Drehbuch-Kritik: Grind House - Death Proof

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Nun bin ich auch dazu gekommen, das Drehbuch von Quentin Tarantinos' Grind House Abschnitt "Death Proof" zu lesen, was ihr zu erwarten habt, folgt:

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- Das vorliegende Drehbuch ist von Mitte 2006 und zugleich das Shooting Script, also das mit dem sie den Dreh gestartet haben. Es können sich zwar noch Dinge im letztendlichen Film verändert haben, das dürften aber nur Kleinigkeiten sein. -

Ist es gut? Es ist mittelmäßig. Auf jeden Fall komplett anders als Planet Terror. Eher noch als sein Kollege erinnert Death Proof an die wilden B-Movies der 60er und 70er Jahre und krankt auch an deren üblichen Unterhaltungsmängeln.

Es ist ein ruhiger, geduldiger Actionstreifen mit viel, viel Dialog.

Knapp 130 Seiten lang (theor. =130 min Filmlänge), nimmt sich Quentin alle Zeit der Welt, um zweimal eine immens lange Einführungsgeschichte zu präsentieren.

Death Proof (auf dt: Todessicher, im Sinne von Kugelsicher) fängt mit drei Mädels namens Arlene, Shanna und Julia an, die eines Abends zusammen ausgehen. Während sie in einer Mexiko-Bar auf Freunde warten, ahnen sie noch nicht, dass sie bereits von einem unheimlichen Fremden beobachtet werden. Der stille Stuntman Mike sitzt an der Theke und wartet das Geschehen ab, während er mit der frustrierten Pam redet. Weil noch jemand auf sich warten lässt, bestellen sich die Mädels kurzerhand ihre Drogendealerin und genehmigen sich etwas Gras. Als sie schließlich nach einer kleinen Stripeinlage ins Auto steigen, schnappt sich Mike seinen Autoschlüssel und sorgt für Action.

Später folgt noch ein zweiter Abschnitt, der 14 Monate später spielt und in dem Stuntman Mike wieder auf neue Mädels trifft. Entgegen der ersten Girls sind diese aber im Filmgeschäft und zum Teil selbst Stuntfahrerinnen, die gerade an einem Film namens "3 Kicks gegen den Kopf Teil 3" arbeiten. Sie sind es, die ihm richtig Paroli bieten...

Die erste ganze Stunde im Drehbuch findet fast vollständig in der Mexiko-Bar statt. Reine Unterhaltungen, keine Action, keine Anspannungen, nada. Einfach nur eine gesellige Runde mit kleinen amüsanten Szenen hier und da. Dann aber wendet das Blatt plötzlich und Stuntman Mike entpuppt sich als das was er ist - ein Psychopath und Killer. Auf die gleiche Art läuft der zweite Abschnitt ab; zwar ist die zweite Verfolgungsjagd ein kleines Stück länger, dafür ist Stuntman Make hier auf knapp 30 Seiten gar nicht vertreten. Anzumerken ist, dass beide Filme auf 90 Minuten getrimmt wurden und der kürzere Schnitt vor allem Death Proof gut tun würde.

Dies sind die wichtigsten Figuren:

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Stuntman Mike (Kurt Russell). Ein stiller, abgebrühter Straßencowboy, der sich den Leuten gegenüber erst als neugieriger cooler Typ zeigt.

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Pam (Rose McGowan). Pam hatte ein Date, wurde jedoch im Stich gelassen und bittet Stuntman Mike, sie doch bis in die nächste Stadt zu bringen.

Julia (Sydney Tamiia Poitier) ist eine arrogante, eingebildete Radiomoderatorin und Star in ihrer Heimatstadt. Dementsprechend verhält sie sich.

Shanna (Jordan Ladd) ist die dritte im Bunde und eher unauffällig im Hintergrund.

Der Besitzer der Mexiko-Bar heißt Warren (Quentin Tarantino) und ist ein lockerer, netter Barkeeper. Er versorgt die Personen mit Nachos und Drinks. Seine Rolle ist hier etwas größer als in Planet Terror, er kommt immer wieder kurz vor.

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Zoe (Zoe Bell) ist eine todes-mutige Stuntfahrerin, die bei ihren Freundinnen sehr beliebt ist.

Abernathy (Rosario Dawson) ist Make-Up Stylistin und ziemlich gesprächig.

