Bin auch durch. Hier mal ein paar Gedanken...
- Ich glaube wir sollten aufhören – oder zumindest aufhören, es so hervorzuheben – Mike Flanagan als Horrorregisseur zu bezeichnen. Natürlich gibt es hier Horror und natürlich ist Horror vielseitig, aber mehr noch als bei den genre-diversen "Haunting" Serien tut man sich hier keinen Gefallen damit, simple Labels zu benutzen.
- Ich weiß nicht, wann ich zuletzt ein Werk gesehen habe, welches das Profane und das Erhabene, das Trashige und das Intellektuelle derart vereint. Das betrifft insbesondere, aber nicht ausschließlich die finale Episode.
- Der Umgang mit Religion und Glaube ist enorm spannend. Es ist keineswegs eine atheistische oder religionsfeindliche Serie, aber auch keineswegs eine jubelnde Bejahung von Religion. Eher - gefühlt - ein erstaunlich nuancierter Versuch, die Feinheiten zwischen Glaube,Spiritualität und Zweifel, zwischen Religion und Kirche zu erforschen, von "gutem" bzw. menschlichem Glauben und von "falschem", schädlichem.
- Der Cast ist mal wieder erstklassig, sowohl im Casting als auch darstellerisch. Hamisch Linklater ist wahrlich großartig. Und wenn Kate Siegel nur vorsichtig lächelt, geht die Sonne auf.
- Flanagan macht insbesondere mit der Teilzeit-Hauptfigur Riley und seinem Schuld-Symbol vielleicht ein zu großes Fass – bzw. eines, welches zu groß erscheint – auf, kann nicht jede Idee befriedigend zu einem Ende führen. Aber wie schon bei "Hill House" und "Bly Manor" hat Flanagan große Ambitionen, zielt vielleicht etwas zu hoch, wodurch aber dennoch enorm viel "Zählbares" abfällt. Mit der emotionalen Tragweite dieser Serie konnte in den letzten Jahren nicht viel mithalten.
- Und dann der letzte gesprochene Satz der Serie. Inhaltlich und in der implizierten Stimmung; ein verblüffender Effekt. Wahnsinnig gut und thematisch vielschichtig.
Edit: Joel hat weiter oben doch King erwähnt, allerdings auf Basis des Trailers. Würde mich interessieren, ob er das jetzt auch noch so sieht.
Ja, wie angedeutet ist recht bekannt, dass Mike Flanagan ein großer King-Fan ist und stark von diesem inspiriert wurde. Das wird nicht nur durch seine direkten King-Adaptionen deutlich, sondern auch durch seine anderen Filme. Auch Hill House und Bly Manor hatten mindestens ebenso viele King-Facetten, wie sie Shirley Jackson bzw. Henry James Facetten hatten, also Facetten der eigentlichen Vorlagenautoren. Auch hier würde ich sagen, dass die ersten 5 bis 6 Episoden einen starken und nicht zu leugnenden King-Einfluss haben. Ich würde aber sagen, dass Flanagan damit souverän und clever genug umgeht, dass es nicht wie einfallsloses Abkupfern wirkt. Im Gegenteil. Nun könnte man sagen, dass das latent Überambitionierte des Finales auch irgendwo "King" entspricht, aber ich persönlich finde, dass spätestens das Ende ungefiltert "Flanagan" ist. Das ist jedenfalls mein Eindruck insbesondere durch die drei großen Netflix-Serien.