Story II - Seeking Illumination in the...

Jay

hauptsache bereits gesehen
Teammitglied
Seeking Illumination in the Wasteland of a deserted Ground

Die Schuhe waren alt. Unzählige Jahre schon, wandelte er mit ihnen auf der Erde. Die Spuren dessen waren deutlich zu sehen, das Leder hatte sich verfärbt, Risse waren an der Seite, die Sohle löste sich. Er zurrte die Schnürsenkel fest zusammen und stand auf. Er war 33 Jahre alt.

Die alte Hintertür krachte klappernd gegen die Wand. Die Farbe blätterte ab, eine der vier Scheiben war zerbrochen. Er stand auf der Schwelle. Sein Blick forcierte den Horizont der gelblich violett schimmerte. Ein Schwarm Vögel zog vor der untergehenden Sonne vorbei, auf dem Weg in den Süden. Weg von diesem Ort. Er beobachtete sie eine Weile, verfolgte sie, bis sie nicht mehr als ein schwarzer, verwischter Fleck am Himmel waren. Er war der Mann, den sie immer nur žJay nannten.

Die Bretter der Holztreppe waren morsch und gaben mit einem unnatürlichen Laut nach, als er sie betrat. Er trabte den unbefestigten Lehmboden des kleines Weges entlang, über den er als Kind immer freudig nach Hause gelaufen war. Gräser und Farne wuchsen wild über den Weg. Die Eiche im Garten war schon ganz kahl, die Blätter verteilten sich in Rot und Orange über den braunen Boden. Mit starrem Blick schlenderte er weiter. Er war der Eremit.

Die kleine Landstraße lag direkt an seinem Haus. Seine alten Schuhe betraten die unzähligen großen, runden Steine, die den Weg bildeten. Jede runde Unebenheit bohrte sich anhänglich durch seine Schuhe in seine Füße. Golgatha. Er ließ sein Haus, Hort seiner Kindheit und bis in den heutigen Tag hinein, hinter sich zurück. Es war das Einzige in der Nähe. Es war alt. Er war sein einziger, ständiger Begleiter.

Die Arme hingen schlaff herunter. Kaum noch Leben war in ihnen. Müde und erschöpft zogen ihn seine Füße vorwärts, seine Augen waren träge. Sie hatten zu viel gesehen in ihrem Leben. Die Lider versperrten ihnen zur Hälfte die Sicht. Sein Mund war trocken, er atmete durch die Nase.

Die Steigung machte ihm kaum zu schaffen. Karg und regungslos lag der Hügel vor ihm und wurde überschritten, wurde bezwungen. Er blieb am höchsten Punkt stehen und blickte nach vorn. Der altbekannte, salzige Geruch des Ozeans lag ihm in der Nase. Er konnte nun das Meer sehen.

Die Wogen des Windes wirbelten Sand von den Dünen auf den Weg und noch viel weiter. Trockene Gräser wehten hin und her, eine Blüte wurde seinem Stängel entrissen und flog davon, in die Lüfte, wart nie wieder gesehen. Er ging weiter, setzte immer wieder einen Fuß vor den Anderen, zog den hinteren schwerfällig hinterher und tat es dem vorherigen gleich. Plötzlich stolperte er und ging auf die Knie. Wie von einer schweren Last bedrängt, musste er sich wieder aufraffen, stützte sich mit den Händen auf seinem Bein ab, griff verkrampft in die zerschlissene Hose, die er trug. Er hatte nie wirklich viel besessen.

Die Brandung überspülte den Strand. Das Meer breitete sich aus und durchzog die Welt, so weit man blicken konnte. Er stand am Ende des Weges, an einem verwitterten Fahl, an dem einst das kleine Holztor hing. Er stützte sich darauf und fühlte, wie die Zeit das Holz aufgelöst hatte, wie sie Jahr um Jahr davon etwas abnagte und gebrechlich zurückließ. In der Ferne tauchte die Sonne in den Ozean und färbte ihn blutrot. Kräuselnd bahnte sich das Rot der Sonne seinen Weg bis zum Strand und ergoss sich in gleißendem Licht. Er zog seine Schuhe aus.

Die Sandkörner und kleinen Steine umspülten seine Füße, zerbrochene Muscheln hafteten sich an seine Zehen, rissen kleine Wunden in die Haut und nisteten sich darin ein. Gemächlich stapfte er durch den Sand. Er hatte einst seine Mutter gefragt, wie das Meer entstanden sei. Sie antwortete, dass es die Engel waren. Die Engel begannen zu weinen, als sie ihre Unsterblichkeit erkannten und füllten die Täler der Erde mit ihren Tränen. Er glaubte ihr nicht.