Kim (Tracie Thorns), ebenfalls Fahrerin, ist ähnlich wie Julia aus dem ersten Abschnitt relativ laut und dominant, aber sympathischer.

Lee (Mary Elizabeth Winstead) ist ihre schüchterne Gehilfin, die nicht viel zu sagen hat.

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Obwohl es in Planet Terror wesentlich mehr Figuren und ständige Szenenwechsel gibt, sind die Rollen in Death Proof weit weniger ausgearbeitet. Zwar gibt es seitenweise Tarantino-typische Gespräche, aber die Figuren die sie erzählen, wirken nicht so packend und stark wie zb die aus Reservoir Dogs. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir hier ellenlang normalen Frauen und nicht abgefuckten Gangstern oder Killern beim Gespräch zusehen.

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Kurt Russell wird in seiner Rolle als psychopathischer Killer glänzen, nur ist seine Figur durchschnittlich langweilig. Er kommt niemals an die Bedrohlichkeit des Truckers aus JoyRide heran und ebenso wenig an die Coolness seiner vorherigen Figuren wie MacReady oder Snake Plissken. Dazu ist er sehr lethargisch. Redet wenig, und für die Bezeichnung "Action" trifft es fast nicht ins schwarze.

Die Mädels aus Abschnitt 1 ähneln denen aus Abschnitt 2 sehr, und ihre Figuren sind typisch wie Tarantino sich gern Frauen vorstellt. Locker, ungezwungen, ungeniert und mit lauter Flucherei am laufenden Band.

Death Proof hat laut Drehbuch so viel Action wie so mancher Steven Seagal DVD-Titel und bietet nur in gerade mal knapp 10-15 von 130 Seiten etwas anderes als reine Dialoge. Es ist jeweils eine Verfolgungsjagd am Ende des Abschnitts, wobei die zweite wesentlich länger und besser ist als die erste. Besonders Zoe Bell, die in Wirklichkeit eine echte Stuntfrau ist, wird hier sensationelle Arbeit leisten.

Quentin kann seinen Fußfetisch auch nicht aus den Augen lassen und hat mehrere Szenen im Script, in denen ein Mädel barfuss herumläuft oder die Füße aus dem Auto baumeln hat. Im hintern Abschnitt gibt es mehrere Verweise auf Kill Bill, und der Sheriff aus PLANET TERROR kommt auch kurz vor. (Man kann also sehen, das Death Proof zeitlich vor den Ereignissen aus Planet Terror spielt)

// Natürlich kommen hier wieder die üblichen Tarantino-Markenprodukte wie Big Kahuna Burger und Red Apple Glimmstengel vor. //

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Das Script von Death Proof ist kein wirklicher Hit. Viele werden sich beklagen, dass für lange Zeit nichts passiert. Dass die Actionsequenzen zwar gut, aber viel zu kurz sind. Dass Kurt Russell nicht so cool ist wie man ihn kennt (was nicht an ihm liegen wird). Ein großer Kritikpunkt wird sein, dass die Einführungsszenen so schwächeln, das man bei Anfang einer Verfolgungsjagd fast völlig vergisst, was davor passiert ist.
Noch heute hat man den Witz von Quentin Tarantinos Figur in Desperado im Kopf, der wie folgt geht:

"Also, da kommt ein Mann in einer Bar an die Theke und sagt dem Wirt: "Ich wette mit ihnen um 100 Dollar, dass ich in dieses Bierglas pissen kann, ohne das ein Tropfen nebenher geht." Der Wirt schaut ihn sich an und nickt grinsend, in der festen Überzeugung, dass der Typ es nicht schaffen wird. Der holt also seinen Johnny raus und fängt an zu pissen. Er pisst einfach alles voll, den Boden, die Höcker, die Theke, selbst den Barmann, nur nichts ins Glas. Als er fertig ist, fängt der Wirt an zu lachen und sagt ihm "Na, da hast du deine 100 Dollar aber schnell verloren." Da grinst der Mann zurück und zeigt zu ein paar Männern vorn am Eingang. "Das spielt keine Rolle, denn ich hab mit den Typen davorn um 1000 Dollar gewettet, dass ich dir deine ganze Bude und deine Klamotten vollpisse - und du dich darüber noch freuen wirst...."

Jedenfalls, solche erinnerungswürdigen Szenen gibt es im Skript nicht. Ein Problem, dass auch schon Jackie Brown und Four Rooms hatten (weswegen sie nicht zu den Top Tarantinos gehören).

