[story] Der Vorhang

Layla

Nordisch by Nature
Okay, mein erster SChreibversuch seit einem Jahr. Der liebe Brick hat mir ein Thema gegeben und ich hab dazu eine kleine Geschichte verfasst. Vielleicht mag sie ja jemand lesen und kritisieren.

Der Vorhang

Die Vorhänge, dunkel vom Schmutz, zugezogen; der Geruch des verfluchten Zimmers erinnerte stark an verschimmelten Joghurt; unsichtbarer Staub setzte sich auf Körper und Haaren fest; irgendwo in den nebenliegenden Zimmern wiegte eine Frau ihr schreiendes Kind in den Schlaf. Die Atmosphäre war getränkt von unerträglicher Hitze. Auf Ellens makelloser Haut bildeten sich feine Schweißperlen. Es ruinierte ihr perfektes Make-up, ruinierte, ruinierte...

Die Worte, die sich auf seinen trockenen Lippen bildeten, glitten unbeachtet an ihrem Verstand vorbei. Ihr Körper, geschwängert vom Alkohol; ihr Denkvermögen, benebelt von dem gierigen Gedanken an Geld. Wie eine Marionette stand sie vor ihm und gehorchte. Mit den Händen drückte er ihre Schultern grob an die Motelwand, bis sie den Schimmel an ihrer nackten Haut spüren, gar schmecken konnte. Sie atmete tief durch und biss sich auf die rot geschminkten Lippen um die bösen Worte, die auf ihrer Zunge lagen, herunter zuschlucken. Scheiß auf die Flecken, welche die verdammte Wand an ihrer Haut hinterlassen würde. Exakt drei Stunden später würde sie sich ein wenig plastische Sonne gönnen.

Während er wild und unberechenbar begann über ihren schlanken Körper zu fahren, zu grunzen wie ein hungriges Tier, überlegte sie fieberhaft und fernab von der Realität, ob und wie lange ihr Lieblingsfriseur aufhatte und ob sie direkt nach dieser Session es schaffen würde, diesen auf zusuchen.

Das Absurde daran war, dass genau in diesem Moment, als sie sich über ihre Frisur Gedanken machte, der schimmelige Putz über ihren ganzen Körper, über ihre dunklen Haare bröckelte, und es wurden immer mehr Krümel, da nun der Mann, der sie gleich ficken würde, unkontrolliert zu zucken anfing und sich mit der linken Hand über ihrem Kopf abstützte.
Es ließ Ellens Gefühlswelt vollkommen kalt. Flink huschte sie mit spitzen Fingern zu ihrem seidigen Haar und kämmte sich gedankenverloren den Putz heraus, bedachte aber, nicht zu tief in ihre vom Haarspray gehärtete Frisur einzudringen. Der Mann polterte und schlug ihre Handgelenke über ihrem Kopf hart zusammen.

žSo gelangweilt? Hm? Soll ich dir die Langeweile vielleicht austreiben?, raunte er und sein mundwassergetränkter Atem umhüllte ihr maskenartig geschminktes Gesicht.

Zum ersten Mal glitt Ellens Blick in sein purpurrotes Gesicht, erforschte den Ausdruck in seinen schwarzen Augen, verschleierter Blick, lustgetrübt. Was wusste sie eigentlich über den Mann, der ihr fünfhundert Dollar für ein paar Stunden geben würde? Sie spürte an ihren Fingerknöcheln einen Ehering. Ein frustrierter Ehemann, oder ein fürsorglicher Vater?
Seine Augen gaben keine Informationen preis und im Grunde genommen war es ihr auch egal. Solange er und all die Männer ihre Grenze nicht überschritten, sie außerdem brav bezahlten, würde es ihr immer scheißegal sein.

Schließlich denn sie wollte die Sache nun hinter sich bringen und der Ekel über den Schimmel an ihrer Haut war unerträglich- befreite sie sich aus seinem Griff und zog ihn schief lächelnd auf das ungemachte Bett zu. Dass sie die Oberhand ergriff schien ihm nicht zu gefallen, also schubste er ihren zierlichen Körper auf die ausgeleierte Matratze, ihr Kopf knallte dabei gegen einen metallenen Bettpfosten, doch er nahm keine Rücksicht und kam über sie...

Er fickte sie dreimal, und sein Speichel war auf ihrem ganzen Körper verteilt, die Haare verschwitzt, sie fühlte sich so schmutzig wie das verdammte Zimmer. Und doch war es sein Zimmer, gemietet von seinem Geld und nur für seine Zwecke, also rollte er sich endlich nach einer zermürbenden Stunde von ihrem schlaffen Körper und verschwand wortlos im Badezimmer. Nach einer Minute hörte sie das Rauschen des Wassers in den Rohren hinter der schlecht verkleideten Wand.