Die Stille hatte ihn vollkommen eingenommen. Die Wogen des Meeres umspülten seine Füße, Algen und kleine Steine umspielten sie, wichen dann ins endlose Meer zurück. Er regte sich nicht, er lauschte nur dem Rauschen. Dem Rauschen der Wellen, die sich immer wieder kurz an Land wagten und dann wieder den Schutz des Meeres suchten. Er suchte etwas Anderes.

Die Sonne verschwand immer weiter am Ende der Welt, tauchte die Umgebung mehr und mehr in Dunkelheit. Tang hatte sich um seinen Fuß gewickelt, saugte sich an ihm fest und trotzte jedem Versuch der Wellen, es von ihm loszureißen. Als seine Kräfte jedoch nachließen, riss es das Meer mit sich. Er hatte seinen letzten Begleiter verloren.

Ein Tier schreckte mit einem lauten Ächzen auf und war verschwunden.

Er setzte sich hin, sank, wie ein angeschossener Vogel der vom Himmel fällt, zu Boden und setzte sich in den feinen Sand, die Beine angewinkelt, die Arme daraufgelegt. Er lehnte an seinen Armen, blickte mit tranigen Augen aufs Meer und atmete die reine, salzige und uralte Luft des Meeres ein. Das Meer, sein alter Freund. Einst saß seine Frau neben ihm und umspielte mit ihren Zehen seine, stieg an seinem Bein entlang und schob Sand auf die Füße. Eines Tages legten sie ihre Köpfe in den Sand und horchten in die Tiefe. Die Geräusche nannte er die Schritte von fliehenden Geistern, die sich vor den Lebenden versteckten, da Sie diese beneideten. Als sie fragte was es sei, worum die Geister die Lebenden beneiden, blickte er hingebungsvoll auf die See und meinte, dass dies der Grund sei. Sie ging noch oft mit ihm mit, auch wenn sie schon längst von ihm gegangen war, doch heute nicht. Heute war er allein.
Er ließ einen Arm von seinen Knien rutschen und auf den Boden schlagen. Er griff in den Sand und durchwühlte die kleinen Körner, die sich an seine Finger schmiegten und sie nicht wieder loslassen wollten. Nimm diese Hände und wirf sie ins Meer. Diese Hände, die Berge hätten versetzen können, die Gutes hätten tun können, stattdessen aber nur versuchten, Mensch zu sein. Er ballte seine Hand zu einer Faust und presste den restlichen Sand darin zusammen, dann warf er den Klumpen ins Meer. Die Steinchen lösten sich im Wasser, verteilten sich in der Endlosigkeit.
Die Sonne hatte sich von ihm abgewandt, hatte sich zur Ruhe gelegt und träumte von einem besseren Morgen. Die Dunkelheit befiel ihn, umschlang ihn und hielt ihn gefangen. Er legte sich flach auf den Rücken, streckte die Beine aus. Das Wasser spülte durch seine aufgelaufenen Schuhe, an seinen Beinen entlang, kroch immer wieder hoch und verschwand im selben Augenblick. Er hatte sich sein Bett gemacht.

Die Wolken waren schwarz und schwer, zogen behäbig am dunkelblauen Himmel vorbei und formierten sich zu einem bedrohlichem Gebilde. Ein Hügel türmte sich am Firmament auf, ein Schlund öffnete sich und Licht ergoss sich daraus ins Meer. Er lag regungslos auf dem Boden und beobachtete das Himmelsspiel. Die Lichter bewegten sich, schwammen durchs Wasser und wurden an Land gespült. Das Licht umgab ihn nun. Um ihn herum standen 13 Engel, die sein Bett bewachten und ihn beschützten. Er schloss die Augen. Die Engel weinten, er hörte ihre Laute, wie sie leise und heimlich glucksten und schluchzten, wie ihre Tränen in den Sand fielen und kleine Rinnsale bildeten. Er spürte, wie sein Rücken feucht wurde, wie das Wasser durch seinen Ärmel zog und schließlich seinen Kopf erreichte. Ein Tropfen fiel auf seine Stirn, harrte einen Moment aus, floss dann an seinen Augenbrauen entlang, durch die einzelnen, borstigen Haare, an der Augenhöhle entlang und über die Nase. An der Spitze blieb er hängen und stürzte sich herab, glitt über seine Lippe und verschwand in seinem Mund. Er lag ruhig, spürte, wie er sich leicht bewegte. Die Engel weinten noch immer. Langsam begann er zu schweben, auf dem Wasser zu treiben. Er schaute nur zum Himmel, der sich komplett öffnete und von dem sämtliche Wolken verschwunden waren. Er schwamm regungslos aufs Meer hinaus, die Engel begleiteten ihn, hatten sich um ihn formiert und beschützten ihn. Dann lächelte er und schaute einem der Engel in die Augen. Als sie dies erkannten, hörten sie auf zu weinen und legten ihren Händen an ihn. Sie schoben ihn über das Wasser, immer weiter hinaus, bis ans Ende des Meeres, bis ans Ende der Welt. Er liebte das Meer, es war das Einzige, dass er zu lieben noch im Stande war. Er wusste, dass er zum letzten Mal dort gewesen war.
 