Wer nach dem aufbrausendem Trailer Karacho erwartet, sollte eine kalte Dusche nehmen. Das gibt es hier nicht. Zwar ist die Geschichte interessant und die Dialoge fallen auch recht flockig aus, aber die Erwartungshaltung sollte man hier besser etwas niedriger anlegen, um nicht enttäuscht zu werden.

Wertung: (Achtung: das bezieht sich wie gesagt nur auf das Drehbuch, das kann beim fertigen Film bei dem Optik, Schauspiel und Regie eine wichtige Rolle spielen, ganz anders aussehen)

5.6 / 10
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Danke für die 2. ausführliche Drehbuchvorstellung :top:

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Naja scheint so also ob Rodriguez der etwas bessere Film gelungen ist, aber ich schätze, da werden die Meinungen wieder auseinander gehen...
Da werden 300 (!) Rodriguez Film mögen und 300 (!) Tarantinos...:wink:

Ich bin gespannt, aber is ja noch ein bisschen bis zu den Filmen...
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Das hört sich für mich gut an. Es muss ja nicht alle zwei Minuten etwas explodieren.
Was Dialoge betrifft, ist Tarantino sowieso ein Meister, er verleiht damit seinen Figuren die Glaubwürdigkeit, die sie etwas lebendiger macht.

Also "Planet Terror" wird wohl für die nötige Action sorgen, "Death Proof" werde ich mir aber auch ansehen.
 

Paddywise

The last man
auf der anderen Seite wäre es auch ein bisschen bescheuert 2 ähnliche Filme hintereinander zu senden. Deswegen finde ich es gar nicht mal so übel das sich die beiden Filme sich doch sehr unterscheiden.

Abgesehen davon , dürfte wohl die ganze Leserecke wissen, das eine gute oder schlechte Buchvorlage noch lange keine Garantie ist.

Ich werde mir auch beide Filme ansehen :top:
 

"Butch"

New Member
Tarantinos Film scheint
also viel ruhiger zu sein
vieleicht were es doch
einfach besser die Filme
nicht zu trennen damit man
von allem ein bisschen hat
weil ich glaube dass vor allem "Death Proof"
es alleine etwas schwer haben wird.
 

XeroX

New Member
kurt russel ist bestimmt mr coolness in person hier. man muss scheinbar geduld haben, aber bei einem tarantino mach ich mir nun wirklich keine sorgen das die dialoge nicht kultverdächtig gut sind.
 

matteo

New Member
Hallo Leute.
Ich hatte heute das krasseste und geilste Erlebnis überhaupt.
Ich war mit meinen Leuten beim Sommerkino in Halle (Saale), meiner Heimatstadt.
Die ganze Sache fand auf der Peißnitz.
Jedenfalls um auf den Punkt zukommen.
Es spielt vor jedem Film, der dort gezeigt wird, eine Band. Diesmal Baby Universal.

Naja auf jeden Fall (weiß nicht wie ich es schreiben soll) hat mich ein Kumpel angehauen und gefragt: "Du sag, der Typ dort, rechts von uns, mit Lederjacke, sieht aus wie TARANTINO!"

Ich hab hingeschaut und konnt meinen Augen nicht trauen.
Quentin Tarantino leibhaftig wie er leibt und lebt. Es war so heftig. Erstmal das zu realisieren. Ich bin hin zu ihm, hab mich verneigt, er gab mir seine Hand und ich hab ihm gesagt :"You're so fuckin' great" Er nur "Thank You" Ich: "It's so hard to see you" weil mein Herz bis zum Hals schlug und ich es einfach nicht war haben wollte. Er hat mir nur gemeint "Oh, it's cool" und hat mir freundschaftlich auf die Brust gehauen.

Ich weiß die Geschichte glaubt mir kein Mensch. Aber das war er wirklich. Das seichte Haar, das unverkennbare Kinn (eigentlich so wie man ihn zuletzt in Death Proof gesehen hat.) der scheiß Akzent mit einem kleinen Lispeln.

So hart, wirklich ich brauchte danach erstmal einen tüchtigen Schluck Wodka damit ich das verarbeiten konnte.
 
1

1985

Guest
einerseits gratulation zu deinem tollen erlebnis, andererseits: er ist auch nur nen mensch:squint: ok, nen abgefreakter irrer genialer mensch, aber nen mensch:squint:
 
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