Echter Roboter Erica soll Hauptrolle in Science-Fiction Film spielen

Joel.Barish

dank AF
News: Der kommende Sci-Fi Film „b“ kommt mit einem spannenden Marketing-Clou daher: der berühmte japanische Android ERICA, häufig als fortschrittlichste künstliche Intelligenz der Welt bezeichnet, soll die Hauptrolle spielen. Ja, eine richtige Rolle, nicht einfach sich selbst.

Erica wurde 2015 von Hiroshi Ishiguro und Kohei Ogawa an der Universität von Osaka erschaffen. Sie versteht gesprochene Sprache (Japanisch und Englisch), besitzt eine eigene synthetische Stimme und kann menschliche Gesichtsausdrück eigenständig modulieren. Inzwischen ist Erica u.a. Nachrichtensprecherin in Japan geworden, doch natürlich ist sie keine Schauspielerin. Noch nicht.

Wie Filmproduzent Sam Khoze erklärt, wolle man Ericas Schauspielerei über die Method Acting Methode kreieren und steuern. Die weit verbreitete Method Acting Tradition, genutzt von Marlon Brando, über Robert de Niro und Daniel Day-Lewis, geht auf Lee Strasberg und Konstantin Stanislawski zurück und soll den Naturalismus einer Darbietung fördern, indem ein Schauspieler auf eigene Erfahrungen und Empfindungen zurückgreift, diese in die Rolle und die Emotionen der Figur projiziert. Allerdings besitzt Erica keine komplexe emotionale Lebenserfahrung, auf die sie zurückgreifen kann. „Wir mussten ihre Regungen und Emotionen in 1-zu-1 Sitzungen simulieren, beispielsweise die Geschwindigkeit ihrer Bewegungen anpassen, über ihre Empfindung sprechen und daraus Charakterentwicklung und Körpersprache trainieren“, beschreibt Khoze den Prozess.


Die Handlung von „b“, der aktuell mit einem beachtlichen Budget von rund 70 Millionen Dollar ausgestattet ist, dreht sich um einen Wissenschaftler, der ein Programm zur Verbesserung der menschlichen DNA entwickelt. Er gerät in Gefahr, als ein Fehler in diesem Programm entdeckt wird, also flüchtet er und beschützt dabei auch seine eigens erschaffenen KI („gespielt“ von Erica). Wie The National und The Hollywood Reporter berichten, wurden einige Szenen mit Erica bereits im Herbst 2019 gedreht. Die Hauptdreharbeiten sollen (je nach Corona-Stand) im Sommer 2021 starten.

Die Besetzung einer realen KI ist nicht zuletzt natürlich ein Werbekniff, eine Besonderheit, mit der man von sich reden machen kann. Es ist dem letztjährigen Fall um James Dean nicht unähnlich, der als digitale Kopie eine kommende Filmrolle übernehmen soll. Doch Erica ist erst einmal Erica. Über ihren Status als Person zu diskutieren, kann Bestandteil eines kompletten Semesters im Philosophiestudium sein, doch immerhin gibt Erica nicht vor, die Identität einer verstorbenen Realperson nachzustellen.


© Warner Bros., Dreamworks

Interessanterweise hatte Stanley Kubrick bereits genau dieses Vorhaben im Sinn, als er damals noch selbst an A.I. ARTIFICIAL INTELLIGENCE arbeitete. Kubrick wollte ursprünglich ebenfalls einen „echten“ Androiden in der Rolle des Roboterjungen David besetzen, engagierte u.a. die Dienste von Videokünstler, Musikvideoregisseur und Effektkünstler Chris Cunningham. Die Robotik-Effekte entsprachen allerdings noch nicht Kubricks Vorstellungen, der nicht zuletzt durch JURASSIC PARK (1993) erkannte, dass Computeranimation der Weg zum Ziel sein würde, ehe er das Projekt noch zu Lebzeiten an Steven Spielberg weitergab.

Nun steht bevor, was sich Kubrick und Co. vor 20+ Jahren nur vorstellen konnten. Selbst wenn die Besetzung von Erica zunächst hauptsächlich eine PR Sache ist, dürfte es ein Meilenstein und Wendepunkt in der Filmindustrie sein. Denn nicht nur ist Erica ein werbewirksames „Gimmick“, auch ist sie immun gegen COVID-19, untersteht keinen Gewerkschaftsregularien und hat (noch?) keinen wirklichen eigenen Willen, um sich gegen die Wünsche der Filmemacher zu stellen. Eindrücke wie spannend, faszinierend und zutiefst unheimlich/unangenehm gehen bei dieser Entwicklung immerzu Hand in Hand. Womöglich werden wir irgendwann auf „b“ und Ericas Schauspieldebüt zurückblicken, wie wir jetzt auf den gläsernen Ritter aus YOUNG SHERLOCK HOLMES (1985) oder vielleicht auf ABYSS (1989) und T2 (1991) in der Entwicklung von computergenerierten Charakteren zurückblicken. Nur, halt, beklemmender. Irgendwie… oder nicht?
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Ich finde die Idee überhaupt nicht beklemmend, sondern faszinierend. Bin sehr gespannt, was aus diesem Projekt wird.

