Habe gestern Abend meine erste Cyberpunk Red Session geleitet (neuste Edition des PnP-TTRPG auf dem CP2077 basiert). Es waren meine Wenigkeit und vier Freunde, davon zwei absolute Anfänger, eine routinierte Rollenspielerin und ein Spieler mit längerer RPG-Pause.
Eigentlich hatten wir 2-3 Stunden angesetzt und hatten am Ende doch knappe 5 Stunden Spaß. Eine der schöneren PnP-Nächte der letzten Jahre. Das liegt zum Teil am recht unverbrauchten Szenario von CPR, aber auch an der Fülle von Hilfsmitteln die einem heut zu Tage zur Verfügung stehen.
- Voicechat lief über Discord. Das hatte den Vorteil, dass ich per Bildschirm-Stream das Online-Soundboard von Tabletopaudio nutzen konnte. Damit lassen sich Hintergrundgeräusche und andere Sounds einspielen, was sehr zur Atmosphäre beiträgt.
- Ich habe im Vorfeld mit Dungeondraft Maps erstellt. Das Programm kostet zwar 19,99 USD, ist es aber absolut wert. Klare Empfehlung für Gamemaster an dieser Stelle.
- Die so erstellten Maps habe ich dann über Roll20.net mit den Spielern geteilt. Man muss sich ein bisschen in die Seite reinfuchsen, aber auch das ist es wert. Wir haben die dort integrierten Charakterbögen benutzt, was Zettelwirtschaft obsolet macht und das Würfeln von Skills auf einen einzigen Klick in den Bogen reduziert. Da gibt's noch mehr was die Seite kann, aber diese spezielle Option war mir neu und wollte das mit euch teilen.
- Porträts für Charaktere wurden auf drei Arten erstellt: Artworks aus dem Grundregelwerk als JPG gespeichert, Screenshots aus der Charakter Erstellung von CP2077 und Artbreeder (eine Seite die Porträts via KI auf Grundlage von Uploads erstellt. Sehr mächtiges Tool).
- Für Moodshots von Locations und Fahrzeugen lassen sich CP2077-Screenshots hervorragend nutzen.
Soviel zum Drumherum, aber was kann das rund 450 Seiten starke Grundregelwerk eigentlich? Da bin ich etwas ambivalent. Es macht einen ziemlich guten Job beim Worldbuilding, insofern als dass es super viel Hintergrundmaterial gibt und der Sprachgebrauch der Regeln oft Slang aus der Spielwelt integriert. Es wirkt alles wie aus einem Guss, was einerseits schön ist, andererseits aber die Frage aufkommen lässt, ob man das Kapitel über das Kampfsystem wirklich "Friday night firefight" hätte nennen müssen. Das zieht sich durch das ganze Buch und trägt nicht grade zur Übersicht bei, zumal Regel-Kapitel teilweise zwischen Kapitel der Charakter Erstellung geschoben wurden. Es gibt zwar jede Menge Querverweise, aber da ist das Kind m.E. bereits in den Brunnen gefallen und der Glossar ist leider ein Witz.
Apropos Charakter Erstellung: Weiß man erstmal in welchem Schritt man welche Seite aufschlagen muss, kann man damit gut brauchbare Charaktere in kürzester Zeit erschaffen. Ein Baukastensystem macht's möglich, das einem erlaubt grade so viel Aufwand reinzustecken, wie man grade möchte. Alles längst nicht so raffiniert wie es die etwa die fünfte Edition von Vampire the Masquerade macht, aber trotzdem grundsolide.
Auch die Spielregeln an sich haben ihre Höhen und Tiefen. Einerseits hätte ich mir (als jemand der auch hier wieder von VtM verwöhnt ist) ein flexibleres Skillsystem gewünscht, andererseits sind die Rollenfähigkeiten der Spielercharaktere ganz großes Kino und das Netrunning (Hacking) stellt in seiner wunderschön zugänglichen und kein bisschen zeitaufwendigen Form das Highlight des Spielsystems dar, weil es das hinbekommt, was andere Cyberpunk-PnPs (selbst Genreprimus Shadowrun) regelmäßig verkacken: Hacking nicht zu einer zweistündigen One-Man-Show zu machen, die den Rest der Spielerschaft langweilt.
Die Items sind von der Gasmaske über die Waffen und Cyberimplantate alle hervorragend beschrieben und innerhalb ihrer Kategorien gut gelistet... aber wieso müssen Cyberware, Fahrzeuge, Waffen, Kleidung, Equipment, Immobilien... alle getrennt von einander über's ganze Buch verteilt sein? Arrgh!!! Hier hoffe ich auf die Community und ein paar Spreadsheets zur besseren Übersicht.
Fazit:
Technisch grundsolide, mit glücklicherweise etwas mehr Höhen als Tiefen. Ein Hauptkritikpunkt ist die schlechte Übersichtlichkeit, was einiges an Vorbereitung und Orientierungsvermögen vom Game Master abverlangt. Die Mühe lohnt sich aber.