[Story] 3AKAT

bleak

let's die just a little tonight!
So, nach ner halben Ewigkeit gibts auch mal wieder was Neues von mir. Mein Dank geht noch mal an Tyler, ansonsten hoffe ich, es wird irgendwem gefallen.
Ich kann leider in der Überschrift kein kyrillisch schreiben, deshalb sieht es jetzt so aus, mal schauen, ob es hier jetzt klappt.


"3AKAT" heißt übrigens "Sonnenuntergang".

3AKAT

Am Anfang ist da der Geruch. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Mein Auto steht geparkt inmitten der Innenstadt, der Motor läuft noch. Es ist ein dunkler, regnerischer Tag. Die Wassertropfen fallen stakkato artig auf meine Frontscheibe. Ich zähle jeden einzelnen von ihnen, um die Zeit zu überbrücken. Ein Regentropfen sieht besonders liebreizend aus. Seine Form erinnert mich kurzzeitig an eine unvollendete, wunderschöne Frau.
Ich wundere mich über mich selbst, da ich so fasziniert von so einer unbedeutenden Sache bin. Vielleicht sind es solche Momente, die das Leben wirklich lebenswert machen. Dann vermischt sich der Tropfen mit den Abermillionen seiner Artgenossen, die die Schleusen des Himmels auf die kleine Stadt niederlassen. Die Ampel neben mir springt auf grün. Ich sehe, wie die Menschen in ihren Autos in den ersten Gang schalten, dann losfahren. Die meisten sehen angespannt und müde aus. Sehr müde. Ich blicke den Autos hinterher, sehe wie sich das matte Rot der Rücklichter mit dem Regen verschmilzt, bis sie schließlich in der Dunkelheit verschwunden sind. Ich blicke auf die Uhr. Es ist kurz nach 7.
Ich ertrage die Warterei nicht mehr. Es ist kalt, die Heizung scheint noch nicht richtig angesprungen zu sein. Ich schüttele den Kopf. So viel zum Thema Neuwagen. Diese endlosen Minuten¦Die Digitaluhr in meinem Auto bewegt sich nur quälend langsam voran, wie ein Kaugummi, das man bis in die Unendlichkeit in die Länge zieht.
Und dann sehe ich sie im Rückspiegel. Es scheint, als wenn die Welt einen Moment lang stehen bleiben würde. All die Emotionen, der Stress, der Lärm der Welt¦für einen winzigen Augenblick vergessen. Selbst im Regen ist sie von einer so überwältigenden Aura umhüllt, die heller strahlt als es irgendein Stern am Himmel jemals kann. Ihre schwarzen, langen Haare umrahmen ihr Gesicht perfekt und liegen wie Seide auf ihren Schultern. Die Regentropfen glänzen in ihren Haaren wie tausende kleine, unvorstellbar schöne Diamanten.

Mountainous waves
Are breaking on my despair
Awaken me but I'm still dreaming

Aus den Boxen meiner Anlage ertönt ein Song, der mir viel bedeutet. Gojira Ocean Planet. Dann öffnet sich die Beifahrertür und eine eiskalte Windböe fegt durch meinen Wagen, die auch noch die letzten Reste Wärme aufsaugt. Ich fröstele. Sie sitzt neben mir und lächelt mich an. Und dann ist da wieder der Geruch. Eine atemraubende Mischung aus Parfum und frischem Kaffee steigt mir in die Nase. Mir schwinden fast die Sinne, als ich ihr einen Kuss auf die Lippen hauche. Sie schmeckt nach Erdbeerkaugummi. Ihr Lächeln wird breiter. Ich liebe ihren Gesichtsausdruck, die Grübchen auf ihren Wangen. žGuten Morgen, mein Schatz! Ich erwidere die Floskel, immer noch wie betäubt von ihrem Anblick. Dann löse ich die Handbremse und fahre los.
Wir haben einen weiten Weg vor uns, knapp 65 Kilometer durch Regen und Dunkelheit. Immer geradeaus, der Weg könnte nicht eintöniger und frustrierender sein. Wenn ich zurückdenke das tue ich äußerst ungern, denn meist sind meine Erinnerungen mit Schmerz, Kälte und Leere verbunden- dann kann ich mir eine Fahrt ohne sie nicht mehr vorstellen. Schon bei dem Gedanken fröstelt mein Körper vor kalter Angst. Nie wieder allein diesen langen Weg, endlich Licht am Ende des dunklen Tunnels. Ich empfinde eine gewisse Euphorie. Mein Leben verläuft endlich so, wie ich es mir vorstelle. Ich würde sogar fast behaupten, ich bin ein glücklicher Mann. Wobei natürlich jeder eine andere Definition von Glück hat, aber das spielt hier keine Rolle.
ž¦Was ist los? Hörst du mir überhaupt zu? Ich schrecke auf und blicke in ihr vorwurfsvolles Gesicht. Ihre smaragdgrünen Augen scheinen mir direkt in die Seele zu blicken. Ich fühle mich nackt, verletzlich. žJa, natürlich. Es tut mir leid, ich war in Gedanken. Sie schüttelt den Kopf und wendet den Blick ab, starrt aus dem Fenster. Ich versuche mich auf die Straße zu konzentrieren.
žDieses Wetter ist die Hölle. Wo sind all die schönen Tage, an denen die Sonne scheint, geblieben? Hier ist alles kalt und grau.
Ich schüttele den Kopf. žIch weiß es nicht. Irgendetwas passiert. Die Welt wird kälter. Vielleicht merkt auch das Wetter diesen Umschwung und lässt es deshalb nur noch regnen.
Ein melancholisches Lächeln umspielt meine Lippen. Ja, vielleicht habe ich ja wirklich Recht und das Wetter reagiert auf die Emotionen der Menschen. Doch dann würde es ja nur noch regnen. Den Rest des Weges schweigen wir, allerdings ist es keine unangenehme Stille, sondern eher etwas Vertrautes. Ich genieße es, in ihrer Nähe zu sein. Worte sind jetzt nur unnötiger Ballast.
Als wir schließlich unser Ziel erreichen, hängen fette, schwarze Wolken am Himmel. Der Regen hat an Intensität zugenommen und tut schon fast weh auf der Haut. Meine Stimme gleicht einem Flüstern, als sich unsere Wege trennen.
žIch liebe dich.
Es sind diese 3 Worte, die den Moment magisch und unvergesslich machen. Ein abschließender Kuss.
Wir gehen beide unseren Beschäftigungen nach. Sie arbeitet, ich studiere.
Abends treffen wir uns an meinem Auto wieder und fahren zurück. Jeden Tag derselbe Ablauf. Es hätte für die Ewigkeit sein können.

