Snowpiercer ~ Chris Evans (sci-fi) [Kritik]

Clive77

Serial Watcher
Grandioser Film! :top:
Kann man durchaus mit den (großen) Vorreitern des Genres in einem Atemzug nennen (ja, auch Blade Runner). Ist auf jeden Fall einer dieser Filme, die man sich mehrmals anschauen kann und wo man immer wieder was Neues entdeckt. Das Thema dahinter gibt auch zu denken - wobei sich das Ende (wie bei den größeren Filmen des Genres auch) so oder so auslegen lässt. Und das genau muss ein solcher Film leisten können: Den Zuschauer zum Nachdenken bewegen und - abseits der vorhandenen Logiklöcher - Diskussionen über das Szenario starten. Klappt scheinbar, von daher: Ziel erreicht.
 
A

AlecEmpire

Guest
Kann sich jemand an den OST zu Snowpiercer erinnern? Also ich nicht. Blade Runner hat einen der großartigsten OST's aller Zeiten.
Sorry, aber dieser Vergleich schmerzt mich wirklich sehr und ich mag Snowpiercer sogar.
Alleine die Story am Ende, wenn Curtis erzählt dass...
sich alle die Gliedmaßen selbst abgetrennt haben, damit sie etwas zu essen haben, das ist so ein riesiger Unfug - facepalm pur. Das ist nichts weiter als unsinniger Pathos den man nicht ernst nehmen kann.
Aber wir werden es wohl erst in einem Jahrzehnt genau wissen... - dass Blade Runner in einem anderen, unerreichbaren Universum spielt.
 

Noermel

Well-Known Member
Also der Track bleibt einem definitiv im Kopf :mellow:
Im Gesamten allerdings ja ist der Soundtrack jetzt nicht wirklich sooo besonderes leider :unsure:

Aber was soll der ständige Vergleich mit BR nur weil er auch Scifi ist :rolleyes:
Es ist eine gänzlich komplett andere Story.
Ohne R. Hauer wäre er auch ohnehin nur halb so gut muss ich sagen. Sicherlich tolle Aufnahmen.....
Muss dir aber zustimmen BR spielt in einen gänzlich anderen Universum in dem es halt keine Eiszeit gibt und dafür halt Androiden. Das wars aber auch.
 
A

AlecEmpire

Guest
Noermel schrieb:
Muss dir aber zustimmen BR spielt in einen gänzlich anderen Universum in dem es halt keine Eiszeit gibt und dafür halt Androiden. Das wars aber auch.
Wenn Du die Ötzis aus der Eiszeit in der Landesliga spielen siehst und die Androiden in der Champions League, dann würde ich dir sogar zustimmen. :biggrin:
Also entweder wird hier Blade Runner deutlich unterschätzt oder Snowpiercer deutlich überschätzt, oder beides, so ganz klar ist mir das noch nicht...

Bzgl. Track: Na ja, ziemlich durchschnittlich. Es gibt tausend andere Tracks die genau so (gut) klingen.
Der Blade Runner OST dagegen ist ein absolutes Unikat, ein traumhaftes Meisterwerk, fast schon geiler als der Film selbst.
 

Woodstock

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@Alec
Ihn mit BR zu vergleichen bringt nichts! Niemand außer dir macht das noch. :biggrin:

Wo ist bei Amputationsfütterung Pathos? Das versteh ich nicht ganz.
 

Diego de la Vega

Not Yet Rated
Ich würde "Snowpiercer" nicht als überschätzt ansehen. Eher noch als unterschätzt, denn der Film scheint mir noch einiges in zweit, dritt... Sichtungen an Mehrwert in der Hinterhand zu haben. Die Chance auf einen Klassiker scheint mir da.
 

