Hanau ~ das Uwe Boll Comeback

Dr Knobel

Sie nannten ihn Aufsteiger
Ich wollte mich ja gar nicht mehr auf solche Diskussionen einlassen, weil Differenzierung scheinbar nicht möglich ist, aber da ist teilweise (!) so viel ... wie drücke ich es in den heutigen Zeiten der allgemeinen Zurückhaltung am besten aus ... suboptimales und zusammenhangloses bei Neo dabei, dass ich doch muss. Oder es fehlt Kontext, der kann dann ja noch kommen, dann nehme ich das natürlich zurück.
Aber mal bei Jay angefangen, denn wir sind recht nah beieinander.
Welcher deutsche Regisseur dreht schon Vampirwestern oder Fantasyfilme oder Horrorfilme mit Monstern? Wer will mit Dolph Lundgren drehen, engagiert die T-X oder Jason Statham? Wer kommt auf die Idee, ein Videogame zu verfilmen? Ganz ehrlich, Boll war diesbezüglich ein ganz großer Hoffnungsschimmer, dass die dt. Kinolandschaft vielleicht dauerhaft auch mal was anderes erlebt als nur die ewig gleichen kleinen Dramen oder Romcoms.

This! Es bleibt dabei, und das kann kann man faktisch auch nicht verdrehen: Boll hat es als einer der wenigen deutschen Filmemacher über Jahre hinweg geschafft, unterschiedlichste Genre-Produktionen für ein internationales Publikum zu drehen und als Produzent zu finanzieren. In einem gewissen Rahmen erfolgreich, sonst hätte das nicht über Jahre hinweg funktioniert. Und das hat mit der ursprünglichen Finanzierung (Fonds usw.) nichts zu tun, denn die Filmen hatten in der Regel separate Verleiher für unterschiedliche Länder. Wenn die Projekte keinen Gewinn abwerfen, greift kein VL mehr zu. Es war also nicht so, dass er da im Vorfeld weltweite Verleiher hatte, die dann gar nicht mehr anders konnten als die Filme zu veröffentlichen. Die wurden aufgekauft, weil sie rentabel waren. Zudem hat er so viele Genres bedient wie kaum ein anderer. Es ist so simpel wie unbestreitbar. Da gibt es auf Länge und Output nichts vergleichbares aus Deutschland. Und das ist auch nicht diskutabel. Es ist schlicht so. Das hat aber rein gar nichts mit der Qualität der Filme zu tun, ob man die mag oder nicht, oder ob Boll ein guter Regisseur ist. Das muss man bei der Einordnung trennen und darf man bei der faktischen Beurteilung, und dazu gehört eben kein persönlicher Geschmack oder Ablehnung gegen irgendjemanden als Person, nicht mit einfließen lassen. Und ich rede über Fakten, alles andere ist Nonsens für mich.

