BG Kritik: „Undine“

12. Juli 2020, Manuel Föhl

Zwei Menschen lernen sich kennen, verlieben sich und werden glücklich sein, bis ans Ende ihrer Tage. Das muss nicht immer so laufen und so kann es auch mal zur Trennung kommen und beide Menschen gehen fortan getrennte Wege. Doch in UNDINE ist das nicht ganz so einfach.

Undine
(D/F 2020)
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Paula Beer, Franz Rogowski, Maryam Zaree, Jacob Matschenz u.a.

Christian Petzold ist einer der Regisseur*Innen in Deutschland, der der sogenannten Berliner Schule zugeordnet wird. Ein loser Verbund an Filmemacher*Innen, die man gerne stilistisch unter einen Hut steckt, Kritiker*Innenlieblinge sind und vor allem wohl das europäische Kino repräsentieren, dass das allgemeine Publikum wohl als schwierig, langweilig und nicht unterhaltsam bezeichnen würde. Gerecht wird man ihnen damit natürlich nicht, ob schon eine Zusammenfassung ihrer Arbeiten als Label sehr ungenau ist. Doch will man sie als eine Gruppe fassen, so war Christian Petzold womöglich schon immer der generell zugänglichste mit seinen Filmen. Er arbeitet mal mit kleinen Genremechanismen (YELLA (2007)) oder mit deutscher Historie abseits von NS-Zeit (ja okay wir wollen PHOENIX (2014) nicht vergessen) und DDR (sonder die RAF in DIE INNERE SICHERHEIT (2000)), doch wahrscheinlich aus der Sicht vieler mit angezogener Handbremse. Kurzum, möchte man sich mit seinen Filmen beschäftigen, so wird dies auch eine Beschäftigung. Petzold reisst viele Themen, Ideen und Gedanken an und fordert auch sein Publikum auf, sich damit auseinanderzusetzen und gibt ihnen das nicht alles auf einem Tablett an den Platz serviert. UNDINE bildet dabei keine Ausnahme.

© Photo Christian Schulz

Sehnsüchtig blickt man die zurück in die Filmgeschichte, als in Deutschland die großen Filme Genre-Produktionen waren. Aber NOSFERATU (1922, R: Friedrich Wilhelm Murnau) oder METROPOLIS (1927, R: Fritz Lang) feiern schon in Bälde ihre dreistelligen Geburtstage. Doch nun kommt ein Regisseur daher, der mal etwas graben möchte in der deutschen Sagengeschichte und nicht nur einen, nein gleich drei Filme zu den Elementarwesen aus diesen Geschichten machen möchte. Den Anfang macht Undine und gibt vor, wie Petzolds Zugang zu solchen Stoffen aussehen wird. So viel sei verraten, große Genre-Produktionen sind es nicht, aber ist das schlimm? Die Undine ist eigentlich eine Sagengestalt, das Elementarwesen des Wassers, welche erst eine Seele erhält, so die Erzählung, wenn sie sich mit einem Menschen vermählt. Doch sollte dieser Mensch untreu werden und sich trennen, so muss er gleichzeitig auch sterben. Dies inspirierte schon einen Hans Christian Andersen zu einer eigenen Interpretation und damit Disney zu THE LITTLE MERMAID (Arielle, die Meerjungfrau, 1989, R: John Musker, Ron Clements) oder wurde auch von Neil Jordan bereits mit Colin Farrell in ONDINE (2009) filmisch erforscht. Diese simple Prämisse ist aber schon der erste Punkt, den uns Christian Petzold in seinem Film nicht einfach vorkaut. Er verschweigt ihn.

Als Johannes (Jacob Matschenz) Undine (Paula Beer) erklärt, dass es zukünftig eine andere in seinem Leben und an seiner Seite geben wird, trifft dies Undine hart. Doch mehr als sie womöglich ihre Beziehung betrauert, betrauert sie das Schicksal welches Johannes droht, weil sie verflucht ist. Schon in den ersten Minuten spitzt sich die Lage somit zu, ist man mit der Sage vertraut und hat sich vor Filmbeginn damit bereits auseinander gesetzt. Ansonsten wird man in den nächsten 90 wohl gebannt, aber auch immer mal irritiert das Geschehen verfolgen. Anders als abgesprochen wartet schließlich Johannes nicht auf Undine im gemeinsamen Lieblingscafe und damit droht sich der Fluch zu erfüllen, aber als Undine auf Christoph trifft (Franz Rogowski) trifft, scheint sich nochmals alles zu verändern.

© Marco Krüger/Schramm Film

Ein Film, der von seinen Schauspieler*Innen lebt beziehungsweise ihren Charakteren, in einem Film der in der heutigen Zeit spielt, im heutigen Berlin und doch entrückt wirkt. Damit trägt der Film auch die Züge eines Märchens mit bittersüßer Note. Mit seiner durchschnittlichen Spielfilmlaufzeit ist er auch nicht irre lang, sondern nimmt sich genau die Zeit um als Zuschaur in diese Welt über und unter Wasser einzutauchen. Petzold kann der Geschichte sogar einen neuen Kniff geben, indem er eben ganz modern seine Frauenfigur so aufstellt, dass sie sich nicht ihrem Schicksal beugen möchte, sondern versucht es selbstbestimmt in die Hand zu nehmen und zu verändern. Nicht um sich zu retten, sondern die Menschen um sich herum. So etabliert Petzold nach Nina Hoss mit Paula Beer eine weitere Darstellerin, die in seinen Filmen den aktiven Part übernimmt und darstellerisch glänzt. Doch auch Franz Rogowski ist wie bei TRANSIT (2018) an Paula Beers Seite zu sehen und harmoniert wunderbar mit ihr, wenn sie auch diesmal logischerweise völlig andere Charaktere spielen. Rogowski steht dabei stellvertretend für den Zuschauer, der neugierig, aber auch mit jugendlicher Einfachtheit versucht Ordnung zu finden, in dem was er hier erlebt und doch nur die Liebe sucht bzw. versucht sie festzuhalten. Es sind die simplen Fragen des Lebens, die Petzold hier versucht in ein neues Licht zurücken. Die Vergänglichkeit der Liebe und des Lebens und wie man sich dagegen stellen kann, egal was einem für Stolpersteine auf den Weg gelegt werden.

Man sollte übrigens nicht erwarten, dass irgendwann die noch zwei folgenden Sagengestalten in einem Film mit Undine aufeinander treffen und sich gemeinsam gegen ein großes Übel stellen. Das wäre dann wiederum zu konventionell.

Fazit:

In seinen knapp 90 Minuten fordert der Film seine Zuschauer, doch belohnt er auch am Ende mit einer womöglich erst auf den zweiten Blick kraftvollen Geschichte, die trotz ihrer Einfachheit fasziniert, manch anderen womöglich aber auch einfach irritiert.

7/10

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