Mit Jay und Clive im Kino gewesen und wir kamen alle
schwebend fliegend heraus.
Grundsätzlich ist der Film ziemlich gut bzw. hat mir gut gefallen. Mit Buchadaptionen ist das immer so eine Sache und ein 1000+ Seiten Wälzer kann gar nicht adäquat in Filmform umgesetzt werden (ich bleibe dabei, dass - wenn man "Es" überhaupt adaptiert - "Es" eine sechs- bis achtstündige Miniserie sein sollte.), von daher können wir hier echt zufrieden sein.
Man bzw. in diesem Fall ich muss mich dann eben damit abfinden, was genau der Film zu sein versucht. "Es" hätte ein beklemmender Film sein können, wie ein übermenschliches Böse eine gesamte Stadt/Gegend vereinnahmt und sich von Angst ernährt. Die Geschichte von Kindern, von Losern, traumatisierten Schwächlingen, die sich mit gesundheitlich/gewaltsam übergreifenden Eltern, brutalen Mitschülern, Hass, Ausgrenzung und Rassismus auseinandersetzen müssen, die ihre eigenen Traumata überwinden, den Ground Zero ihrer Psyche durchschreiten und ein überdimensionales Böse bezwingen.
Im Prinzip ist das im Film, aber es wird nicht zum Thema gemacht, jedenfalls nicht so stark. Es ist im Film, aber nicht Motivation des Films. "Es" ist vielmehr eine unterhaltsame Geisterbahnfahrt, wo sich Atemstocken und Unterhaltungsgelächter die Hand geben. "Es" findet nie die Ruhe, um wirklich die Nackenhaare aufzustellen, um wirklich unter die Haut zu gehen. (Der einzige Moment ist die Szene in Clives Spoiler, der sein Schock-Potential gänzlich abseits von Pennywise im Realen findet.) Aber genau genommen sucht "Es" 2017 auch nie diese Ruhe, will stattdessen popcornmampfenden Gruppen im Anschluss die Gelegenheit geben erheitert und gut gelaunt zu vergleichen, wie oft man zusammengezuckt oder weggeschaut hat. - Das ist okay. Kann man so machen. Passendes Beispiel ist die Dia-Szene, die man schon zu Teilen aus dem Trailer kennt. Eigentlich eine gelungene Idee, zunächst recht unheimlich eingeführt und dann nur noch ein wüstes "Buh! Ahahaha!" Chaos aus Computereffekten, wilden Schnitten und dominantem Sounddesign, um den Tumult wirkungsvoll zu gestalten. Auch das kann man so machen.
Dazu passt, dass man abgesehen von einem konkreten visuellen Detail im Finale einen äußerst bodenständigen Film inszeniert. Klar, das Konzept eines Körperwandler-Dämons in Clownsgestalt, der sich von Angst und Kindern ernährt, ist nicht wirklich bodenständig, aber für einen Film dessen Monster so aussieht ist "Es" wirklich bemüht "realistisch" und nachvollziehbar. Das ist für die Jugend-/Coming-of-Age Haupthandlung gut, die wirklich anständig funktioniert, was auch an der gelungenen Besetzung liegt. Natürlich fehlt dem Film die Möglichkeit des Romans, durch Wiederholung und langsame Verschiebung Tiefe zu generieren, aber die meisten Kids (Stan und Mike fallen ab) sind gut gelungen. Wenn es dann aber konkret um die Konfrontation mit Pennywise geht ist es für mich persönlich nicht "space-y" und nicht verrückt genug. Und selbst die Bodenständigkeit kommt hier zu kurz, da die Vollendung des Charakterbogens der Kinder überwiegend über den Dialog statt über Aktionen/Gesten kommt.
Punkte sind blöd. Aber es wären wohl nicht ganz 7 - was ganz gut ist.
Clive77 schrieb:
Irgend so'n Heini musste sogar nachfragen, weshalb ein bestimmtes Badezimmer denn jetzt nicht von einem gewissen Vater in blutrot wahrgenommen wird.
Der war der Beste. Ich musste mich arg zusammenreißen nicht zu lachen.
Jay schrieb:
Man darf sich halt fragen, ob das überhaupt die Intention war, die verfehlt werden konnte? Steht die Coming-of-Age Geschichte nicht vielleicht stärker im Vordergrund und wäre tonal verändert worden, hätte der Film eher auf längere Atmomomente, auf insidiousigen Horror gesetzt? Ich mein, das Buch ist so vieles, keine Frage, allerdings denke ich, dass Andrés Muschietti den Film in erster Linie als Kinderabenteuer inszeniert hat.
Ich denke nicht, dass sich das gegenseitig ausschließen muss. Die so genannten "Stakes", von denen man immer spricht, also das, was hier auf dem Spiel steht, werden zwar ausreichend kommuniziert, aber nicht zur vollen Effektivität dramatisiert. Ich will nicht behaupten, dass das nur über tiefergehenden Grusel und Verstörung möglich gewesen wäre, aber "Es" nimmt sich durch seinen Varieté-Schabernack Horror die Möglichkeit die entscheidenden Nadelstiche zu setzen.
Jay schrieb:
Kann Clives Spoiler zustimmen. Ja, das hätten sie machen müssen, das wär auch hinsichtlich des zweiten Teils nochmal eine starke Entscheidung geworden.
Müssen? Ich habe diese Variation ja selbst auch sofort als Möglichkeit gesehen und hätte sie interessant gefunden. Ich denke, der Film will da für einen kurzen Moment auch mit spielen, löst es dann aber zu schnell/zu eindeutig auf. Aber ich denke auch, dass es unterm Strich die richtige Entscheidung war - zumindest für die Art von Film, die "Es" nun mal sein wollte. Das wäre eine äußerst schwere Bürde; sowohl für die betreffende Figur als auch für den zweiten Film. Dieser "Es" hätte einen solch schweren Schlag nicht schultern können und ihn nicht schultern wollen.