Allerdings, und das mag Neo vielleicht meinen, widerspreche ich Dir da, Jay. Boll hat mit der deutschen Kinolandschaft rein gar nichts zu tun gehabt, da die Filme eben auch international finanziert wurden und überhaupt nicht als deutsche Produktionen wahrgenommen wurden. Aber ich denke, Du hast das anders gemeint, ich kome da weiter unten darauf zurück.
Vor 20 Jahren hab ich ja noch ein wenig die Hoffnung gehabt, dass er noch reift. Dass viele Mängel vielleicht auf Zeitnot und Budgetprobleme zurückzuführen sind, dass er seine Talent mit der Zeit schärft. Aber hmpf, wahrscheinlich nicht.
Ja, da bin ich bei Dir. Die Mängel, die Boll als Filmemacher hat, ziehen sich seit Jahren durch und liegen vielleicht auch daran, dass er eben in der Regel auch Produzent der Filme ist. Er hat also zwei Hüte mit unterschiedlichen Interessen auf. Das geht nur selten gut, heute noch schlechter als vor 10 Jahren oder so, weil sich die Art wie Projekte finanziert werden, komplett geändert hat. Allerdings würde ich da sogar noch schärfer urteilen und sagen, dass man Bolls Interesse oder Desinteresse an einem Stoff tatsächlich sehen kann. Schaue ich mir BLOODRAYNE 3 an oder eben HANAU, da sieht und spürt man, was ihn mehr interessiert, was eine reine Auftragsarbeit war oder auch nicht. Und das darf nicht passieren.
aber er ist halt kein Scorsese oder Friedkin. Das scheint er auch seit Jahren nicht zu kapieren, dass er dafür nicht die passende Handschrift hat. Generell versteht er nach wie vor nicht, dass Story und Intentionen nicht genügen. Wenn die Regie nicht ansprechend oder spannend ist, die Figuren nicht interessant oder charismatisch sind, kommt da eigentlich immer unterdurchschnittliches bei rum, das kaum positive Resonanz erhält. Eins seiner anderen Hauptprobleme ist auch, dass er primär als Produzent denkt und auf Lukrativität aus ist, er gleichzeitig als Regisseur aber auch diese Gegen-alle-will-aufregen-Persona hat, und das beißt sich.
Jepp, da bin ich auch weitestgehend bei Dir. Das hatte ich ja oben schon mit den zwei Hüten beschrieben. Ich beurteile seine Fähigkeiten als Regisseur vielleicht etwas wohlwollender als Du und glaube, dass es vorrangig Probleme bei dem jeweiligen Drehbuch sind. Aber das scheinst Du ja auch zu meinen in dem Post. Die Ideen, die er hat, sind teilweise toll. Er ist dann aber wie ein kleines Kind und legt einfach los, anstatt sich die Zeit zu nehmen, diese tollen Ideen in eine vernünftige Story zu packen und das dann in ein dramaturgisch stimmiges Drehbuch zu adaptieren. Er fängt an und sagt: Passt scho´, die Idee ist ja klasse. Und nein, meistens passt es nicht, oder es reicht nicht, um wirklich gut zu sein.
Rampage oder Attack on Wall Street... ich mein, nichts davon schreit klingelnde Kassen. Wiederum muss es ja auch nicht immer die nächste Elyas Mbarek Nachtclub Komödie sein, um Geld zu machen.
Naja, das kann man jetzt sehen wie man will. Gerade ATTACK ON WALL STREET ... prinzipiell ist das nicht so weit entfernt von FALLING DOWN. Das etwas besser ausgearbeitet, weniger Holzhammer und von einem anderen Regisseur hätte insbesondere in den Staaten schon Luft für einen ordentlichen Erfolg gehabt.
Denn identifizierte er sich wirklich mit dem deutschen Film? Ja, solange er den deutschen Medienfonds nutzen konnte
Was ist eine Identifikation mit dem deutschen Film? Warum muss man das tun und wozu? Wo hat er gesagt, dass das sein Ziel ist? Definiere deutsche Medienfonds.
aber deutsche Drehorte, Cast (Ralf Moeller und Til Schweiger mal ausgenommen) und zuweilen Crew, interessierten ihn doch kaum.
Warum soll er das tun und wem würde das warum helfen? Zudem ist er bei seinen Finanzierungen dazu GEZWUNGEN gewesen, bestimmte Vorgaben bei Cast/Crew zu erfüllen. Selbst wenn er es anders gewollt hätte.

was hätte das an der deutschen Kinolandschaft geändert? Und will man das wirklich?
Es wird immerzu auf den deutschen Film eingehämmert, aber glaubt man denn, dass hier plötzlich seelenlose Blockbuster an der Tagesordnung stehen könnten?
Das ist dann vielleicht ein Missverständnis zwischen Jays Formulierung und Deiner Auffassung. Was Jay vielleicht sagen wollte war, dass Boll eine Signalwirkung für den deutschen Markt hätte sein können. So nach dem Motto: Guck mal, da ist einer der Genre kann. Aber
nochmal: Boll hat keine Filme für den deutschen Markt, sondern für ein globales Publikum gemacht, und das mit internationaler Finanzierung.

