HBO Max stellt Vom Winde verweht in den Giftschrank - Zurecht?

TheRealNeo

Well-Known Member
https://www.faz.net/aktuell/feuille...n-hbo-aus-dem-programm-genommen-16809227.html
Wird der oder die ein oder andere schon mitbekommen haben, aber der Film wurde aufgrund der aktuellen Vorkommnisse in Amerika erstmal wieder von der Plattform genommen und soll dann wieder mit einem Hinweis zu Beginn dort landen.

Die Frage ist nun, ob das wirklich ein sinnvoller Beitrag ist zur aktuellen Problematik? Seit Jahrzehnten steht der Film in seiner Form und wird geduldet. Vor Kurzem las man, dass Cast und Crew von SELMA (2015) Probleme bei der Oscar-Wahl hatten, weil sie protestierten und nun möchte sich die Filmindustrie von heute auf morgen rein waschen indem sie Ihre Geschichte leugnen bzw. löschen möchte?

Einer der Filme der Filmgeschichte, welcher die Entwicklung der Filmsprache zeigt bzw. als Durchbruch gilt, ist D.W. Griffiths BIRTH OF A NATION von 1915, ein durch und durch problematischer und rassistischer Film. Was will man damit machen? Dies anerkennen oder auch am liebsten aus dem Gedächtnis löschen bzw. die Verfügbarkeit einschränken? Was passiert mit vielen Westernfilmen, wenn man so vorgeht?

Texttafeln bzw. Aufklärung über die Entstehungszeit etc. helfen da meiner Ansicht mehr.

Was meint ihr?
 

Cimmerier

Administrator
Teammitglied
Ich will nur einmal anmerken, dass man mit dem Begriff Rassismus deutlich vorsichtiger umgehen muss, als es oftmals passiert. Es geht gerade auch und insbesondere um den strukturellen/systemischen Rassismus, der Menschen auf Grund ihres Aussehens nachteilig behandelt. Das ist nicht vergleichbar mit einem Film wie Birth of a Nation, der etwas völlig einseitig beleuchtet.
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Aber das würde ich nicht voneinander trennen, das ist doch eine Folge davon.

Hier noch ein knappes, interessantes Statement dazu:

 

Cimmerier

Administrator
Teammitglied
Aber genau das sollte man voneinander trennen. Weil das eine punktuelle Herabsetzungen sind und das andere eben systemische. Das macht einen himmelweiten Unterschied.
 

TheRealNeo

Well-Known Member
Aber die benachteitligte filmische Umsetzung bzw. Beleuchtung ist doch genauso eine nachteilige Behandlung, die von solch einem Rassismus ausgeht.
 

Cimmerier

Administrator
Teammitglied
Der Punkt ist weiterhin, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe, tagtäglich benachteiligt sind. Ob bei der Jobsuche, beim Einkaufen, in den Medien und so weiter. Wenn du als Birth of a Nation Rassismus attestiert, dann musst du halt trotzdem unterscheiden zwischen dem, was da eine einseitige Betrachtungsweise ist und dem, was PoC seit jeher und täglich durchmachen müssen. Wenn ein Deutscher von irgendwem als White Trash bezeichnet wird, dann ist das meinetwegen rassistisch beleidigend, aber es gibt effektiv trotzdem keinen gesellschaftlichen Nachteil, keine systemische Unterdrückung und ähnliches. Daher einfach nur der Hinweis, dass oftmals einfach viel zu fahrlässig mit dem Begriff Rassismus umgegangen wird. Nur allzu schnell kommt wieder jemand um die Ecke und erzählt, wie er kürzlich von jemandem beleidigt wurde und stellt das auf eine Stufe mit dem was andere Leute über sich ergehen lassen müssen.
 

McKenzie

Unchained
Ich sag mal so - Den Film vorübergehend rauszunehmen und dann mit einem Hinweis ("So war das damals, Zeitdokument, heute ist das nimmer so") wieder anzubieten ist in Ordnung. Aber so wie momentan Sachen gekickt werden (Little Britain, Fawlty Towers) von den verschiedenen Streaminganbietern, fühlt es sich sehr nach alibimäßigem Zugaufspringen an nach Schema "Hey uns kann man nichts vorwerfen, wir haben bereits random 1 Serie/Folge gekickt die potenziell offenden könnte!". Dass man dabei auch Programm nimmt, das sich als Satire genau deshalb mit solchen Rassismusthemen sarkastisch beschäftigt hat, wird da einfach ignoriert. Bedenklich und dumm.
 