Seufzend drehte Ellen sich zur Seite und hielt inne, als sie mit ihren Fingern fünf Geldscheine ertastete. Ein Gefühl der Wärme breitete sich in ihrem Brustkorb aus. Ja, dafür hatte sich das Arbeiten doch gelohnt, dachte sie zufrieden.
Und wieder wanderten ihre Gedanken zu all ihren Möglichkeiten, die sie in Form der Papierscheine in ihren zittrigen Händen hielt: die neuen Fingernägel, das Kleidchen aus dem Store neben dem Pradashop, die neue Bräune, all das, wonach die Gesellschaft lechzte und dem sie sich beugte, ja, sie liebte es zu besitzen worum andere sie beneideten. Natürlich ließ sie die kleine Nebensächlichkeit, wie sie zu all ihrem materiellen Besitztum gelangte, galant unter den Tisch fallen.

Und dann geschah es und es dauerte einen Moment, bis sie begriff.

Der Vorhang an der nachlässig angebrachten Halterung knallte samt Stange auf dem Boden, wirbelte uralten Staub in die stickige Luft, beißendes Sonnenlicht durchflutete die Schäbigkeit des Raumes, und der Alkohol in ihrem Blut begann sich gleichzeitig abzubauen und hinterließ nichts als die ernüchternde Wahrheit, eine erschreckende Erkenntnis, die sie traf wie das unbarmherzige Sonnenlicht: Was war schon der materielle Besitz gegen ihren nicht vorhandenen Stolz wert?

Der Vorhang war gefallen...
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Sehr gut :top:

Gefällt mir. Guter Schreibstil, ich möchte sogar sagen, schöner Schreibstil. Nicht jeder kann über "ficken" schreiben und dabei so elegant bleiben. :squint:

Weiter so!

Musste leider feststellen, dass Frauen sich scheinbar nicht oft trauen, etwas zu veröffentlichen. Schade.

Nur eine klitzkleine Kleinigkeit, die aber weder Inhalt noch Schreibe betrifft, sondern Rechtschreibung:

herunter zuschlucken

Bei solchen Sachen wird glaub ich entweder komplett zusammen geschrieben oder komplett getrennt, also entweder "Herunter zu schlucken" oder "herunterzuschlucken".

Ansonsten aber eine feine und starke Story, schreib mehr.
 

Brick

Der mit der Mütze
habe ja vorhin probegelesen und kann hier nur noch mal wiederholen.

du hast wirklich talent! klasse wortwahl und beschreibungen man sieht es quasie vor sich wie es passiert.

einfach ne klasse geschichte mit wirklich gutem inhalt.
auf jeden fall dran bleiben und weiterschreiben und ruhig hier bei den wettbewerben mitmachen.

musst dich keineswegs verstecken.
 

Joel.Barish

dank AF
Der erste Absatz hat vielleicht ein paar ";" zu viel, was komisch wirkt, da du sie später gar nicht mehr benutzt. Ich weiß, es geht um die einleitende Beschreibung, aber ich denke, da hätten es auch Punkte getan, damit der Eindruck sich setzen kann. Aber das ist eigentlich ... Pillepalle.:squint:

Ansonsten sieht das schon sehr gut aus, da sind einige sehr schöne Formulierungen und Ideen drin. Wie brick schon sagte, kann man sich das Geschriebene wirklich gut vorstellen, die bildhaften Vergleiche passen sehr gut. Manche Sätze sind vielleicht nah an der Grenze, etwas zu verschachtelt zu sein, aber eben noch "vor" der Grenze.

Inhaltlich wird ein interessanter, kleiner Einblick geboten. Vielleicht etwas kurz, aber in diesem Zeitraum mit ein paar netten Ideen. Nur der kleine Absatz darüber, was Ellen mit ihrem Geld macht, sticht mit seinem leicht sarkastischen Ton und dem kritischen Inhalt, aus der restlichen Geschichte etwas heraus.

Der letzte Absatz ist aber wirklich wunderbar und sehr gut gelungen. Ein schönes Bild, ein guter Gedanke, toll verknüpft.
 

Layla

Nordisch by Nature
Lieben Dank für eure Kritiken, Jungs!

Leidige Grammatik, genau das Zusammenschreiben einiger Wörter macht mir Probleme. Grrr. :wink:
 
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