Tyler Durden

Weltraumaffe
Teammitglied
Super. Du beherrschst die Umschreibungen sehr gut. Sie sind sehr bildlich. Die poetische Ausdrucksweise gefällt mir auch.
Prima :top:
 
J

JakeGyllenhaal

Guest
ich finde die umschreibungen etwas zu übertrieben, aber die story hat was
 

Slimbo

New Member
Seeking Illumination in the Wasteland of a deserted Ground: sehr netter Titel (nicht immer Die..., Der... usw.). Allerdings frag ich mich wiso der auf englisch ist!

Deine Beshreibungen sind gut gewählt und du findest die passenden Wörter! Nur gibt es vielleicht etwas zu viele Sätze nach dem Schema: er tut das, dann das, dann das usw. Das scheint zwar extra so gewählt worden zu sein, find es allerdings etwas übertrieben. Besonders mit dem Potenzial an bildlicher Beschreibung!

Du beherrschst es hervorragend die Stimmung einzufangen! Auch wenn nicht allzuviel in der Geschichte passiert ist sie angenehm zu lesen! :yeah:
 

Mestizo

Got Balls of Steel
Ganz schön geschrieben, fand jedoch den Stil ein wenig abgehackt. Gerade im ersten Part gefällt mir die Aneinanderreihung der Sätze nicht so gut, da sie einfach zu losgelöst voneinander scheinen. Das kann aber natürlich auch Alles so gewollt sein. Jedoch spricht der letzte Part ein wenig dagegen, der doch ein anderes Tempo anschlägt und etwas runder wirkt.

Zur Geschichte an sich: schön melancholisch geschrieben und sehr detailverliebt, teils vielleichz zu detailverliebt, aber das bleibt Geschmackssache. Und irgendwie auch entspannend. Auf jeden Fall mal etwas "anderes".
 
T

Thomas

Guest
Gute Story. Nett geschrieben. :wink: Da gibts mal nichts dran auszusetzen.
 

j.@.c.K

Liza Saturday
Hat mir toll gefallen. Läuft zwar nicht gerade in die Kategorie, welche ich gewöhnlich lese, aber die hat mir sehr gefallen.

Die Verzweiflung des Protagonisten, etc. das kommt alles sehr gut rüber.

Wenn ich mir die ersten 3 Absätze so durchlese, dann erinnert mich das irgendwie an Sachen wie: "Ich bin Jacks vergeudetes Leben!" :squint:

Ein Fehler ist mir auch aufgefallen. Der Protagonist zieht sich seine Schuhe aus, aber ein paar Zeilen später laufen sie mit Wasser voll?!?! Geht wohl kaum, wenn er sie ausgezogen hat.
 

Joel.Barish

dank AF
Also... jeder Absatz fängt mit "DIE" an und jeder letzte Satz eines Absatz fängt mit "ER" an und einer kleinen Informationen über ihn. Gut und schön, aber was genau willst du damit bezwecken und warum hältst du es nicht bis zum Schluss durch?

Ansonsten ist es sehr schön geschrieben und die Geschichte wurde gut auf eine eher poetische Ebene gehoben. Schöne Details usw. Ja.
 

El Zo!d!

New Member
ja die umschreibung ist dir sehr gut gelungen, besonders der schluß gefällt mir richtig gut, des mit den engeln usw, eine der besten geschichten bisher.

jedoch hätte die einleitung auch etwas kürzer sein dürfen
sonst wie gesagt suppi :yeah:
 

Deathrider

The Dude
Richtig geil umschrieben. Hier haben wir einen richtigen Poeten am Werk. Das ganze is aber zeitweise etwas anstrengend, obwohl es sich gegen Ende hin, in meinen Augen bessert. Der Stil ist interessant, aber wirklich nur für etwas in Form/Länge einer Kurzgeschichte zu gebrauchen (wie es ja auch vorliegt).
Gefällt mir soweit ganz gut.
 
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