Du schränkst Dich da jetzt aber selbst ein, wobei wir jetzt in eine Diskussion abseits von Boll geraten. Es wird auf den deutschen Film eingehämmert, weil er nur noch auf einen rein deutschen Markt fokussiert ist. Weil Fördergelder ohne Sinn und Verstand verbraten werden. Wenn z.B. ein Thorwarth über 15 Jahre hinweg versucht, einen BLOOD RED SKY zu machen, und den nicht finanziert bekommt, der bei Netflix aber ziemlich erfolgreich ist, dann muss man sich schon fragen, warum es nicht möglich war, den mit deutschen Geldern zu finanzieren und international zu verwerten. Und das hat mit seelenlosen Blockbustern rein gar nichts zu tun, sondern mit einem grundsätzlichen Vertrauen und mit der Expertise, was zumindest in Europa erfolgreich sein könnte und was nicht. Schaue ich mir jedoch an, wer Entscheidungen über Fördergelder trifft, ist das ein Unding. Warum gelingt es dem französischen Film immer wieder und deutlich erfolgreicher als dem deutschen Film, international verwertbare Projekte zu stemmen? Und in dem Hinblick wird absolut zurecht auf die deutsche Kinolandschaft eingehämmert. Denn wir spielen international schlicht keine Rolle. Und das kann bei unserer Größe, unserer filmhistorischen Bedeutung einfach nicht sein, dafür gibt es auch zu viele Leute, die es können, das dann aber leider nur an anderer Stelle zeigen müssen. Aber das hat jetzt mit Boll nichts zu tun. Er hat aber diesen Kreislauf durchbrochen, als einer der wenigen.

Wo finden denn in der amerikanischen Kinolandschaft noch SciFi, Action, oder Thriller (Horror ist hier die Ausnahme) statt unter dem dreistelligen Millionenbereich? Wohl kaum im Kino.

So what? Wo willst Du damit hin? Das ist doch überhaupt nicht Bestandteil der Diskussion. Wo finden denn deutsche Produktionen für einen globalen Markt abseits vom Streaming überhaupt statt? Das ist doch eher die Frage. Und da passiert seit Jahrzehnten bis auf Ausnahmen rein gar nichts.
Die 'guten' Filme aus einem Kinojahr wären oftmals auch in Deutschland oder anderen Ländern umsetzbar, denn es sind eben nicht nur Blockbuster, die eine Filmlandschaft definieren.
Exakt. Wären. Eine Umsetzung findet aber in der Regel in Deutschland nicht statt. Finde den Grund.
Und ein Boll hat womöglich Recht, wenn er auf die Filmförderung schimpft, aber weglaufen und mit schlechten Filmen rumproleten hilft eben niemandem. Da bringen eher kritischen Stimmen, wie die einer Julia von Heinze was. Sie ist mittlerweile Teil des Systems, aber soweit das auch geht systemkritisch.
Nö, er hat nicht womöglich Recht. Er hat Recht. Schlecht ist relativ und subjektiv, aber auch nicht Bestandteil der Diskussion. Reden wir über Geschmack oder Geschäft? Über Finanzierung oder Review? Über Möglichkeiten oder Neigung? Boll HAT Filme für einen globalen Markt geschaffen. Ohne Förderung, im Ausland, weil es in Deutschland nicht möglich war. Das ist der springende Punkt. Ob schlecht oder nicht ist doch völlig latte in dieser Diskussion, und da lasse ich mich auch nicht drauf ein, weil mich Dein oder irgendein sonstiger Geschmack mich nicht interessiert, und ich selbst einen Großteil des Boll-Schaffens für teilweise unguckbar halte. Aber darum geht es nicht. Trennen, differenzieren ist hier angesagt.
Warum soll es nicht möglich sein, einen RAMPAGE in Deutschland zu drehen? Der hatte etwa 4-5 Mio. Budget und lief international erfolgreich. Warum wurde der wohl in Kanada gedreht? Wegen der Steuervergünstigungen? Ja, natürlich wurde er das. Das machen die, um Jobs zu schaffen. Und wegen dieser Möglichkeiten und wegen der Infrastruktur ist Kanada so beliebt. Warum geht das nicht auch ansatzweise in Deutschland? Würde Boll oder jeder andere in Deutschland drehen, wenn die Strukturen und Möglichkeiten da wären? Natürlich würden sie das, die sind aber nicht da oder werden verhindert, so dass es immer nur Ausnahmen sind. Das ist aber nicht der Fehler der Macher, sondern der Fehler des Standortes und seiner Entscheider.
Natürlich kann man über die Art und Weise diskutieren, wie Kritik angebracht wird. Ich mag subjektiv solche Leute wie Boll, die eben nicht jeden Satz dreimal chemisch reinigen, bevor er über die Lippen kommt, die Tacheles reden. Aber ja, das ist natürlich diskutabel, weil so eine Art heute häufig kontraproduktiv ist. Aber Boll ist auch deswegen noch da, weil er eben ist, wie er ist. Zudem: Hast Du Dich mal näher mit Leuten wie Bernd Eichinger, Artur Brauner oder Horst Wendlandt beschäftigt. Die waren vom Ton und von ihrer Art her gar nicht so weit weg von Boll. Es waren nur andere Zeiten. Ob besser oder schlechter ... das soll jeder selbst entscheiden. Mir fehlen diese Typen.
 