Clive77

Serial Watcher
@Alec: Ich habe keinen Vergleich angestellt, sondern lediglich dargelegt, weshalb ich Snowpiercer in die erste Liga stecken würde. Vielleicht mal zur Verdeutlichung im Spoiler:
Einerseits funktioniert der Film als temporeicher Actionfilm, bei dem man mit den Figuren mitfiebern kann und auch nicht groß das Hirn einschalten muss. Andererseits ist der Film aber auch eine Gesellschaftskritik, die sich auf viele alltägliche Dinge übertragen lässt. Und genau dieses "andererseits" hebt den Film in die obere Liga solcher Science Fiction Projekte.
Die ganze Welt in einem Zug? Übertragen auf die heutige Welt sitzen wir in der "First Class" und die Länder der dritten Welt fahren "Economy". Das fängt bei einfachen Dingen wie medizinischer Versorgung, Lebensmitteln, etc. an. Die reichen Länder denken aber kaum daran, etwas für die armen zu tun - obwohl man die Möglichkeiten hätte. Dazu müsste man aber auf den eigenen Luxus verzichten und wer macht das schon?
Das Klassensystem im Zug kann man aber auch auf die Berufswelt übertragen. Es kann nicht jeder ein angesehener Oberarzt, Firmenchef, Vorstandsmitglied, Banker, etc. sein. Es bedarf auch der "Unterschichten-Jobs" wie Toilettenreiniger, Müllmann, etc. damit das System funktioniert.
Überhaupt lassen sich unzählige solcher Vergleiche anstellen. Überall, wo es Unterschiede der Sorte arm und reich (mit verschiedenen Abstufungen) gibt. Und die Frage, die der Film stellt, ist eben: Was passiert, wenn die "Economy Class" die Schnauze voll hat und rebelliert? Kommt es dann zum totalen Kollaps oder besteht Hoffnung, dass sich die Situation für alle angleichen lässt?
Der Science Fiction Aspekt tritt dabei in den Hintergrund und die Logiklöcher spielen kaum eine Rolle. Es kommt nicht darauf an, ob ein solcher Zug überhaupt möglich ist sondern darauf, was die Geschichte dem Zuschauer mitteilen möchte. (Normalerweise bin ich auch einer der ersten, die sich über unlogische Dinge aufregen, aber in diesem Fall ist mir das einfach nicht so wichtig).
 