Aber kann man hier wirklich von "schauspielern" sprechen, wenn ihr das nötige Verhalten, die Geschwindigkeit und der Charakter antrainiert werden? Ich würde sagen, dass sich Erica dadurch selbst verändert, aber nicht eine Rolle spielt. Dazu müsste sich doch eine eigene Persönlichkeit haben und eine andere spielen, also sich verstellen und sich dessen bewusst sein. So tun als ob. Erica wird nach den Dreharbeiten die Rolle nicht ablegen und wieder die alte Erica werden, oder?
Trotzdem eine sehr tolle Idee. Man könnte jetzt befürchten, dass in Zukunft sämtliche Rollen von Androiden gespielt werden, aber das halte ich für sehr unwahrscheinlich, weil Film in großen Teilen immer noch Kunst ist und die meisten Zuschauer vor allem echte Menschen sehen wollen würden. Der Animationsfilm hat den Realfilm ja auch nicht verdrängt.
 

Woodstock

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Oh Baby, let me see your source code :w00t:

Hier ist es wirklich schwer von Schauspielerei zu sprechen. Da muss ich @Tyler Durden recht geben. Menschen können Empfindungen simulieren aber verstehen grundsätzlich ihre Bedeutung und nutzen ihre eigene, um andere zu spielen (ausgenommen manche psychisch beeinträchtigte Personen) aber selbst hier ist ein eigenständiger Verstand und ein Bewusstsein dahinter. Erica hat kein Bewusstsein. Sie ist in dem Sinne keine wirkliche Intelligenz, sondern nur ein komplexer Algorithmus. Ich sehe hier keinen Unterschied zu einem NPC in einem Spiel, der einfach seine vorgegebenen Wege läuft, Sätze sagt und Taten vollbringt. Der NPC weiß nicht, dass er eine Rolle spielt. Er kennt nichts anderes und Ericas Algorithmus wird man zwar erklären was Sache ist aber wirklich verstehen wird sie es nicht. Sie wird nur simulieren es zu verstehen und dann ihre Wege gehen und ihre Sätze sagen. Ähnlich wie Kristen Stewart. Naja, immerhin hat sie mehr Gesichtsausdrücke drauf.
 
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McKenzie

Unchained
Ist für mich jetzt nicht wirklich mehr als erweitertes (und teureres) Puppenspiel.
Selbst wenn die Besetzung von Erica zunächst hauptsächlich eine PR Sache ist, dürfte es ein Meilenstein und Wendepunkt in der Filmindustrie sein. Denn nicht nur ist Erica ein werbewirksames „Gimmick“, auch ist sie immun gegen COVID-19, untersteht keinen Gewerkschaftsregularien und hat (noch?) keinen wirklichen eigenen Willen, um sich gegen die Wünsche der Filmemacher zu stellen.
Das kann ich mir für die nächsten paar hundert Jahre mal nicht vorstellen und bis dahin hat sich die Menschheit vermutlich eh schon in ein Mad Max - Szenario zerlegt. Selbst wenn man in absehbarer Zeit eine künstliche Intelligenz erschafft die so gut ist, dass sie quasi lebensfähige Gedankenkombinationen hat, ist Schauspielen, sprich so-tun-als-ob, nochmal eine ganz andere Hürde. Abgesehen davon dass es immer noch hölzern rüberkommen würde, all die feinen Nuancen die gutes Schauspiel ausmachen sind nicht auf Knopfdruck reproduzierbar. Maximal kriegen wir Performances wie von Neil Breen.
 
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Joel.Barish

dank AF
Ich finde die Idee überhaupt nicht beklemmend, sondern faszinierend.
Nun ja, ich finde die Idee bzw. Ideen rund um künstliche Intelligenz immer gleichermaßen spannend und befremdlich. Denn wenn wir uns nicht global in die technologische Steinzeit zurückballern, kommen wir irgendwann an den Punkt, wo wir tatsächlich über "Personhood" und Co. diskutieren müssen. Ob das für unsere Lebzeiten realistisch ist, steht auf einem anderen Papier. :ugly:

Ähnlich wie Kristen Stewart. Naja, immerhin hat sie mehr Gesichtsausdrücke drauf.
Buuuuuh! 2008 hat angerufen und will seinen (schon damals doofen) Witz zurück.

Das kann ich mir für die nächsten paar hundert Jahre mal nicht vorstellen und bis dahin hat sich die Menschheit vermutlich eh schon in ein Mad Max - Szenario zerlegt.
Psst, unter uns gesagt, das glaube ich bzw. die Realität sieht vermutlich x-fach komplizierter aus. Aber ich finde diese Gedankenspiele interessant. Und dass immer mehr Bereiche unserer Welt automatisiert und algorithmisiert werden, ist ja nun keine Sci-Fi mehr. Aktuell halte ich eine Mad Max Zukunft aber auch für wahrscheinlicher. :/
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Hhmmm....also ich fänds wichtiger Roboter/ Androiden zu entwickeln, um Menschen körperlich schwere und vielleicht auch zeitraubende Arbeiten abzunehmen. Z. B. bei Krankenschwestern das Lagern und waschen von Patienten, so dass sie mehr Zeit für die Gabe vom Medikamenten etc. haben.

So als einmaliges Gimmick soll's mir hier recht sein. Aber als richtige Ablöse von Schauspielern würde ich das nicht wollen. Wenn man schon Menschen mit Talent hat, sollten die auch schauspielern.
 
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