich am Ehesten über seine drei Hauptfiguren aufdröseln, die unterschiedliche Lebenssichten und -einstellungen haben, aber darin übereinstimmen, dass sie keinen Platz in der Gesellschaft als ihren sehen. Die Welt um sie herum scheint immerzu zu klein und nichtig zu sein. Die Antworten auf ihre Fragen scheint es nicht dort zu geben. Sie sind völlig unabhängig, aber auch unbefriedigt und ziellos. Alle drei Darsteller finden auf ihre Weise faszinierende Zugänge zu diesen Figuren, die Bilder von Hong Kyung-pyo wirken hierbei zuweilen wie gemalt in ihrer Poesie und Mowgs sperriger Score legt sich wie ein Mantel um das Ganze. BURNING fasziniert und irritiert. Der Film ist lang und lässt sich deshalb Zeit. Kein Film zum Frühstücken, sondern ein Abendessen, das Zeit und Ruhe zum Genießen braucht.