Presko

Well-Known Member
Das ist so ein Streifen, dessen Bewertung mir schwer fällt.
Schön ist schon mal der Beginn des Films. Er verzichtet auf eine klassische Einleitung. Man wird eigentlich ziemlich direkt in diese Welt hineingeworfen und muss sich als Zuschauer selbst zurechtfinden. Der Cast gefiel mir durch die Bank. Das Highlight stellte allerdings ohne wenn und aber Tilda Swinton dar, die eine denkwürdige Performance ablegte. Auch die internationale Besetzung passt wunderbar zu diesem Setting und tut dem Film gut. Für die Figuren des ehemaligen Sicherheitschefs und seiner Tochter hätte ich mir gerne noch etwas mehr Tiefe gewünscht. So pendeln die beiden zwischen mysteriös-geheimnisvoll und freakig hin und her, ohne dass wir ihnen wirklich jemals nahe kommen oder ihr Verhalten insgesamt über den Film hinweg gesehen, ganz nachvollziehbar ist.
Der Hauptteil des Films beschreibt eigentlich eine Zugsrevolution angeführt durch Evans Figur, hierbei verfolgen wir als Zuschauer einen Kampf der unterdrückten Passagiere aus dem hintersten Abteil des Zuges diesen entlang nach vorne zur Engine. Dieses Szenario wird genutzt, um uns eine Welt bestehend aus diversen ganz unterschiedlichen Subregionen (die sich in einzelnen Wagons abbilden) zu zeigen. Hierbei erleben wir ganz unterschiedliche Welten. Sei es, dass wir einzelnen mechanischen Stationen begegnen, welche sozusagen für die Versorgung zuständig sind, oder wir lernen bestimmte Lebenswelten der anderen Klassen kennen,
wie die der ekstatisch feiernden Discopunks. Oder ein Schulwagon, in welchem die Kinder ideologisch indoktroniert werden etc
Dabei zeigen all diese Welten ganz unterschiedliche Aspekte und weisen verschiedene Atmosphären auf.
Das ist einerseits faszinierend und abwechslungsreich führt aber auch zu gewissen Problemen. Denkt man darüber nach, wirkt diese Zusammenfügung mehr konzeptionell als inhaltlich wirklich realistisch und glaubwürdig eingebettet. Man merkt, da waren viele kreative Ideen vorhanden, die man einzeln umsetzte (pro Wagen eine Welt), das alles fügt sich für mich aber nicht zu einem glaubwürdigen Ganzen.
Beispiel:
da tanzen, ich weiss nicht, 2000 Menschen im "Disco"-Wagon, aber wo schlafen die alle denn bitte, wo verbringen die ihre Zeit zwischen dem Tanzen? Oder wo befinden sich die Kinder ausserhalb der Schulzeit und wie kommen sie dahin, was tun sie da? Eine andere Frage wäre, wie die ganze Versorgung logistisch funktioniert, wie man zu all dem Fleisch kommt oder zum Fisch für das Sushi.
Das andere Problem, das sich mit so einer Welt ergibt, ist der räumliche Aufbau und ob das räumliche Gefühl stimmig auf den Zuschauer übertragen werden kann. Mir erschliesst sich nicht, wie genau sich die Truppen durch diesen Zug bewegen oder wie sich bestimmte Personen hier bewegen. Man bekommt das Gefühl einzelner abgeschlossener Welten in Form dieser Wagons, gleichzeitig muss es ja aber ein Verteilungssystem geben und eine Möglichkeit für die Sicherheitstruppen sich schnell von A nach B zu bewegen. Auch im Verlaufe des Filmes fehlte für mich die räumliche Orientierung etwas. Anfangs war es noch klar, man bewegte sich Wagon für Wagon vorwärts und dann plötzlich geht die Orientierung ein wenig verloren. Wo genau sind jetzt die Truppen, wo Evans mit seinen Männern, wieso werden sie genau an diesem Punkt eingeholt etc. Irgendwie fühlte es sich für mich ab und zu nicht mehr ganz richtig oder nachvollziehbar an - sondern eher beliebig.
Wenn man sich bedenkt, dass diese Welt so nach 17 Jahren noch existiert und die Bewohner versorgt werden - fehlt irgendwie einfach eine genauere Erläuterung des Systems bzw. sehe ich nicht, wie das glaubwürdig in diesem Zug aussehen könnte.
Man kann gegen diese Probleme einwenden, dass es in diesen Punkt schlicht nicht um Realismus ginge, man dürfe da halt nicht zu genau darüber nachdenken, weil es letztlich um die Idee dieser verschiedenen Sphären einer Welt, um eine Darstellung einer Klassengesellschaft ginge - es geht mehr um die philosphischen Fragen darin und um die Darstellung des Kampfes der Unterdrückten. Und es macht ja auch Spass diese verschiedenen Welten zu entdecken, die teilweise sehr zynisch-witzig (v.a. die Schule), teilweise abstossend, teilweise düsterbedrückend dargestellt sind. Andererseits versucht der Film stilistisch ja durchaus auch einen Realismus aufzubauen und ich störte mich daran mit fortschreitender Laufzeit mehr und mehr.
Ein weiterer Punkt im Film ist die Action und insbesondere die Kämpfe. Hier gibt es bereits früh ein Highlight im Film in Form eines brutalen Massenkampfes. Hier zeigt sich gut, dass es keinen Splatter braucht, um einen brutalen Kampf glaubwürdig und beeindruckend darzustellen. Ohne dass man von den Wunden viel mehr sieht als ein paar Blutspritzer, funktionieren die Szenen alleine durch die richtige Kamerarbeit, das Spiel der Figuren und ihre Kampfweise. Dieser Kampf endet übrigens mit einer unglaublich konsequenten, grossartigen Wendung im Film.
Andererseits störten mich andere Actionszenen gegen Ende des Films, die mir irgendwie zu sehr erzwungen vorkamen, ohne sich so richtig in die Dramaturgie einfügen zu wollen.
Und nun zum Ende des Films. Den Darsteller, auf den wir hier treffen, will ich nicht verraten, aber ich fand seine Besetzung irgendwie recht witzig
musste dauernd an seine Figur aus Truman Show denken
. Seine Darstellung war sehr zurückhaltend und nicht zu bösewichtartig, dem stand allerdings das Drehbuch entgegen.
Was mich am Finale besonders störte, war diese Notwendigkeit eine Wendung oder dramatische Aufdeckung nach der anderen abzufeuern
angefangen mit der Auflösung des Plans vom Schlossknacker, die Tür zu sprengen - danach die Wendung, über Evans Vergangenheit - dann die Zusammenarbeit Hurts mit Wilford und schliesslich den Kindern in der Engine
dazu kommt, dass die Aufdeckungen auch etwas unschön präsentiert wurden, nämlich allesamt in langen Monologen vorgetragen, anstatt dass sie sich in der Handlung dem Zuschauer eröffnet hätten. Dass am Schluss einfach erzählt wird, was alles tatsächlich hinter den Dingen steckt, ist ein etwas unschöner, sogar billiger Kniff. Der einfachere unelegantere Weg und der wird hier geradezu in extremis angewandt.
ausgenommen die Entdeckung der Kinder
Die Aufdeckung über Hurts und Evans Vergangenheit war zudem eine einerseits faszinierende Idee andererseits wiederum enorm übertrieben und daher dann halt recht unglaubwürdig.
wieso wollte denn Evans gerade ein Baby essen, weil das Fleisch so lecker war, wie er zuvor sagt? Und Hurt soll sich dann einfach spontan rasch den Arm abgeschnitten haben? So einfach geht das, glaube ich, nicht. Überhaupt, wenn sich alle die Arme abgeschnitten haben, wie haben die dort überleben können?