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TheReelGuy

The Toxic Avenger
Naja, ich halte es auch für richtig, dass man "Vom Winde verweht" und andere Filme mit verschiedenem Grad an unzeitgemäßen Darstellungen mit einem Text versieht und auf die Ursprünge des Werks verweist. Dies sollte dann wirklich großzügig passieren. Nur verschwinden sollten die Filme auf keinen Fall.

Das was McKenzie anspricht, sehe ich übrigens ganz ähnlich, man kann da allerdings ebenfalls auch mit einer Texttafel arbeiten: "Der folgende Inhalt kann von manchen Zuschauer*innen falsch verstanden und als beleidigend gewertet werden, dient allerdings nur der Unterhaltung" So in der Art, wobei es auch da Unterschiede gibt. Im Fall von "Little Britain", ging es ja um die Verwendung von Blackface und das ist halt nun mal wirklich grenzwertig, wie ich finde.
 

Manny

Professioneller Zeitungsbügler
Halte ich für vollkommenen Schwachsinn. Auch das mit dem Hinweis. Das sollte bei einem 80 Jahre alten Film einfach nicht nötig sein. Zumal ein Hinweis, egal wie der nun genau aussehen wird, auch nicht das negiert, was PoC tagtäglich auch noch in der heutigen Zeit passiert.
 

TheReelGuy

The Toxic Avenger
Halte ich für vollkommenen Schwachsinn. Auch das mit dem Hinweis. Das sollte bei einem 80 Jahre alten Film einfach nicht nötig sein. Zumal ein Hinweis, egal wie der nun genau aussehen wird, auch nicht das negiert, was PoC tagtäglich auch noch in der heutigen Zeit passiert.
Natürlich "sollte" das bei einem 80 Jahre alten Film nicht nötig sein, weil alle Menschen schlau und aufmerksam genug sind, um rassistische, sexisitische oder andereweitig fragwürdige Darstellungen in Filmen zu bemerken, aber das sind eben nicht alle Leute, weshalb ich es für keinen Beinbruch halte, wenn man zumindest die Chance nutzt, um die Zuschauer*innen auf solche veralteten Darstellungen hinzuweisen. Oftmals ist es ja auch nicht so offensichtlich wie Mickey Rooney in "Breakfast at Tiffany's".

Und natürlich negiert es auch nicht die Erfahrungen von PoC, aber es kann die Allgemeinheit für solche Themen und unzeitgemäße Darstellungen sensibilisieren, weshalb ich es für eine grundweg positive Sache halte. Besser als die Filme wegzuschließen oder es eben gar nicht anzusprechen.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Ich finde es auch in Ordnung, den Film vorübergehend rauszunehmen und ihn später mit einer passenden Einleitung wieder zugänglich zu machen. Komplett verbieten sollte man es nicht, auch wenn ich nie ein großer Fan von diesem Klassiker war.
Momentan wird in den USA die Verehrung von Konföderierten stark hinterfragt, was ich sehr gut verstehe. Für mich sind es auch keine Helden (auch ein General Lee ist kein Held), weil sie für die Bewahrung der Sklaverei kämpften und nicht etwa für mehr Freiheit oder sonstiges, wie ihre Anhänger oft behaupten. Die "Freiheit", Sklaven zu halten, ist absolut kein Grundrecht. Wir feiern doch auch keine Nazi-Anführer, nur weil sie für irgendwas gekämpft haben. Das sind alles keine Helden und dass ihre Statuen teilweise abgerissen werden, begrüße ich.

Überlegen wir doch, wie ein Film wie "Vom Winde verweht" (und seine Beliebtheit bei dem weißen Publikum) auf die Afroamerikaner wirken können. Da werden immerhin Südstaatler und überzeugte Sklaverei-Anhänger als Helden gefeiert und die Leute finden es total "romantisch"... Da würde ich mir aber auch meine Gedanken machen. Den Film mit so einem Hinweis zu versehen, macht die Sklaverei nicht ungeschehen, aber es ist immerhin ein Zeichen an die Afroamerikaner, dass man sie hört und ernstnimmt. So angespannt, wie die Lage in den USA gerade ist, kann ich diesen Schritt nachvollziehen.
 

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Ich kanns verstehen, dass sie es aktuell machen, sehe es aber doch wie ReelGuy. Einfach passend etikettieren und belassen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand, der jetzt 20 ist und den Film sieht, davon so negativ beeinflusst ist, dass es sein Leben verschlechtert. Oder dass es andersherum Weiße irrtümlich darin beeinflussen könnte, dass Sklaverei eigentlich eine gute Sache war. Dieser Film ist fast 80 Jahre her.... es totzuschweigen, hilft doch auch nicht. Man kann und sollte auch differenzieren können - man kann doch sagen, dass es ein guter Film ist, ohne die darin gezeigten Ansichten und Tatsachen gutzuheißen. Im Mittelpunkt steht schließlich die Beziehung zwischen Scarlett und Rhett und nicht die Sklavenhaltung. Die ist da halt mit drin, weil der Film eben in dem Setting angesiedelt ist.