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Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
(Knobel ich hab deins noch nicht gelesen, ich hab das hier vor dir getippt)

Vielleicht hätte ich das anders formulieren soll. Ich meinte nicht, dass Boll damit den deutschen Produzenten oder Studios oder Verleihern was Gutes getan hätte, sondern deutschen Filmfans. Und natürlich gibt das Land nichts auf einen Regisseur, der auf Englisch und hauptsächlich mit ausländischen Schauspielern drehen will, wieso sollten die sowas auch fördern? Damit fördern die schließlich ausländische Bankkonten, nicht lokale.

Nach wie vor ist Roland Emmerich fast der einzige bekannt Name, wenn man von deutschen Regisseuren spricht, die Action- und Effektfilme gemacht haben. Robert Schwentke und Marc Forster mögen noch so zwei sein, aber ich würd mal fast behaupten, dass die fast niemand vom Namen her kennt, selbst hier im Forum. Weiß nicht, als ich Jugendlicher war, war Roland Emmerich eine absolute Koryphäe. Da dreht der mit Independence Day einen der erfolgreichsten und meistbesprochenen Filme des Planeten - über eine Alieninvasion - und danach dreht er sogar einen Godzilla. Ich konnte das gar nicht glauben. Sowas gabs die 20 Jahre davor nicht. Und dann kam einige Jahre später dieser Boll, der auch sowas versucht, ganz offensichtlich nicht gleich gut und im wesentlich kleineren Rahmen, geschweige denn mit gleichem Erfolg, aber immerhin versucht. Und dabei wurde er im Gegensatz zu Schwentke und Forster auch von keinem großen US Studio finanziert, sondern hat das mit seiner Boll KG selbst gestemmt. Überhaupt welcher globale Regisseur hat es geschafft, im Alleingang ein 50 Mio Dollar Budget zu stemmen?

Es ist fraglos auch subjektiv. Die Erzeugnisse deutscher Studios interessieren mich jährlich nur minimalst, das ist ja hier bestimmt auch bekannt. Manchmal sind da gute Dramen wie Barbara oder Systemsprenger bei, manchmal auch ganz okaye Komödien, aber in meinen ~ 30 Jahren als Filmfan haben die deutschen Studios zu wenig Vielfalt geboten, um mein breit gefächertes Interesse weiter anzusprechen. Und das besteht nicht nur aus Stoffen, die zwingend mehr als 10 Mio Dollar Budget verlangen.

Ich erwarte gewiss nicht, dass irgendein deutscher Regisseur einen Blockbuster wie Men in Black auf Deutsch dreht, der weltweit Anerkennung und Erfolg findet und mehr davon ermöglicht. Schon die Sprachbarriere sorgt dafür, dass ein solcher Film immer nur ein minimales Publikum haben kann, logisch.

Da steckt auch ein klein wenig typisch deutsche Sturheit drin, so nach dem Motto - wir haben eine genaue Vorstellung davon, wie das aussehen soll - kleine interessante Dramen und größer in der Regel nur Komödien. Für mehr ist kein Platz.

Tanz der Teufel, The Transporter, Moon, Donnie Darko oder Snatch - solche Filme könnts bei uns auch geben. Wollen deutsche Produzenten aber nicht, will die deutsche Förderung nicht.
 
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