Die Kultur, in der wir aufwachsen, prägt unsere Werte, Überzeugungen und
unser Bild von der Realität. Daraus folgt, dass Kulturschaffende eine
sogar grosse Verantwortung haben.
Der Mensch ist aber nicht nur ein Produkt seiner Umgebung. Ich halte es für falsch, jedes Mal die Schuld oder die Mitschuld bei den Filmen, Büchern, Games, Medien, Lehrern, Eltern oder Nachbarskindern zu suchen. Ich sage es mal so: Es gibt Geschwister, die in absolut gleichen Verhältnissen aufwachsen und die gleichen Probleme haben. Aus dem einen wird irgendwann ein Lehrer oder ein Abteilungsleiter, während der andere zu einem Kleinganoven wird. Der erstere findet vielleicht einen Ghandi toll, während der letztere Pablo Escobar und Al Capone bewundert. Jeder sucht sich seine Vorbilder selbst aus, nicht umgekehrt. Es liegt immer an der jeweiligen Persönlichkeit bzw. dem Charakter eines Menschen, wie er mit der Welt klarkommt und wie er sich den Anderen gegenüber verhält. Wieso werden immer die Anderen oder noch allgemeiner "Die Gesellschaft" für alle Taten (mit)verantwortlich gemacht? Traut man den Menschen keinen eigenen Willen zu, keine eigene Persönlichkeit?
Vor allem wenn wir hier über fiktive Werke von Autoren sprechen, finde ich das ganz komisch. Soll ich mir wirklich bei jeder Geschichte und jeder Figur Gedanken darüber machen, ob unter den sieben Milliarden Menschen nicht einer dabei sein könnte, der die fiktive Tat einer fiktiven Figur nachmacht? Und falls einer es macht, soll ich mich schuldig fühlen? Die logische Konsequenz daraus wäre ja, dass man nur noch positive und vorbildliche Charaktere beschreibt, die nur positive und vorbildliche Sachen machen und niemals eine schlechte Tat begehen.
Deswegen meinte ich ja, dass es das Ende der Kunst wäre.
Nur bei Kinderbüchern oder evtl. auch Jugendbüchern würde ich ein bisschen mehr aufpassen, was man da vermittelt. Den Erwachsenen traue ich genug eigenen Willen und eigene Gedanken zu, um die Fiktion Fiktion sein zu lassen.
Viel mehr Einfluss auf unsere unmittelbare Umgebung haben wir durch unser Verhalten den Anderen gegenüber. Jemand, der alle nur verachtet, für niemanden ein Lächeln übrig hat, immer nur Hasstiraden vom Stapel lässt oder gar gewalttätig wird, ist in meinen Augen wirklich viel schlimmer als jemand, der über irgendwelche Fantasiewesen schreibt, die sich bekriegen.
Anders ist es vielleicht beim öffentlichen Auftreten von Berühmtheiten. Wenn jemand Millionen von Teenagern als Fans hat, die einen anhimmeln, dann sollte man durchaus nachdenken, was man in der Öffentlichkeit sagt. Ich habe mich ja auch schon ein paar Mal über Justin Bieber aufgeregt, als er Abtreibungen verteufelte (und auf die Frage hin, wie es mit Frauen aussieht, die durch eine Vergewaltigung schwanger geworden sind, meinte er sinngemäß, dass es wohl Gottes Wille war, dass diese Frau schwanger wird, und dass man trotzdem nichts dagegen unternehmen darf). Solche "Künstler", die wirklich stark in der Öffentlichkeit stehen und Jugendliche oder Kinder als Zielgruppe haben, müssen oder sollten schon mehr darauf achten, was sie da sagen.
Ansonsten würde ich sagen, dass jeder Autor selbst nach eigenem Ermessen entscheiden darf, wie moralisch oder unmoralisch er seine Werke und Figuren darstellen will. Stephen King hat sein Buch "Amok" vom Markt genommen, nachdem ein Jugendlicher in den USA Amok lief und man das Buch in seinem Spind fand. So kann es gehen, muss es aber nicht.
Jay schrieb:
Nehmen wir nur das Beispiel Big Bang Theory. Grob gesehen ist das eine witzige Serie über ein paar Nerds und wie sie Freundinnen kriegen. Sie soll eventuell zeigen, wie sympathisch sie trotz ihrer Nerdigkeit sind. Dabei vertieft sie womöglich zig Vorurteile über eben solche und stempelt sie umso fester als anders und seltsam ab. Vielleicht frustriert es sogar zahlreiche pickelige Pokemon D&D C++ Unity Übernerds, weil ihre Realität halt nicht so aussieht, dass sexy Penny nebenan einzieht und alsbald Pizza und Bett mit ihnen teilt.
Da ist was dran, aber man könnte es auch andersrum sehen. "Die Wissenschaftler" werden doch meistens (besonders in Horrorfilmen) als größenwahnsinnige Frankensteins dargestellt, die völlig sinnlos die ganze Welt in Gefahr bringen, indem sie Riesenspinnen oder superatomare Klone züchten. Big Bang Theory zeigt sie hingegen etwas realistischer, oder zumindest nicht als solche verantwortungslosen Bösewichte. Ein anderes verzerrtes Bild von Wissenschaftlern ist ja, dass sie sich gegen die Gesellschaft verschworen haben und ihr z.B. neue Medikamente oder technische Entwicklungen vorenthalten; oder dass sie aus purer Sturrheit alle neuen Theorien ablehnen und blind alles glauben, was in den alten Büchern steht. Mit diesen Vorurteilen räumt Big Bang Theory auch auf.
Also man zeigt sie zwar freakiger und nerdiger als sie vielleicht sind, aber wenigstens nicht mehr so böse oder dumm.