Die Beziehung an sich ist ja auch nicht rosig ideal, schließlich nimmt Rhett sie sich obwohl sie nicht will...
 

McKenzie

Unchained
Die Leute, die einen alten Schinken schauen und daraufhin glauben, dass Sklaverei knorke ist, schauen keine alten Schinken glaub ich. Von daher geht's da eh eher ums Prinzip als Notwendigkeit.
 
Zuletzt bearbeitet:

vampireMiyu

Well-Known Member
Die Leute, die einen alten Schinken schauen und daraufhin glauben, dass Sklaverei knorke ist, schauen keine alten Schinken glaub ich. Von daher geht's da eh eher ums Prinzip als Notwendigkeit.
Würde ich nicht pauschalisieren. Vielleicht kann Jemand noch unterscheiden, dass Sklaverei nicht knorke ist, aber es gibt auch viele Formen des unbewussten Rassismus / Sexismus, die über genau solche Medien verbreitet werden. Dass bestimmte Handlungen als "ok" angesehen werden. Besonders, wenn sie in romantisierter Form übertragen werden. Hier in Deutschland gibt es auch genug, die das Mittelalter verromantisieren. Einige von denen werden sich auch mit dem echten Mittelalter beschäftigt haben und was da für Verhaltensweisen für unser heutiges Leben schwierig ist - andere nicht. Und übernehmen dann (in dem Kontext eher sexistischen als rassistische) Verhaltensweisen, von denen sie gar nicht verstehen, dass sie verletzend oder schädlich sind.

Dinge, die wir sehen, die wir konsumieren, die wir erleben und die wir hören oder lesen prägen uns Menschen! Das ist ein ganz, ganz breites Spektrum, was uns beeinflusst. Und eventuell mag es genug geben, die einen kurzen Hinweis überspringen oder nichts darauf geben oder einfach kaputt sind und an Menschenrassen glauben, aber wenn auch nur EINER durch so einen Hinweis das Verhalten in dem Film hinterfragt und sich selbst dadurch positiv beeinflussen lässt bzw sich NICHT von dem "vorgelebten Verhalten im Film" beeinflussen lässt, dann hat sich der Hinweis bereits gelohnt.
Es ist nicht viel Arbeit, er ist nicht für immer weg und vielleicht wird es das Leben ein kleines wenig erträglicher machen, weil solche Themen leider nur in Baby Steps voran gehen...

(btw ich kenne den Film nicht, ich kenne keine amerikanischen Klassiker. Deswegen weiß ich nicht, welches problematische Verhalten da stattfindet und in welcher Form. Allgemein aber gilt meine Aussage für alles in diskriminierenden Kontexten).

Edit:
Aber genau das sollte man voneinander trennen. Weil das eine punktuelle Herabsetzungen sind und das andere eben systemische. Das macht einen himmelweiten Unterschied.
Das sind natürlich unterschiedliche Dinge, aber punktuelle Herabsetzung - besonders wenn sie in großem Ausmaß stattfindet - gibt den Menschen das Gefühl, dass systemische Herabsetzung gerechtfertigt ist. Bilder und Sprache prägen unsere Gedanken und unsere Gedanken prägen am Ende unser Handeln. Deswegen ist es auch wichtig, sich mit solchen Themen und punktuellen Herabsetzungen auseinander zu setzen.
Natürlich kann ich bei Medien argumentieren, dass die punktuelle Herabsetzung gar nicht der Kern des Films/Buches/Spieles darstellt und man das doch voneinander trennen sollte - und vielleicht ist der Film, das Buch oder whatever wirklich gut gemacht, sodass ich nachvollziehen kann, wieso Leute es mögen. Dann darf man es trotzdem für solche Entscheidungen (auch nachträglich) kritisieren und es aufarbeiten, was vielleicht zum Entstehungszeitpunkt aus gesellschaftlichen Gründen verpasst wurde. Besonders wenn man hinterfragt, ob es wirklich nötig ist.
Ich selbst bin sehr aktiv im Fantasybereich unterwegs - Bücher, Filme, Serien, Spiele, alles. Ich mag einfach Fantasy, habe aber auch erlebt, dass SUPER VIELE Geschichten absolut sexistisch und rassistisch sind. Später wird es häufig argumentiert, dass "das in der Welt nun mal so sei". Aber besonders im Fantasy darf man sich selbst eine Welt ausdenken, sie MUSS NICHT SO SEIN. Besonders wenn der Rassismus oder jegliche andere Form von Herabwürdigung innerhalb der Geschichte nur erzählt wird, aber nie aufgearbeitet. Nie behandelt. Nie kritisiert.