Mein letzter Kritikpunkt betrifft sozusagen die “Moral der Geschichte”. Zum einen verfährt der Film mit den Bewohnern des Zuges genauso, wie er es eigentlich kritisiert oder ablehnt. Nämlich, dass er den anderen Bewohnern des Zuges keinerlei Wert beimisst, sie nur als Psychos oder dekadent etc. zeigt - also nur in negativen Stereotypen. Ihr Leben hat null wert. Die einzigen, die zählen, sind die Unterdrückten aus dem hintersten Wagen.
Warum versucht man nicht mal Wilfords Standpunkt etwas stärker zu vertreten und aufzuzeigen, dass die Leute in diesem Zug wirklich vor einem Dilemma stehen. Natürlich ist dieses System grausam und brutal. Aber warum versucht man nicht wenigstens der anderen Seite etwas mehr Überzeugungskraft zu geben, um das Dilemma deutlicher zu machen. Denn stattdessen nimmt der Film den einfachen Ausweg und stellt Wilford eben doch einfach als einen verblendeten Psychopathen dar.

Dazu kommt dann das Ende.
Alle sterben wahrscheinlich ausser dem Jungen und dem Mädchen. Die beiden treten in die schön dargestellte Natur hinaus, welche im Kontrast zur düsteren, brutalen Zugwelt erscheint. Dass alle anderen wahrscheinlich tot, oder schwer verletzt sind und dass womöglich Überlebende elend verhungern oder verfrieren oder von Eisbären gefressen werden, wird nicht bedacht. Stattdessen haben die beiden endlich die Freiheit erreicht. Freiheit über alles, auch wenn es nur die Freiheit zweier Figuren ist und den Tod für tausende bedeutet. Dass diese zwei wahrscheinlich in ein paar Tagen auch unglaublich elend und auf brutalste Weise in dieser Natur krepieren werden, bleibt aussen vor. Es ist daher durchaus die Frage wert, ob ein Leben in diesem Zug nicht sogar letztlich von wenigstens einigen der Unterdrückten eher dem Überlebenskampf in der Natur vorgezogen worden wäre. Aber das stellt der Film nie ernsthaft zur Debatte.

Jetzt habe ich sehr viel Kritik angebracht. Aber es ist bestimmt ein sehr guter Film. Vor allem mal nicht der übliche Hollywoodeinheitsbrei. Und man kann über die Dinge, die ich hier kritisiert habe u.U. bestimmt auch hinwegsehen - vielleicht kann ich das dann bei einer zweiten Sichtung auch. Der Film lebt von einer dichten Atmosphäre, tollen Schauspielern und vielen spannenden und relativ originellen Ideen und Fragestellungen. Leider bleibt der Film aber letztendlich doch zu oberflächlich und vertieft wenig davon. Vielleicht wollte man auch etwas zu viel auf ein Mal in einen Film packen, ich weiss nicht. Aber damit, dass der Film so viele Sachen anreisst, ohne sie sie vertieft zu thematisieren, vergibt er sich in meinen Augen die Chance, ein echtes Meisterwerk zu sein.

Ich schwanke zwischen 7, 7.5 und 8 Punkten - also ist wohl die 7.5 am Treffendsten.
 

Woodstock

Verified Twitter Account ☑️
@Presko
Du verstehst den Film vollkommen anders als ich. Wenn ich mehr Zeit habe, gehe ich auf deine Kritikpunkte ein. Dann wird auch klar ersichtlich warum ich 9 gebe und du 7,5. Ich will nicht sagen das du falsch liegst, vielleicht verstehe ich es auch falsch aber ich sehe es anders.
 

Dr.WalterJenning

Düsterer Beherrscher
Hammerfilm! :thumbup:

Evans Rolle ist samt Hintergrund und Perfromance Bockstark, die Geschichte, die auf den ersten Blick nicht sonderlich innovativ wirkt, bezieht gerade durch die Auflösung in der Zielgeraden ihren Reiz. Die Action macht Laune und nahezu sämtliche Charaktere sind richtig schön irre und mal komplett gegen den Strich besetzt.

Von mir aus hätte der Zug gerne noch aus 200 weiteren Abteilen bestehen können, denn es geht konsequent nach vorne, dabei traut sich 'Snowpiercer', gegen den Trend auch richtig krasse Entscheidungen zu treffen, die man einer Quasi-Hollywood-Produktion mal so gar nicht zugetraut hätte. Ich habe keine Ahnung, was Mr. Weinstein hier gerne rausgekürzt hätte, denn jede Minute weniger hätte dem Film mehr geschadet als genutzt.

'Snowpiercer' ist ein exzellenter Vertreter des dystopischen Sci-Fi-Kinos, mit vielen Parallelen zu anderen Klassikern des Genres, der sich klar durch seine Charaktere, die omnipräsente Gesellschaftskritik und seine Geschichte definiert und es vermag, diese durch harte, druckvolle Actionszenen zu würzen, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren.

Ein Film, der zum miträtseln, mitfiebern und mitleiden einlädt und den Zuschauer mehrfach mit einer des Staunens geschuldeten, offen Kinnlade belohnt. Ein ganz großes Stück Kino! Bitte mehr davon!

8,5/10​
 
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