Bin nun auch mal dazu gekommen, den zu sehen, und fand den deutlich besser als Nolans letzte zwei. Habe irgendwie das Gefühl, die Leute, die dem Film vorwerfen nicht emotional genug zu sein, sind ähnlich denen, die meinten Mad Max Fury Road hätte keine Story. Denn beides stimmt meiner Meinung nach nicht. So wirklich übermäßig charakterisierte Bezugsfiguren gibt es vielleicht nicht, aber das macht den Film meiner Meinung nach nicht nicht emotional, die Emotionalität liegt nur wo anders. Wenn die kleinen Boote in Dünkirchen anlaufen fand ich das geradezu rührend, und wenn Tom Hardy am Schluss über den Strand fliegt ist das ebenfalls ein überaus emotionaler und introspektiver Moment, der einem nach dem vorangegangenen Spektakel erstmal reflektieren lässt. Von den Geschehnissen auf dem Boot von Mark Rylance oder den großartigen Reaktionsshots von Kenneth Branagh mal ganz abgesehen. Und am Ende müssen die Figuren auch nicht komplex geschrieben sein, damit ich bei deren Überlebenskampf mit ihnen fiebern kann. Ich fand es da sogar eher störend, als man Harry Styles ein bisschen als Antagonisten seines Teils etablieren wollte. Und selbst wenn man das alles nicht wäre, bleibt es ein unheimlich intensiver Survival-Thriller. Nolan dreht hier alle Suspense-Regler auf 10 11 hoch und lässt einem kaum Zeit zum durchatmen. Auch der Meinung hier, der Film wirke seltsam aus zu wenig Material zusammengschnitten kann ich so kaum verstehen, im Gegenteil, ich finde Dunkirk zeigt, wie weit Nolan seit Batman Begins und The Dark Knight gekommen ist, er inszeniert um einiges eleganter, die Schnitte sind viel präziser und seltener, als bei den zum Teil vollkommen unübersichtlichen Actionszenen in seinem ersten Batman-Film und gerade der Flugzeugteil hat eine manchmal geradezu schwindelerregende Wirkung, so lang wie die Kamera hier Manöver durch die Luft fliegt. Und während mir Hans Zimmers Musik gerne mal auf die Nerven geht (vor allem bei seinen Filmen mit Nolan), fand ich die durchgehend dröhnende, tickende, zum nächsten Höhepunkt herunterzählende Untermalung wirklich sehr gelungen. Ich mochte auch, dass man sich irgendwann in den verschiedenen Zeitspannen verliert, da einen die völlige zeitliche Desorientierung nur noch mehr und noch effektiver ins Geschehen zieht.
Ich bezweifle, dass der Film so einen großen Wiederanschaaungswert hat wie Fury Road, und ich glaube, wer den nicht auf der größtmöglichen Kinoleinwand sieht, wird einige Qualitäten verpassen, nicht nur des Spektakels wegen, sondern weil der Film auch wirklich fantastisch aussieht. Zumindest tut er das auf 70mm (und auf IMAX-Film sicher nur noch mehr), und wer Nolan (oder Tarantino) reine Nostalgie vorwirft, hat sich sicher noch nie (oder zu lange nicht mehr) in der lebendigen Tiefe des analogen Formats verloren. Und wer Kriegsfilme nicht mag, kann versichert sein, dass Nolan sich von keinen etablierten Kriegsfilmtropen verführen lässt, wie schon zur Genüge geschrieben, ist es ein großer Film über das Überleben in Extremsituationen, der aber (vergleichsweise) experimentell erzählt ist, was ihn davor rettet ein reiner Freizeitpark-Erlebnisfilm zu sein (und im Gegensatz zum weniger teuren Dunkirk wirkt der weitestgehend computeranimierte Gravity richtig klein).