Dinge, die wir konsumieren, prägen unser denken. Es gibt keine schwarzen Helden, also kann es keine schwarzen Helden (im echten Leben) geben. Das sind die weißen. Mädchen dürfen Männer als Vorbilder haben, aber Jungs sollten lieber keine Frau nennen.
 
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Cimmerier

Administrator
Teammitglied
Mein Punkt war einfach völlig losgelöst von der Frage, die eingangs gestellt wurde. Mir geht es einfach nur darum, dass man sich der Unterschiede bewusst ist.
 

vampireMiyu

Well-Known Member
Mein Punkt war einfach völlig losgelöst von der Frage, die eingangs gestellt wurde. Mir geht es einfach nur darum, dass man sich der Unterschiede bewusst ist.
Klar sollte man sich der Unterschiede bewusst sein. Ich -persönlich - denke nur, dass es noch wichtiger ist, zu verstehen, wie die Punkte zusammenspielen und sich gegenseitig begünstigen. Sonst geht man gerne und schnell den Weg "Kunst Kunst sein zu lassen", was ich sehr bedenklich finde.

Insgesamt glaube ich, dass Rassismus selbst eine so starke Konnotation hat, dass wir mehr damit verbinden und deswegen auch leicht und schnell empört sind, wenn uns Menschen damit konfrontieren. Ich muss kein Nazi sein, um (unbewusst) rassistisches Verhalten zu zeigen oder mich vielleicht in einer Ausnahmesituation rassistisch zu verhalten. Erstmal per se, ist das nichts schlimmes, schlimm wird es nur, wie ich dann mit der Konfrontation dessen umgehe. Deswegen neigt man dann schnell zu "so war das nicht gemeint", oder "so schlimm ist der Film doch gar nicht". Er muss nicht aktiv zum systemischen Rassismus beitragen, um trotzdem zu verletzen, zu triggern oder schlechte Verhaltensweisen zu "legitimieren". Passiv trägt er dann auch zum systemischen Rassismus bei.
 

Cimmerier

Administrator
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Ich nehme damit ja weder das eine, noch das andere irgendwie in Schutz oder sage, dass eins schlimmer ist als das andere. Ich finde es nur stets problematisch, wenn Beleidigungen gegen den "weißen Mann" als Argument an Land gezogen werden, dass Rassismus in beide Richtungen möglich ist. Dabei wird dann gerne vergessen, dass der systemische Rassismus einfach ein ganz anderes Monster ist.
 

vampireMiyu

Well-Known Member
Ich nehme damit ja weder das eine, noch das andere irgendwie in Schutz oder sage, dass eins schlimmer ist als das andere. Ich finde es nur stets problematisch, wenn Beleidigungen gegen den "weißen Mann" als Argument an Land gezogen werden, dass Rassismus in beide Richtungen möglich ist. Dabei wird dann gerne vergessen, dass der systemische Rassismus einfach ein ganz anderes Monster ist.
Da stimme ich dir absolut zu! Kann ich nur so unterschreiben.

Habe ich wohl deine Intention mit deinem Satz nicht 100% verstanden. Ich habe nur zu häufig erlebt, wie solche Dinge als "nicht so schlimm" deklariert werden, weil andere (meist weiße) Menschen das Problem nicht sehen. Nach dem Motto, "ich seh es nicht, also existiert es ja gar nicht". Deswegen kann ich da nicht nichts sagen :biggrin: Auch wenn ich dich zitiert habe, spreche ich nicht ausschließlich dich an - sonst hätte ich eine PN geschickt.
 

McKenzie

Unchained
Es ist nicht viel Arbeit, er ist nicht für immer weg und vielleicht wird es das Leben ein kleines wenig erträglicher machen, weil solche Themen leider nur in Baby Steps voran gehen...
Richtig, deshalb finde ich den Schritt auch sinnvoll. Eine Vergangenheitszensur (wie es Disney gerne betreibt, siehe Song of the South z.B.) ist viel problematischer als wenn sie besprochen werden kann. Wie soll man aus der Vergangenheit lernen, wenn so getan wird als hätte sie nicht stattgefunden?
 
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