Als ich aufwache, bin ich für einen Moment orientierungslos. Wo bin ich? Dann beruhigen sich meine Sinne, mein Atem verlangsamt sich und meine Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit, dennoch ist mein Schlafanzug nassgeschwitzt. Als ich einen Blick auf die Uhr werfe, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. 3 Uhr. Mitten in der Nacht. Also ist doch nicht alles in Ordnung?
Ich reibe mir über die Augen. Draußen tobt ein Sturm. Der Wind zerrt mit gewaltiger Kraft an meinem Fenster, wie ein gigantisches Tier, das mit seinen Pranken alles und jeden vernichtet, der sich ihm in den Weg stellt.
Mir ist schlecht. Als ich einen Blick nach draußen werfe, weiten sich meine Augen vor Entsetzen. Das da draußen war kein normaler Sturm.
Er hatte etwas an sich, dass ich schwer in Worte kleiden kann. Riesige Gewitterwolken türmen sich vor meinem Fenster auf, schwärzer als schwarz, es scheint, als hätten diese Wolken sämtliches Licht der Umgebung aufgesaugt. Am Himmel ist kein einziger Stern mehr zu sehen, dennoch ist es ungewöhnlich still. Nur der Wind zerrt weiterhin an meinem Fenster.
Und dann wird mir plötzlich alles klar. Der Sturm ist meinetwegen hier. Ich bin das Zentrum des Sturms, der Auslöser. Alles fügt sich zusammen, wie bei einem Puzzle, das man nach langer Zeit endlich fertiggestellt hat.
Eine Träne läuft an meiner Wange herunter, als ich realisiere, dass ich sie verloren habe. Für immer. Man sagt, Zeit heilt alle Wunden, aber meine fängt gerade erst zu bluten an. Das Einzige, was bleibt, sind Erinnerungen. Und der Geruch nach Kaffee und Parfum. Ich werde sie für immer in meinem Herzen tragen.
Dann bricht der Sturm los.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Wie ich bleak schon im ICQ sagte, finde ich die Geschichte schreibtechnisch gut und auch schön geschrieben. Was mir fehlt, ist eine Handlung, denn mit so Liebesgeschichten kann ich (momentan) wenig anfangen.
Ansonsten aber wie gesagt eine gute Story.
 

RickDreams

New Member
Schreibtechnisch hat sie mir sehr gut gefallen. Schöne Ausdrücke und Beschreibungen. :super:

Man merkt, dass es von tief drinnen kommt ... mehr möchte ich nicht hinzufügen!
 

bleak

let's die just a little tonight!
Na immerhin zwei Leute. :wink: Danke fürs Feedback, ich werd mich bald wieder an was Neues hängen.
 

.adversus

Well-Known Member
So - dann schreib ich auch mal was dazu, hab sie mir gerade durchgelesen.

Und ja, da schliess ich mich an - man merkt, dass diese Geschichte von Herzen kommt. Wirklich schoen geschrieben.

Kurz und knapp alle Gefuehle und Gedanken in Worte gefasst.
 
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